Fahrtkostenerstattung für Schüler: Mühldorfer Modell einführen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Jörg Hoffmann, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Christa Stock (FDP) vom 4.11.2013
Antwort Stadtschulrat Rainer Schweppe:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb die Beantwortung auf diesem Weg erfolgt.
In Ihrem Antrag fordern Sie, dass die Eltern von Schülerinnen und Schülern, die eine weiter entfernt gelegene Schule besuchen, ohne dass diese Schule ein unterschiedliches Angebot bietet, zumindest die Kosten der Fahrt zur nächstgelegenen Schule erhalten sollen. Um die Wahlfreiheit der Eltern nicht durch finanzielle Sanktionen einzuschränken, soll die Landeshauptstadt München in jedem Fall die Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule gewähren. Nach Ihren Informationen gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, ob die weiter entfernt liegende Schule tatsächlich ein unterschiedliches Angebot zur nächstgelegenen Schule bietet. Beispielsweise soll aus Sicht der Schulver waltung Italienisch als dritte Fremdsprache kein unterschiedliches Angebot gegenüber Spanisch als dritte Fremdsprache darstellen. Außerdem kann aus anderen, auch privaten Gründen, der Besuch der weiter entfernt liegenden Schule aus Sicht des Schülers oder der Eltern einen Vorteil bieten, der von der Schulver waltung nicht nachvollzogen werden kann. Um Streit zu vermeiden, ermöglicht das Mühldorfer Modell der Fahrtkostenerstattung Ihrer Ansicht nach eine faire Regelung.
Vorab bedanke ich mich für die entsprechend der Zwischennachricht vom 22.01.2014 und 02.04.2014 gewährte Terminverlängerung.
Zu Ihrem Antrag kann ich Ihnen nach der Prüfung in meinem Haus in Abstimmung mit der Regierung von Oberbayern und dem Landratsamt Mühldorf Folgendes mitteilen:
Grundsätzlich ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule, durch die Landeshauptstadt München sicherzustellen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1 Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV).
Nächstgelegene Schule ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 – SchBefV-
- die Pflichtschule, oder
- die Schule, der die Schülerinnen und Schüler zugewiesen sind, oder - diejenige Schule der gewählten Schulart bzw. Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist.
Die gesetzliche Beförderungspflicht besteht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchBefV im Wesentlichen, soweit der Fußweg zu dem Ort, an dem regelmäßig Unterricht stattfindet, für Schülerinnen und Schüler (…) ab der 5. Jahrgangsstufe länger als drei Kilometer ist.
Der Fußweg ist von der Wohnung jeder einzelnen Schülerin oder jedes einzelnen Schülers zur besuchten Schule zu Grunde zu legen.
Aus den Gesetzesgrundlagen ergibt sich folgerichtig, dass grundsätzlich keine Beförderungspflicht zur nicht nächstgelegenen Schule besteht, wenn es weitere Schulen gibt, welche dieselbe Ausbildungs- und Fachrichtung anbieten und gleichzeitig mit geringerem Beförderungsaufwand oder zu Fuß (weil die Entfernung zur Schule unter drei Kilometer beträgt) zu erreichen sind. Hierbei ist jeder Einzelfall von der zuständigen Abteilung gesondert zu prüfen.
In speziellen Ausnahmefällen, die abschließend in § 2 Abs. 3 und 4 SchBefV aufgeführt sind, kann in Einzelfällen auch die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden.
Die Übernahme der Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule, obwohl die Schülerin oder der Schüler tatsächlich nicht diese, sondern eine weiter entfernt liegende Schule besucht (sog. Mühldorfer Modell), ist gesetzlich nicht vorgesehen und kann somit nicht als notwendige Beförderung im Sinne von Art. 2 SchKfrG gesehen werden.
Von Bedeutung wird die Einstufung als notwendige Beförderung im Rahmen der Refinanzierung. Gemäß Art. 4 SchKfrG gewährt der Freistaat Bayern den Aufgabeträgern (der LHM) zu den Kosten der notwendigen Beförderung pauschale Zuweisungen.
