Wie kann die LH München zuverlässig Produkte aus Kinderarbeit ausschließen?
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Rathaus Umschau 201 / 2014, veröffentlicht am 23.10.2014
Wie kann die LH München zuverlässig Produkte aus Kinderarbeit ausschließen?
Anfrage Stadtrat Herbert Danner (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) vom 1.9.2014
Antwort Baureferat:
In Ihrer Anfrage vom 01.09.2014 führen Sie folgenden Sachverhalt aus:
„In einer anscheinend gut recherchierten und seriösen Reportage zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender 3sat am Mittwoch den 27.8.2014 um 21.10 Uhr die Dokumentationssendung ‚Kindersklaven’. In dem erschreckenden Bericht wurden exemplarisch öffentliche Bauvorhaben benannt, bei denen beispielsweise Baumaterial aus indischer Kinderarbeit eingesetzt wurde. Eines von wenigen gezeigten bundesdeutschen Bauprojekten war die Freifläche des Willy-Brandt-Platzes vor den Riem-Arkaden in der Messestadt, die vor ca. 10 Jahren mit indischem Sandstein gepflastert wurde.
Aus meiner Erinnerung als Mitglied des Bezirksausschusses Trudering-Riem wurde seinerzeit auch die Debatte darüber geführt, dass keine Produkte aus Kinderarbeit eingesetzt werden sollen. Dies sollte damals durch einschlägige Zertifikate ausgeschlossen werden, so auch die Position der Stadtverwaltung, in meiner Erinnerung.“
Für die gewährte Fristverlängerung möchten wir uns bedanken.
Die in Ihrer Anfrage genannte Freifläche des Willy-Brandt-Platzes vor den Riem-Arkaden wurde nicht vom Baureferat der Landeshauptstadt München, sondern von der Maßnahmeträger München-Riem GmbH (MRG) in den Jahren 2003/2004 hergestellt. Nachdem uns mittlerweile eine entsprechende Stellungnahme der MRG vorliegt, können Ihre Fragen wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Kann heute noch nachvollzogen werden, ob der Vorwurf aus der 3sat-Dokumentation „es handle sich bei den Pflastersteinen um Produkte aus indischer Kinderarbeit“ gerechtfertigt ist? Wurden seinerzeit zertifizierte Produkte verwendet? Wenn ja, handelt es sich um ein Zertifikat, das aus heutiger Sicht als seriös eingestuft werden kann?Antwort der MRG:
Die Anfrage nimmt Bezug auf einen Fernsehbericht vom 27.08.2014, bei dem es sich offenbar um eine Wiederholung eines bereits am 30.07.2008 erstmals ausgestrahlten Fernsehberichts des Westdeutschen Rundfunks handelt. Die MRG hat bereits nach der Erstausstrahlung des Beitrages im Jahre 2008 umfangreiche Nachforschungen bei dem damaligen
Natursteinlieferanten angestellt. Im Rahmen der Ausschreibung im Jahre 2003 war vom damaligen Lieferanten eine entsprechende Bescheinigung der „State Federation of UNESCO Associations in Rajasthan“ vorgelegt worden. Nach heutigem Wissensstand bestehen starke Zweifel an der Werthaltigkeit dieser Bescheinigung. Ob das gelieferte Steinmaterial jedoch tatsächlich aus Steinbrüchen, in denen Kinder eingesetzt wurden, geliefert worden ist, konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden.
Frage 2:
Die Dokumentation zeigte eindrucksvoll, wie schwierig es für deutsche Händler ist, die Wege eines Produktes in Indien (sicherlich auch aus anderen Ländern) nachzuvollziehen. Welche Zertifikate stuft die Stadtver waltung aus heutiger Sicht als absolut vertrauenswürdig ein? Muss die LH München ggf. Produkte aus verschiedenen Regionen und Ländern ausschließen, weil die Gefahr des Zertifikate-Missbrauchs unkontrollierbar hoch ist, wie diese Fernsehdokumentation eindrucksvoll zeigte?
Antwort des Baureferates:
Entsprechend dem Beschluss der Vollversammlung des Stadtrates vom 14.12.2011 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 06533) verlangt das Baureferat bei Beschaffungen von Natursteinen, die in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder verarbeitet worden sind, von seinen Auftragnehmern die Vorlage eines Zertifikates eines unabhängigen Dritten zum Nachweis der Einhaltung der IAO-Kernarbeitsnorm Nr. 182. Als vertrauenswürdig gelten dabei insbesondere die Zertifikate des Xertifix e.V. und der WIN=WIN Fair Stone GmbH (vgl. auch Antrag Nr. 08-14 / A 01014 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 19.08.2009, „München Nachhaltig III“). Zertifikate, die diesen nicht gleichwertig sind, werden vom Baureferat nicht akzeptiert.
Ein genereller Ausschluss von Produkten aus bestimmten Ursprungsorten wäre dagegen vergaberechtlich unzulässig, da er diejenigen Betriebe unangemessen benachteiligen würde, die in diesen Regionen Natursteine ohne ausbeuterische Kinderarbeit produzieren.Frage 3:
Muss die LH München ggf. ihre Richtlinien gegen Produkte aus Kinderarbeit überarbeiten?
Antwort des Baureferates:
Das unter Frage 2 dargestellte Vorgehen des Baureferates bei der Beschaffung von zertifizierten Natursteinen ist mittlerweile in der Praxis bewährt und wurde beim bundesweiten Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels 2013“ wegen seines Vorbildcharakters für andere Kommunen mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Baureferates gegenwärtig kein Überarbeitungsbedarf der entsprechenden stadtinternen Vorgaben.