Heizen bis zum Abwinken – warum pumpt die SWM im Hoch- sommer zu viel Erdwärme in die Messestadt?
Anfrage Stadträte Hans Podiuk, Manuel Pretzl, Johann Sauerer und Sebastian Schall (CSU-Fraktion) vom 4.8.2014
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 04.08.2014 führen Sie als Begründung aus:
„Angesichts der M-Wärmevision 2040 – der bis 2040 geplanten vollständigen Deckung des Münchner Wärmebedarfs aus regenerativen Quellen – ist es wichtig, erkennbare Schwächen der bereits realisierten SWM-Geothermieprojekte zu identifizieren, sie nachhaltig zu beseitigen und daraus für die kommenden Projekte zu lernen.
Die Probleme mit den hohen Rücklauftemperaturen im Inselnetz der Messestadt Riem waren bereits mehrfach Gegenstand von Stadtratsanfragen. Dabei lag der Themenschwerpunkt bei den Hausübergabestationen. Es gibt aber – zumindest im Sommer – noch eine zweite Seite der Medaille. Und die hat nichts mit den Hausstationen zu tun, sondern mit der Fördertechnik im Heizwerk Riem. Das Problem könnte aber auch in Freiham, dem nächsten Geothermie-Projekt, auftreten.
Vorab sei aber ausdrücklich festgestellt, dass es sich beim Geothermie-Projekt Riem um ein ausgesprochenes Erfolgsprojekt der SWM handelt: Der Kostenrahmen von ca. 10 Mio. Euro wurde eingehalten, die thermische Leistungsabgabe P
therm konnte dabei von prognostizierten 9 MW auf
mittlerweile 13,7 MW, also um über 50 Prozent gesteigert und in gleichem Umfang der Einsatz von Gas zum Zuheizen verringert werden! Kein Wunder, dass sich Insidern zufolge das Projekt nun schon nach 10 Jahren amortisiert haben wird.
Soweit so gut. Der Haken liegt darin, dass die Heizleistung auch im Hochsommer nicht soweit abgesenkt werden kann, wie es der geringe Wärmebedarf eigentlich erfordert. So war die Situation am Freitag 04.07.2014 nachmittags 15 Uhr durch folgende Kenngrößen geprägt: Lufttemperatur 28°C, im Schaukasten angezeigte Wärmeleistung 5,1 MW, Thermalwasser-Vorlauf 93°C, Thermalwasser-Rücklauf 77°C. D.h. im Wärmenetz wurde gerade mal eine Absenkung von 16°C erreicht!Wie kann es sein, dass im Hochsommer das Heizwerk Riem mit rund 40 Prozent seiner (Winter-)Spitzenleistung Wärme produziert? Des Rätsels Lösung: Die Leistung der Thermalwasser-Förderpumpe – einem ausgesprochenen Hightech-Produkt aus dem Erdölsektor mit 550 kW An-
schlusswert – kann derzeit nur im Bereich zwischen 75 l/s und 25 l/s variiert werden. D.h. es werden mindestens 33% der winterlichen Spitzenleistung produziert, darunter ‚geht’ nichts – ein aberwitziger Zustand!
Und wie reagiert die Messestadt auf dieses Wärme-Überangebot? Ganz einfach, indem sie die nicht gebrauchte Wärme der SWM wieder zurückgibt. Daher die hohe Rücklauftemperatur, die weit über der vertraglich vereinbarten Maximaltemperatur von 45 °C liegt, ja liegen muss.
Legt man die beobachtete 16°C-Temperaturspreizung zugrunde, dann lässt sich unschwer errechnen, dass der eigentliche Wärmebedarf am
04.07.2014 um 15 Uhr nicht bei den angezeigten 5,1 MW, sondern nur bei ca. 1,7 MW lag.
Als eine brisante Folgerung drängt sich auf, dass zumindest in Sommerzeiten die SWM-Kunden in der Messestadt gar keine Chance haben, die
Rücklauftemperatur-Begrenzung von 45°C einzuhalten.
Und eine zweite, dass in diesen Phasen enorm Energie verschleudert wird.“
Anhand einer Stellungnahme der SWM können Ihre Fragen wie folgt
beantwortet werden:
Vorbemerkung der SWM:
Die Geothermie Riem ist ein ausgesprochenes Erfolgsprojekt. Hierzu haben verschiedenste Faktoren beigetragen. Einige werden im Folgenden erläutert, um auf deren Grundlage die Fragen beantworten zu können.
