Fördermaßnahmen für mehr Elektromobilität in München
Antrag Stadträte Dr. Reinhold Babor und Georg Schlagbauer
(CSU-Fraktion) vom 16.1.2014
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Wilfried Blume-Beyerle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Ihr an das Kreisverwaltungsreferat gerichteter Antrag hat die Förderung der Elektromobilität in München durch die Benutzung von Busspuren sowie das kostenlose Parken auf öffentlichen Parkplätzen generell für alle Elektrofahrzeuge zum Gegenstand. Speziell für Gewerbebetriebe, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen, sollen zudem zeitlich befristet Parkausweise (Handwerkerausweise) kostenlos erteilt werden.
Für die gewährte Fristverlängerung zur Beantwortung Ihres Antrages bedanke ich mich. Ich bitte Sie, die lange Bearbeitungszeit zu entschuldigen.
Das Kreisverwaltungsreferat als Straßenverkehrsbehörde trifft Maßnahmen auf öffentlichem Verkehrsgrund nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Der Vollzug der Straßenverkehrsordnung ist eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist rechtlich nicht möglich.
Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister auf dem Schriftwege zu beantworten.
Zu den von Ihnen vorgeschlagenen Fördermaßnahmen wurden im Vorfeld die betroffenen Referate sowie die zuständigen Fachdienststellen um deren Einschätzung gebeten.
1. Benutzung von Busspuren für Elektrofahrzeuge
Busspuren wurden geschaffen, um den Bussen mit ihren zahlreichen Fahrgästen eine möglichst staufreie, also beschleunigte Fahrt zu ermöglichen. In der Regel werden Busse durch spezielle Schaltungen an den Lichtsignalanlagen bevorzugt. Diese vorrangige Behandlung wird durch die Technik an Bord der Linienbusse aktiviert. Elektrofahrzeuge von Privatpersonen haben diese Möglichkeit der Beeinflussung von Lichtsignalanlagen nicht undwürden dem Linienverkehr auf der Busspur dadurch möglicherweise diese Beschleunigungsmaßnahme nehmen.
Wie die Stadtwerke München GmbH (SWM) mitteilten, stieg gerade durch die Busbeschleunigung auch das Fahrgastaufkommen, weil der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) dadurch schneller, pünktlicher und attraktiver wurde. Die SWM sehen die Gefahr, dass mit einer Freigabe der Busspuren für Elektrofahrzeuge dieser Vorteil des ÖPNV verloren geht und besonders umweltbewusste Fahrgäste ausgebremst werden, die den Straßenverkehr durch den Verzicht auf Autofahrten entlasten. Es ist nach Einschätzung der SWM weiter zu erwarten, dass die Attraktivität des ÖPNV darunter leidet, da sich der Anteil des Individualverkehrs wieder erhöhen könnte. Nach Ansicht der SWM wird der ÖPNV durch die Freigabe der Busspuren für Elektrofahrzeuge unwirtschaftlicher, wenn dies zu Geschwindigkeitsverlusten und einer damit einhergehenden Verlängerung von Fahrtzeiten kommt.
Ein journalistischer Beitrag des Wall Street Journal vom Sonntag den 01. Juni 2014 berichtet aus der Praxis in der Stadt Oslo von Fahrzeitverlusten und Behinderungen des ÖPNV seit der Freigabe von Busspuren für Elektrofahrzeuge und untermauert insofern die Ausführungen der SWM.
An Kreuzungen mit Busspuren sind zudem häufig Sondersignale für die Busse installiert, welche die Autofahrer in der Regel nicht zu deuten wissen. Die Ver waltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung verweist darauf, dass bei der Zulassung des Radverkehrs auf Busspuren keine Sondersignale gezeigt werden dürfen, es sei denn, der Radverkehr würde durch eine eigene Lichtzeichenanlage geregelt. Analog dieser Vorschrift ist dieser Grundsatz auch für Elektrofahrzeuge zu beachten. Wesentlich ist auch, dass die Signalisierung für die Busse und damit die sicherheitstechnische Berücksichtigung in der Steuerung in der Regel nur für eine Richtung vorgesehen ist. Fahrzeugführer von Elektrofahrzeugen würden sich erfahrungsgemäß nicht an die eine vorgeschriebene Fahrtrichtung halten und dadurch das Unfallrisiko erhöhen. Konkreter gefasst bedeutet dies, dass der Bus sich auf der Busspur nur an seine nach dem Fahrplan vorgegebene Linienführung hält, wodurch dem motorisierten Individualverkehr signaltechnisch damit nicht konkurrierende Fahrbeziehungen zur gleichzeitigen Nutzung freigegeben werden können. Dürften Elektrofahrzeuge die Busspuren benutzen, hätten diese anders als der Linienbus unterschiedliche Fahrstrecken. Ein Abweichen von der Linienführung des Busses durch Elektrofahrzeuge würde dann Unfallsituationen schaffen.Die eigene Signalisierung von Busspuren sprengt in der Regel nur deshalb die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Lichtsignalanlagen-Knoten nicht, weil Busse nur sporadisch eine separate Freigabe benötigen. Ein zusätzliches, wenn auch zunächst nur geringes Aufkommen an Elektrofahrzeugen auf den Busspuren würde gerade in den kritischen Hauptverkehrszeiten die Stausituation verschlimmern.
