Sozialticket wird immer teurer – wer hebelt Stadtratsbeschlüsse aus?
Anfrage Stadträtinnen Dagmar Henn und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 8.4.2014
Antwort Sozialreferat:
In Ihrer Anfrage vom 08.04.2014 führen Sie Folgendes aus:
„Im April 2009 wurde für Inhaber/innen des München Passes die Isarcard S eingeführt. Damals kostete eine Karte für den Innenraum 23,90 Euro (Gesamtnetz 38,60 Euro). Mittlerweile kostet der Innenraum 27,10 Euro (Gesamtnetz 38,60 Euro).“
Zu Ihrer Anfrage vom 08.04.2014 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie entwickelte sich der Preis für die IsarCard S (Innenraum und Gesamtnetz) in den vergangenen fünf Jahren? Wie entwickelte sich parallel dazu der vorgesehene Betrag für Mobilitätskosten im Regelsatz des SGB II bzw. SGB XII?
Antwort:
* Der Anteil im Regelsatz für die so genannten „Fremden Verkehrsdienstleistungen“ wurde mit Einführung des Regelbedarfsermittlungsgesetzes zum 01.04.2012 von 4% auf 5% angehoben.Es gilt weiterhin, dass die angegebenen Bedarfsanteile nur Richtwerte darstellen. Es steht den Leistungsberechtigten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung frei, innerhalb des Regelbedarfs eigene Prioritäten zu setzen und zugunsten des Erwerbs einer IsarCard S bei einer anderen Bedarfsgruppe zu sparen.
Frage 2:
Wer hat die Preiserhöhung für die IsarCard S jeweils beschlossen? War darin der Stadtrat einbezogen? Falls nicht, wurde er zumindest über die Erhöhung informiert?
Antwort:
Die Fortschreibung der Kosten für die IsarCard S wurde vom Sozialausschuss am 13.11.2008 und von der Vollversammlung am 26.11.2008 beschlossen. Im Beschluss wird auf Seite 6 ausgeführt:
„Die Preise für die München-Pass-Berechtigten und die Ausgleichsbeträge werden mit jeder MVV-Tariferhöhung fortgeschrieben.“
Die Kosten für die IsarCard S werden sowohl für die Münchenpass-Berechtigten als auch für die Landeshauptstadt München jeweils um den durchschnittlichen Anhebungsbetrag aller allgemeinen Zeitkartentarife erhöht.
Frage 3:
Der Stadtrat hatte die Einführung der IsarCard S und den Preis nahezu einstimmig festgelegt. Sollten weder die Vollversammlung noch der Sozialausschuss der Preiserhöhung zugestimmt haben, wer trägt dann die Verantwortung für die Aushebelung des Stadtratsbeschlusses in Bezug auf den Preis des Sozialtickets?
Antwort:
Siehe Frage 2.
Frage 4:
Warum wurde der Stadtrat bisher noch nicht über die tatsächlichen Mehrkosten bzw. Mehreinnahmen für das Sozialticket informiert? Diese Informationen wurden bei der Beschlussfassung im November 2008 eingefordert.Antwort:
Wir haben von einer Berichterstattung abgesehen, da statt der ursprünglichen Beschlussfassung im November 2008 mit Beschluss der Vollversammlung vom 22.04.2009 auch die Ausgabe vergünstigter Tageskarten fortgeführt wurde. Die Kalkulationen von Sozialreferat und Verkehrsbetrieben, die stets auf einem Wegfall der ermäßigten Tageskarten und entsprechenden Einsparungen beruhten, waren damit ab absurdum geführt.
Wegen der großen Inanspruchnahme beider Fahrtkostenvergünstigungen werden beide bis heute angeboten. Im Jahr 2013 wurde für die Fahrtkostenermäßigungen für Münchenpass-Berechtigte ein Betrag von 6 Mio. Euro aufgewendet (vergünstigte Tagestickets: 1,7 Mio. Euro, IsarCard S: 4,3 Mio. Euro).
Frage 5:
Welche zusätzlichen Kosten würden anfallen, wenn die IsarCard S auch vor 9 Uhr gültig wäre? Gerade für Beschäftigte mit aufzahlendem ALG II-Bezug oder Langzeitarbeitslose mit 1-Euro-Job ist die IsarCard S nicht nutzbar, zudem dürfen Fahrtkosten laut Urteil des Bundessozialgerichts nicht mehr erstattet werden.
Antwort:
Diese Kosten können nicht beziffert werden. Berechnungen aus dem Jahr 2010 gehen davon aus, dass eine IsarCard S für den Innenraum ohne Sperrzeit insgesamt um ein Drittel teurer wäre. Da die Mehrbelastung nach den Erkenntnissen aus der Marktstudie zu einem großen Teil von der Landeshauptstadt München getragen werden müsste, ergäben sich schon unter Zugrundelegung der jetzigen Abgabezahlen für die IsarCard S für den Innenraum Mehrkosten für das städtische Budget in Höhe von ca. 3,5 Mio. Euro. Rückgänge bei den Kosten für vergünstigte Tageskarten können diesen Mehraufwand nicht ausgleichen. Ein unkalkulierbares Kostenrisiko entsteht dadurch, dass nicht abschätzbar ist, wie viele Münchenpass-Berechtigte die attraktivere IsarCard S ohne Sperrzeit tatsächlich in Anspruch nehmen würden.
Bezüglich der ALG II-Aufzahlerinnen und -Aufzahler sei erneut darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung des ALG II nicht das ganze Erwerbseinkommen angerechnet wird, sondern stets ein Freibetrag verbleibt, aus dem die Fahrkosten bestritten werden können. Der Freibetrag übersteigt im Übrigen die Fahrkosten regelmäßig deutlich.Um das für MAW-Beschäftigte ungünstige Urteil des Bundessozialgerichts auszugleichen, wurde die Mehraufwandsentschädigung angehoben. Die Anhebung der Entschädigung um 0,25 Euro pro Stunde wurde in einer Befragung der Beschäftigten von diesen als ausreichend betrachtet. Auch diesem Personenkreis steht deshalb ein ausreichender Betrag für den Kauf eines regulären MVV-Tickets zur Verfügung. Im Übrigen arbeiten viele der MAW-Beschäftigten in der Einrichtung, in der sie leben, so dass für den Arbeitsweg gar keine Kosten entstehen.