Drohen der Stadt Negativzinsen für den hohen Kassenbestand?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung) vom 6.10.2014
Antwort Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz:
In Ihrer obengenannten Anfrage vom 06.10.2014 an Herrn Oberbürgermeister Reiter führen Sie Folgendes aus:
„Die hochriskante Zins- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) führt nicht nur zu einer großen Umverteilung zu Lasten der deutschen Sparer und zu Gunsten einer leicht gemachten Schuldenpolitik der Staaten, sondern gefährdet insgesamt wirtschaftliches Handeln. Die Landeshauptstadt München, die seit langem über eine sehr hohe Liquidität verfügt (Ende August 2014 allein im Hoheitshaushalt über 398,3 Mio. Euro), muss sich möglicher weise darauf vorbereiten, dass Banken künftig für die Anlage von hohen Beträgen Negativzinsen verlangen.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Gibt es Hinweise, dass die Banken, bei denen die Stadt ihre Liquidität derzeit anlegt, künftig Negativzinsen verlangen werden?
Antwort:
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach einer Phase der Nullverzinsung die Zinssätze für die sog. Einlagefaziliät im Juni erstmals auf -0,10% und damit in den negativen Bereich abgesenkt. Dem folgte im September im Rahmen ihrer geldpolitischen Beschlüsse eine weitere Senkung auf – 0,20%. Zu diesem Zinssatz können Geschäftsbanken Einlagen bei der EZB jeweils über Nacht halten, die sie im Rahmen ihrer Liquiditätssteuerung nicht ander weitig benötigen. In den vergangenen Wochen hat sich nun tatsächlich ein Trend abgezeichnet, der darauf hindeutet, dass vor allem einlagestarke und hochliquide Banken versuchen, kurzfristige Einlagen von Großkunden zu vermeiden, indem vermehrt Abwehrkonditionen auch im negativen Bereich für Geldmarktanlagen mit einer Laufzeit bis zu drei Monaten gestellt werden, um diese kurzfristigen Mittel nicht verlustreich mit negativen Zinssätzen bei der EZB halten zu müssen. Die Landeshauptstadt München verfügt über Kontakte zu vielen Instituten und kann damit durch eine breite Streuung und eine sorgfältige Planung der kurzfristigenGeldanlagen (vor allem mit Wiederverfügbarkeiten von bis zu drei Monaten) derartige Negativverzinsungen bisher vermeiden. Ob dies auf Dauer auch in Zukunft gelingen kann, hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung der Geldmarktkonditionen und der Geldpolitik der EZB ab.
Frage 2:
Sollte die Stadtsparkasse München beispielsweise von Geschäftskunden Negativzinsen verlangen, würde dies automatisch dazu führen, dass auch die LH München bei der Stadtsparkasse Negativzinsen bezahlen müsste?
Antwort:
Ein Automatismus, dass die Standardkonditionen für Geschäftskunden auch auf die Landeshauptstadt München übertragen werden, ist uns nicht bekannt. Allerdings kann auch die Stadtsparkasse München sich den Entwicklungen am Geldmarkt nicht entziehen und wird möglicher weise zukünftig gezwungen sein, entsprechende Marktpreise auch an ihre Kunden weiter zu geben, wodurch dann eventuell auch die Landeshauptstadt München betroffen sein könnte. In diesem Fall würde die Kämmerei nach Alternativen suchen.
Frage 3:
Bestehen Überlegungen oder hat die Kämmerei bereits eine Strategie, wie auf mögliche Negativzinsen reagiert werden soll (beispielsweise durch weitere vorgezogene Tilgungen von Schulden)?
Antwort:
Die Kämmerei beobachtet die Entwicklung an den Geld- und Kapitalmärkten täglich sehr sorgfältig und reagiert sowohl kurz- wie auch mittelfristig im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. Die Entwicklung hin zu Negativzinsen betrifft im Moment den Bereich der Geldmarktanlagen, die täglich oder mit einer Frist von bis zu drei Monaten verfügbar sein müssen. Dies heißt, hier ist im Moment vor allem der Bereich des Cashmanagements und der kurzfristigen Liquiditätsdisposition betroffen. Durch sorgfältige Planung der täglich fälligen Einzahlungen und Auszahlungen kann der erforderliche Liquiditätssockel mit täglicher oder sehr kurzfristiger Verfügbarkeit so gering wie nötig gehalten werden, die längerfristig verfügbaren Mittel werden dann auch entsprechend längerfristig angelegt. Da allerdings ein hoher Teil der städtischen Einnahmen aus Steuern besteht (ca. 3,5 Mrd. Euro) die z.B. im Fall der Gewerbesteuer zu vierteljährigen Fälligkeitsterminen eingehen und im Gegenzug in Form von Transferleistungen und Personalkosten meist im monatlichen Rhythmus wieder abfließen, ist es not-wendig in gewissem Maß auch kurzfristige Liquidität vorzuhalten, um Kassenkreditaufnahmen zu vermeiden. Mittelfristig nicht benötigte Liquidität wird dann auch entsprechend längerfristig angelegt. Im Rahmen der Bildung Freiwilliger Finanzreserven werden Mittel in Form von sicheren und liquiden Anleihen im mittelfristigen Bereich des Kapitalmarktes angelegt. Schon seit einigen Jahren werden Überschüsse aus der laufenden Verwaltungstätigkeit zur verstärkten Schuldentilgung eingesetzt, was zur niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung seit 1982 geführt hat. Für das Jahr 2015 wird mit eine Netto-Null-Verschuldung gerechnet, da zur weiteren Schuldentilgung nur Mittel eingesetzt werden können, die auch längerfristig nicht für Auszahlungen benötigt werden, eine weitere Tilgung ist bei weiter positiver Einnahmeentwicklung aber nicht ausgeschlossen. Durch eine weiterhin sehr enge Liquiditätsplanung, eine breite Streuung und Anlage der verfügbaren Mittel bei vielen Geschäftspartnern und in verschiedenen Anlageinstrumenten, sind wir für die Herausforderungen der Zukunft, ohne diese genau vorhersagen zu können, so gut wie möglich gerüstet.