Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich heute bezüglich der stark ansteigenden Zahl neu ankommender Flüchtlinge in München und inbesondere bezüglich der aktuellen Zustände in der Bayernkaserne mit einem Schreiben an den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer gewandt. Dieses ist nachfolgend im Wortlaut abgedruckt:
„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
die besorgniserregende Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge hat mich am vergangenen Wochenende dazu veranlasst, gegenüber der Regierung von Oberbayern einer kurzfristigen und vorübergehenden Er weiterung der Kapazität ihrer Erstaufnahme auf dem städtischen Gelände der Bayernkaserne um weitere 500 Plätze zuzustimmen.
Es ist für mich selbstverständlich, dass sich die Landeshauptstadt München angesichts der dramatischen Situation im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemüht, die Situation der ankommenden Flüchtlinge zu verbessern. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich damit jedoch die Kapazität der Aufnahmeeinrichtung in der Bayernkaserne von etwa 400 auf über 2.200 Plätze erhöht. Unsere Vereinbarung vom 31.10.2013 in Bezug auf die maximale Belegung der Bayernkaserne mit 1.200 Plätzen wurde damit bei weitem überschritten. Das erträgliche Maß einer menschenwürdigen Unterbringung der betroffenen Flüchtlinge ist damit nicht mehr gewährleistet. Auch das Gefüge der angrenzenden Stadtteile wird durch diese erhebliche weitere Aufstockung zunehmend belastet. Die Situation ist vor allem auch deshalb so schwierig, weil die Zusage des Freistaats, für eine engmaschigere Betreuung vor Ort zu sorgen, bisher nicht umgesetzt wurde. Die versprochene Verbesserung des Betreuungsschlüssels scheitert laut Sozialministerium an fehlenden Mitteln für eine Finanzierung der notwendigen Sozialarbeiterstellen.
Die Landeshauptstadt München ist nach wie vor nachhaltig bemüht, Lösungen zu finden und setzt hierfür auch beträchtliche Mittel ein. Ich möchte Sie hiermit nochmals dringend bitten, dass auch der Freistaat die Zusagen aus der vorgenannten Vereinbarung umgehend umsetzt.
Die Landeshauptstadt hat, nachdem sie Ende Oktober 2013 von den stark steigenden Flüchtlingszahlen und deren Folgen informiert wurde, umgehend einen Stab zur Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt. Der Stadtrat hat der Ver waltung 16,5 Planstellen zur Verfügung gestellt, um den Aufgabenzuwachs zu schultern sowie ein Planungsbudget für die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften in Höhe von 20 Millionen Euro bewilligt. Über die Regierung von Oberbayern und die IMBY ist der Freistaat an der Arbeit dieses Stabes beteiligt. Abgesehen von einigen wenigen staatlichen Grundstücken, die damals schon bekannt und in Überplanung waren, wurde seither nicht ein einziges weiteres staatliches Grundstück beziehungsweise eine Immobilie den Planungen zugeführt.
Da mich die dargestellte Entwicklung mit großer Sorge erfüllt, möchte ich Sie hiermit dringend bitten, dass die ausführenden staatlichen Ver waltungsbehörden mit dem notwendigen zusätzlichen Personal sowie den entsprechenden Haushaltsmitteln ausgestattet werden, um handlungsfähig zu sein. Hierzu gehören neben den bereits angeführten personellen Bedarfen zur Betreuung der Menschen auch Mittel für die Reinigung und Sicherheit außerhalb der Kasernenanlage.
Damit es in der Bayernkaserne sowie im Umgriff nicht zu weiteren problematischen Entwicklungen kommt, bitte ich Sie, die vor Ort zuständige Regierung von Oberbayern in die Lage zu versetzten, auch unbürokratische Maßnahmen treffen zu können. Schon einfache Mittel, zum Beispiel das zur Verfügung stellen von Fernsehgeräten während der Fußball WM, würden die Lage entspannen, da dann viele Flüchtlinge nicht darauf angewiesen wären, das Gelände zu verlassen, um die Spiele zu sehen.
Um den Standort Bayernkaserne nicht übermäßig zu belasten, bitte ich Sie, alles Notwendige zu veranlassen, um die am Wochenende per städtischer Nothilfe ermöglichte Unterbringung in den Garagengebäuden bis spätestens Ende Juli 2014 zu beenden. Ich habe auch dem Regierungspräsidenten gegenüber bereits betont, dass ich einer zeitlich hierüber hinausgehenden Nutzung keinesfalls mehr zustimmen kann.
Ich begrüße ausdrücklich die Planungen von Frau Staatsministerin Müller, in Deggendorf eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung einzurichten sowie dies auch für die anderen bayerischen Bezirke zu planen.
Um in Bayern aber zu einer Entspannung in der Flüchtlingssituation zu kommen, braucht es aus der Sicht der Landeshauptstadt München die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes.
Aufgrund der Flüchtlingssituation wird die Einrichtung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen allein nicht genügen.
Die Landeshauptstadt München möchte daher noch einmal die Einrichtung einer Expertenkommission unter Beteiligung des Bayerischen Städtetages, des Landkreistages und der Wohlfahrtsverbände anregen. Ziel soll es sein, Empfehlungen für die Weiterentwicklung eines Konzeptes zur Unterbringung, sozialen Betreuung, gesundheitlichen Versorgung sowie der beruflichen Integration von Flüchtlingen in Bayern zu machen. Nur so kann dauerhaft eine gute Lösung für die Unterbringung der Flüchtlinge gefunden werden.“