Wann erhalten Menschen mit Behinderung, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, wieder den vollen Sozialhilfesatz?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Anne Hübner und Christian Müller (SPD-Fraktion) vom 11.9.2014
Antwort Sozialreferentin Brigitte Meier:
In Ihrer Anfrage vom 11.09.2014 führen Sie Folgendes aus:
„Menschen mit Behinderung, die bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft leben, erhalten in München seit 01.01.2013 entsprechend der Rechtsauffassung der zuständigen Ministerien nur noch Sozialhilfe nach der Regelbedarfsstufe 3 (monatlich 329 Euro), mit der
Begründung, dass sie keinen eigenen Haushalt führen (können).
Nach Berichten in den Medien hat das Bundessozialgericht jedoch am 23.07.2014 in drei Fällen entschieden, dass volljährige Menschen mit Behinderung, die bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft leben, nicht Sozialhilfe nach der Regelbedarfsstufe 3, sondern nach der höheren Regelbedarfsstufe 1 (monatlich 411 Euro) erhalten müssen. Es komme laut Bundessozialgericht nicht darauf an, ob ein eigener Haushalt geführt werde, sondern es genüge, wenn mit einer Person, d.h. meistens mit den Eltern oder einem Elternteil, gemeinsam ein Haushalt geführt werde.
Damit wird – wie auch die Arbeiter wohlfahrt, der Paritätische Gesamtverband und die Bundesvereinigung Lebenshilfe in ihren Presseerklärungen deutlich zum Ausdruck bringen – die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung beseitigt und diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu volljährigen Menschen ohne Behinderung im Haushalt der Eltern endlich beendet.“
Zu Ihrer Anfrage vom 11.09.2014 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wann erhalten auch die Menschen mit Behinderung in München, die mit ihren Eltern oder in einer WG leben, wieder die Regelbedarfsstufe 1?
Antwort:
Die Entscheidung, ob und ggf. ab wann die Regelbedarfsstufe 1 bewilligt wird, liegt nicht bei der Landeshauptstadt München. Die Leistungen nachdem 4. Kapitel Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII), der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, werden im Rahmen einer Bundesauftragsverwaltung erbracht. Dies bedeutet, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) weisungsbefugt ist und die zuständigen Träger an dessen Weisungen gebunden sind. Dies gilt auch für die Zuordnung zu einer bestimmten Regelbedarfsstufe.
Das BMAS hat mitgeteilt, dass es zunächst die schriftliche Entscheidungsbegründung des Bundessozialgerichts, die für den Herbst 2014 erwartet wird, auswerten und im Anschluss über „eine bundeseinheitliche Verfahrensweise zum Umgang mit der Regelbedarfsstufe 3“ informieren wird. Das BMAS sieht „bis zum Vorliegen der schriftlichen Entscheidungsgründe keine Veranlassung, von der bisherigen Praxis“ abzuweichen.
Frage 2:
Wird es Nachzahlungen geben, nachdem die zu niedrige Regelbedarfsstufe schließlich schon seit 01.01.2013 gezahlt wird?
Antwort:
Auch zum Umgang mit Überprüfungsanträgen nach § 44 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X), die für das Erreichen einer Nachzahlung zwingend gestellt werden müssen, ist das BMAS weisungsbefugt. Sollte das Sozialreferat bis Anfang November 2014 keine Weisung vom BMAS erhalten, werden wir die betroffenen Leistungsberechtigten in einem Informationsschreiben vorsorglich auffordern, bis zum Jahresende 2014 einen formlosen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen, um bei einer positiven Entscheidung des BMAS eine Nachzahlung ab dem 01.01.2013 zu erhalten. Für neue Bescheide wird in dem Informationsschreiben als Ergänzung zur normalen Rechtsbehelfsbelehrung nochmals auf die Einlegung eines Widerspruchs hingewiesen.
Frage 3:
Welche Auffassung vertritt das bayerische Sozialministerium nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur selbständigen Lebensführung behinderter Menschen?
Antwort:
Die Haltung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zu dieser Thematik ist nicht bekannt. In den von dort seit der Entscheidung übermittelten Schreiben wurde lediglich auf die zu erwartenden Rundschreiben des weisungsbefugten BMAS hingewiesen.