Für Beförderungskosten, die die LHM übernimmt, obwohl sie nicht notwendig im Sinne des SchKfrG sind, werden vom Freistaat Bayern keine Zuschüsse geleistet, d.h. die LHM trägt diese vollständig.
Insbesondere kommt die Verwaltung bei der Subsumtion der möglichen gesetzlichen Ausnahmetatbestände für eine Einführung nach dem „Mühl-dorfer Modell“ nach Überprüfung in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberbayern zu dem Ergebnis, dass lediglich § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV herangezogen werden könnte. Voraussetzung dafür wäre, dass der zuständige Aufwandsträger (also die LHM) und alle betroffenen öffentlichen Schulen in und um München zustimmen. Diese Zustimmung müsste von der zuständigen Abteilung des Referats für Bildung und Sport von den betroffenen Schulen für jede Schülerin und jeden Schüler eingeholt werden. Für den Fall, dass nicht alle Schulen zustimmen, könnte für diejenigen Schülerinnen und Schüler, deren nächstgelegene Schule eine Schule ist, welche die Zustimmung verweigert, keine Rückerstattung erfolgen. Dies tangiert nicht zuletzt das Gleichbehandlungsgebot.
Nach den Ausführungen der Regierung von Oberbayern könnte die erwähnte Zustimmung des Aufgabenträgers und der Schulen lediglich in außergewöhnlichen Fällen oder zeitbegrenzten Einzelfällen erteilt werden. Dieses ergibt sich schon daraus, dass die in § 3 Abs. 4 SchBefV genannten Ausnahmetatbestände stets Einzelfallbetrachtungen erfordern und keine pauschale Er weiterung des Grundgedanken – Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule – bewirken sollen.
Beim „Mühldorfer Modell“ kann jedoch kein außergewöhnlicher Fall unterstellt werden, da die Übernahme der Beförderungskosten in Höhe zur nächstgelegenen Schule in München im Gegensatz zu Mühldorf ein häufig vorkommendes Ereignis darstellt.
Mühldorf hat z.Zt. 110 Schülerinnen und Schüler in 2 Gymnasien und 1 Realschule, die die fiktive Kostenübernahme in Anspruch nehmen. Die finanziellen Auswirkungen belaufen sich nach Auskunft auf ca. 7.500 Euro pro Schuljahr.
Bei der Landeshauptstadt München würde es hingegen ca. 550 Schülerinnen und Schüler in 66 öffentlichen Gymnasien, Realschulen, Wirtschaftsschulen und 54 Schulen im Umland betreffen. Die finanziellen Auswirkungen würden sich hier auf mind. 300.000 Euro pro Schuljahr belaufen. Die generelle Übernahme der Fahrtkosten zur nicht nächstgelegenen Schule nach dem „Mühldorfer Modell“ betrifft somit in München eine Vielzahl von Schülerinnen und Schüler, die alle unterschiedliche öffentliche Schulen besuchen und ist damit nicht wie in Mühldorf als außergewöhnlicher Fall einzustufen.
Eine gesetzliche Grundlage für die Einführung des „Mühldorfer Modells“ ist somit nicht ersichtlich.
Die Übernahme dieser fiktiven Fahrtkosten durch die LHM wären als freiwillige Leistungen einzustufen. Da die LHM für die Übernahme der nachdem SchKfrG nicht notwendigen Beförderungskosten keine Zuschüsse seitens des Freistaats Bayern erhält, wiegt die finanzielle Mehrbelastung besonders schwer.
Weiterhin darf der erhöhte Verwaltungsaufwand nicht vernachlässigt werden.
Die verursachten Kosten stehen außer Verhältnis zum erhofften Nutzen. Schon im Hinblick auf die Bedarfsplanung ist am Grundsatz der Beschulung im näheren Einzugsbereich festzuhalten. Für Einzelfälle bieten die gesetzlichen Grundlagen ausreichende Möglichkeiten der Ausnahmeregelungen.
Im Übrigen sind die nächstgelegenen Münchner Gymnasien, Realschulen und Wirtschaftsschulen für viele Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren nicht mehr aufnahmefähig, so dass schon jetzt eine Übernahme der Fahrtkosten in vielen Fällen in Höhe der tatsächlich benötigten Fahrtkosten zu den besuchten Schulen erfolgt.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.