2. Kostenlose Benutzung öffentlicher Parkplätze durch Elektrofahr-
zeuge
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung (Planungsreferat) teilte hierzu mit:
„Aus unserer Sicht wird eine generelle Gebührenbefreiung der E-Fahrzeuge von Parkgebühren abgelehnt. Parkgebühren im Rahmen des Parkraummanagements stellen eine wichtige Stellschraube zur Beeinflussung des Verkehrsaufkommens bzw. der Verkehrsmittelwahl hin zu flächen- und ressourcenschonenden Verkehrsmitteln im städtischen Raum dar. Die wesentlichen Herausforderungen hierbei sind die Flächenkonkurrenzen in einem dicht besiedelten Ballungsraum, die Nachverdichtung bestehender Siedlungsgebiete, die Notwendigkeit der Gestaltung öffentlicher Räume, der Umgang mit knapper werdenden Ressourcen, Umweltaspekte wie
z.B. die Schadstoffbelastung einschließlich der Feinstaubproblematik sowie die Lärmbelastung.
Ziel des Parkraummanagements ist vor allem die Optimierung der Nutzung des ‚knappen Guts’ öffentlicher Raum. Dabei werden vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die lokalen Gewerbetreibenden priorisiert. Durch die Verlagerung von Pendlerinnen und Pendlern auf flächenund ressourcenschonende Verkehrsmittel (Ziel: Verringerung des Quell-/ Zielverkehrs durch Kfz) werden dabei dringend benötigte Kapazitäten im öffentlichen Straßenraum frei. Zudem wird Parksuchverkehr vermieden oder zumindest verringert. Die Grundproblematik im ruhenden Verkehr, die eine Ordnung mittels Parkraumbewirtschaftung erfordert, ist damit in erster Linie ein Platzproblem. Dies wird durch einen alternativen Antrieb in einem Kfz nicht gelöst. Falls die Stellplätze nicht nur zum Laden sein sollten und keine Parkgebühren anfallen, besteht die Gefahr, dass Fahrten im Kfz-Verkehr induziert und somit die Ziele des Parkraummanagements konterkariert werden.Bei der Privilegierung der E-Mobilität ist vor diesem Hintergrund zu diskutieren, wer die Zielgruppen dieser Förderung sind. In der Innenstadt und v.a. in den innenstadtnahen Mischgebieten sollten dies – in Anlehnung an die Priorisierung beim Parkraummanagement – vorrangig die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die ortsansässigen Gewerbetreibenden sein. Diese haben häufig auf Privatgrund keine Möglichkeit zu parken und noch weniger die Möglichkeit, ein E-Fahrzeug zu laden und sind damit auf den öffentlichen Straßenraum angewiesen. Aus diesem Grund ist zu diskutieren, ob von Parkenden ohne gültige Lizenz/ Ausnahmegenehmigung auch für den Zeitraum des Ladevorgangs (vom Parken mal ganz abgesehen) ein Parkschein zu lösen ist, um keinen zusätzlichen Verkehr in bereits hoch belastete Gebiete zu ziehen. Damit würde man die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die lokale Wirtschaft in den Fokus der Privilegierung stellen und die im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung praktizierte Bevorrechtigung der Bewohnerinnen und Bewohner eines Gebiets auch bei der E-Mobilität umsetzen. Dabei kann dann z.B. eine Gebührenfreiheit der Parkausweise für Bewohnerinnen und Bewohner bzw. der Ausnahmegenehmigungen für Gewerbetreibende für E-Fahrzeuge bei sonst gleich bleibenden Vergabemodalitäten dieser Ausweise als Förderung diskutiert werden.“
In einer weiteren Stellungnahme für den Deutschen Städtetag hat das Planungsreferat zudem darauf hingewiesen, dass die Landeshauptstadt