Wie bei allen Geothermie-Heizwerken in der Region wird auch in Riem das Thermalwasser nicht in das Wärmenetz eingespeist, sondern gibt nur seine Wärme über zwei Plattenwärmeübertrager an den hydraulisch getrennten Heizkreis ab. Vereinfacht ist dies im folgenden Schema dargestellt.Die Leistung der Umwälzpumpe im Heizkreis wird so geregelt, dass die von den Hausstationen benötigte Heißwassermenge geliefert wird. Die Leistung der ThermalwasserFörderpumpe (Bohrlochpumpe) wird dagegen so geregelt, dass die eingestellte Vorlauftemperatur im Heizkreis erreicht wird. Dadurch wird immer genau die von den Kunden benötigte Wärmemenge ins Netz eingespeist. Falls die benötigte Wärmeleistung so gering ist, dass die Mindestfördermenge der Bohrlochpumpe unterschritten würde, wird die Pumpe mit der Mindestfördermenge weiterbetrieben. Dadurch steigt die Reinjektionstemperatur des Thermalwassers, während sich im Heizkreis keinerlei Änderungen ergeben.
Die genutzte Erdwärme hat sich in Riem in den letzten 5 Jahren um 50% erhöht, wozu mehrere Entwicklungen beigetragen haben:
- In den letzten Jahren konnten die SWM eine Vielzahl von neuen Kunden gewinnen und die abgenommene Wärmemenge hat sich erhöht. Des-
halb wurde eine Bohrlochpumpe mit 10% höherer Fördermenge installiert.
- Einen weiteren sehr positiven Effekt auf die maximale Wärmeleistung der Geothermie hatten die Absenkung der tatsächlichen Rücklauftemperatur im Fernwärmenetz Riem und eine Optimierung der Anlagen-
technik im Heizwerk. In den letzten Monaten konnten die SWM zirka 5.000 MWh mehr Geothermiewärme einsetzen und sparten damit eine
erhebliche Menge an Erdgas für die Heizkessel ein.- Ferner hat der Anschluss von bestehenden Absorptionskältemaschinen der Messe Riem die Abnahme von Geothermiewärme im Sommer
deutlich erhöht.
Frage 1:
Warum kann die Förderleistung der Thermalwasserpumpe nicht deutlich unter 25 l/s abgesenkt werden? Gibt es hierfür hydraulische, mechanische oder elektrische Gründe?
Antwort der SWM:
Die Fördermenge der drehzahlgeregelten Bohrlochpumpe kann aus hydraulischen Gründen nicht beliebig weit abgesenkt werden. Die Vorgabe der minimalen Fördermengen erfolgt vom Hersteller durch eine Pumpenkennlinie; bei weiterer Absenkung sind mechanische Schäden an der Pumpe vorprogrammiert.
Die minimale Förderleistung bei der neuen Bohrlochpumpe beträgt ca. 40 l/s, wobei aufgrund der gestiegenen Wärmelast diese Förderleistung durchgehend benötigt wird.
Frage 2:
Wäre es möglich, in Schwachlastphasen die Förderpumpe unter Ausnutzung der erheblichen Speicherfähigkeit des Wärmenetzes und bei Beibehaltung einer ausreichenden Temperatur in Hinblick auf die Legionellenabwehr zeitweise auszuschalten (intermittierender Betrieb) und somit Strom und Erdwärme zu sparen?
Antwort der SWM:
Bei dem in Riem eingesetzten modernen Pumpentyp (Tauchkreiselpumpe) ist die Anzahl der Starts während der gesamten Lebensdauer begrenzt. Deshalb werden diese Pumpen in Zeiten geringer Wärmeabnahme mit
Mindestlast betrieben und nicht abgestellt. Aufgrund der dauerhaften Wärmelast ist dies in Riem jedoch aktuell nicht notwendig.
Frage 3:
Kann unter den geschilderten Betriebsumständen vom 04.07.2014, 15 Uhr überhaupt eine maximale Rücklauftemperatur von 45 °C eingehalten werden?
Antwort der SWM:
Für den Betrieb der Trinkwassererwärmung sind ausreichend technische Lösungen vorhanden, die eine Einhaltung der geforderten Rücklauftempe-raturen (hier: 45 °C) stets ermöglichen. Das Regelventil der Kundenanlagen leitet bei korrekt eingestellter Regelung nur so viel Heizwasser durch die Wärmeübergabestation wie von der Kundenanlage angefordert wird. Derzeit hält ungefähr die Hälfte der 122 Kundenanlagen in Riem die geforderte Rücklauftemperatur ein. Davon wurden einige Kundenanlagen speziell im Sommerbetrieb gemessen. Die eingehaltenen Messwerte belegen die verfügbaren technischen Lösungen.
Frage 4:
Wie wollen die SWM das beschriebene Problem in der Messestadt, aber auch in Freiham lösen?
Antwort der SWM:
Die Anlagentechnik der Geothermieanlage Freiham wird analog zur Anlagentechnik in Riem mit zwei hydraulisch getrennten Heizkreisen aufgebaut. Außerdem ist die Anlage Freiham an das Fernwärmenetz Innenstadt angeschlossen, in dem auch im Sommer der Wärmebedarf ein Mehrfaches der Geothermieleistung beträgt. Die weiteren als Bausteine der M-Wärmevision 2040 geplanten Geothermieanlagen der SWM werden ebenfalls in die großen Fernwärmenetze einspeisen, so dass ein hervorragender Auslastungsgrad ab der Inbetriebnahme zu erwarten ist.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit beantwortet werden konnten.