München, wie sicherlich alle anderen Kommunen auch, in der Pflicht stehen, gleiche Mobilitätschancen für alle Bevölkerungsgruppierungen, unabhängig von finanziellen und physischen Voraussetzungen, sicherzustellen und zu fördern. Auch bezogen auf die nachhaltige Sicherstellung von bezahlbarem Wohnungsbau sieht das Planungsreferat die Landeshauptstadt München dazu verpflichtet, alle Maßnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen. Dabei stellt der Verzicht auf die Herstellung von teuren Tiefgaragen für private PKW und die Förderung von „autoreduzierten“ und „autofreien“ Wohnkonzepten nach Ansicht des Planungsreferats eine wesentliche Einflussgröße dar. Eine Privilegierung und Bevorrechtigung einer gegenwärtigen und voraussichtlich auch mittelfristig besonders teuren sowie infrastrukturbezogenen aufwändigen Mobilitätsform, wie den elektrisch betriebenen PKW, ist nach Meinung des Planungsreferats unter Berücksichtigung dieser Aspekte nicht unangreifbar zu rechtfertigen. Dieses stellt sich für das Planungsreferat auch vor dem Hintergrund der sich aktuell in der städtischen Bevölkerung eigendynamisch etablierenden Veränderungen im Mobilitätsverhalten, weg vom Besitz eines privaten PKW, hin zu einer vielfältigen multimodalen und intermodalen Mobilität, äußerst fraglich dar.3. Zeitlich befristete kostenlose Parkausweise für Gewerbebetriebe, die ihre Lieferfahrzeuge auf E-Fahrzeuge umstellen
Nach dem aktuellen Stand der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ist eine Ausgabe von kostenfreien Parkausweisen an Gewerbebetriebe, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen rechtlich nicht möglich, da ein sachfremdes Differenzierungsmerkmal, nämlich die Antriebsart, in die Gebührenentscheidung einfließen würde.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern bestätigte auf Nachfrage die Rechtsauffassung des Kreisverwaltungsreferats.
Im Weiteren darf ich auf die nachfolgenden Ausführungen ver weisen.
4. Ausblick auf die von der Bundesregierung geplanten Rechts-
änderungen
Die aktuelle Rechtslage der StVO lässt derzeit eine Privilegierung wie etwa Busspurennutzung oder Parkerleichterung nicht zu. Vgl. auch Antrag FDP vom 11.06.2013 (Antrag Nr. 08-14 / A 04313).
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat kürzlich
- einen Entwurf eines Gesetzes zur Bevorrechtigung der Ver wendung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (Elektromobilitätsgesetz – EmoG) sowie
- den Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung, der Fahrzeugzulassungsverordnung und Gebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr und
- den Änderungsentwurf zu den Verwaltungsvorschriften zur StVO
an die kommunalen Spitzenverbände und weitere Institutionen mit der Bitte um Stellungnahme übersandt.
In dem vorliegenden Entwurf des EmoG ist u.a. die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Benutzung von Busspuren durch Elektrofahrzeuge sowie Bevorrechtigungen im Hinblick auf das Erheben von Gebühren für das Parken auf öffentlichen Straßen und Wegen vorgesehen.Der vorliegende Entwurf des EmoG, der voraussichtlich noch in 2014 beschlossen werden soll, sieht als Zeitpunkt des Inkrafttretens den 1. Februar 2015 vor. Der Beschluss des Referats für Gesundheit und Umwelt zum Integrierten Handlungsprogramm zur Förderung der Elektromobilität in München im kommenden Jahr wird die Regelungen des EmoG aufgreifen, soweit aktuelle Informationen vorliegen.
Trotz der möglichen Rechtsänderung haben die hier aufgeführten grundsätzlichen Bedenken gegen eine Nutzung von Busspuren und einer Privilegierung beim Parken weiterhin Bestand. Auch der DST hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Bedenken geteilt. Ihren Vorschlag, Parkausweise und/oder Handwerkerausweise zeitlich befristet kostenlos zu erteilen, werden wir nach dem Erlass des EmoG aber gerne nochmal eingehend prüfen.
Ich bitte, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.