Nachhaltige Beschaffung – bei welcher Person/in welchem Referat liegt die Zuständigkeit?
Anfrage Stadträtin Sonja Haider (ÖDP) vom 3.11.2014
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 3.11.2014 nehme ich Bezug; in Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„In diversen Anträgen wurden in den letzten Jahren Maßnahmen zur fairen bzw. nachhaltigen Beschaffung beantragt und dann auch vom Stadtrat beschlossen. Bis März 2014 lag die Zuständigkeit für dieses Thema im Büro des 3. Bürgermeisters.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wo ist die Stelle des/der Beauftragten für nachhaltige Beschaffung zukünftig angesiedelt?
Antwort:
Wie Sie bereits ausführen, wurde das Thema nachhaltige Beschaffung bis zur Kommunalwahl 2014 beim damaligen 3. Bürgermeister Monatzeder koordiniert. Nunmehr habe ich die Koordination des Themas selbst übernommen und hierzu das Direktorium – Zentrale Verwaltungsangelegenheiten beauftragt, das nach dem Geschäftsverteilungs- und Aufgabengliederungsplan bereits die Fragen zur Beschaffungsordnung und zum Vergabewesen bearbeitet.
Ergänzend hierzu unterstützt die Fachstelle Eine Welt im Referat für Gesundheit und Umwelt die einzelnen Dienststellen bei der Umsetzung der Stadtratsbeschlüsse zum Thema sozial verantwortliche Beschaffung. Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Bereichen Pionierarbeit geleistet werden muss.
Die Fachstelle berät die beschaffenden Dienststellen zu internationalen Sozialstandards und vertrauenswürdigen Gütezeichen sowie Standards des fairen Handels, begleitet die Umsetzung der Stadtratsaufträge und übernimmt oft aufwendige Recherchetätigkeiten. Wie bereits im Stadtratsbeschluss von 13.12.2013 dargestellt, hat sich die bisherige enge Kooperation zwischen der stadtweiten Koordination und der Fachstelle als zielführend er wiesen.Frage 2:
Wie werden die bereits beschlossenen Maßnahmen wie z. B. die Teilnahme an Procura+ vorangetrieben?
Antwort:
Die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen erfolgt durch die nach dem Geschäftsverteilungs- und Aufgabengliederungsplan zuständigen Dienststellen, z. B. wird nachhaltiges Büromaterial für die gesamte Verwaltung vom Direktorium beschafft, fair gehandelte Sportbälle für die Schulen vom Referat für Bildung und Sport und Natursteine ohne Kinderarbeit für städtische Baumaßnahmen vom Baureferat. Eine Teilnahme bei Veranstaltungen und Seminaren von Procura+ erfolgt nach Prüfung der Notwendigkeit durch die vom Thema betroffenen Dienststellen und in Abwägung der Kosten und des Nutzens für die Verwaltung.
Bei der europäischen Kampagne Procura+ ist die Stadt Mitglied. Mit der Mitgliedschaft hat die Stadt Zugang zu Fachmaterialien, die sonst nicht in diesem Umfang zur Verfügung stehen und hat fachliche Beratung bei der Vorbereitung der Stadtratsbeschlüsse in Anspruch genommen. Der Stadtrat entscheidet mit Vorlage des nächsten Berichts zur Weiterentwicklung der sozialverantwortlichen Beschaffung über die weitere Mitgliedschaft.
Wie Sie dem Beschluss vom 13.12.2013 entnehmen können, wird die sozialverantwortliche Beschaffung und die Förderung des fairen Handels produktbezogen vorangetrieben. Die Beschaffung von genähten Sportbällen aus fairem Handel erfordert eine andere Vorgehensweise, als beispielsweise die Beschaffung von Natursteinen für den Straßenbau. Über die Weiterentwicklung der nachhaltigen Beschaffung, beispielsweise bei Textilien, wird der Stadtrat voraussichtlich Anfang 2016 informiert werden. Folgende weitere Maßnahmen wurden durchgeführt oder sind in Bearbeitung:
Der festgelegte Dialog mit den Anbietern und Lieferanten von Produkten aus fairen Handel hat mit einem Fachgespräch am 9. Juli 2014 für den Bereich Sportbälle stattgefunden.
Die erneute Bewerbung um den Titel „Fairtrade-Town“ ist bereits in Vorbereitung.
Die festgelegte Kooperation zwischen der Fachstelle Eine Welt und dem Nord-Süd-Forum e.V. konnte intensiviert werden, da das Nord-Süd-Forum per Stadtratsbeschluss vom 27.11.2013 einen Zuschuss erhält, um das Thema fairer Handel in der Münchner Stadtgesellschaft voranzutreiben und somit auch ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen.Frage 3:
Welche Beschaffungsstellen gibt es und wie werden die Maßnahmen zur fairen bzw. nachhaltigen Beschaffung dort bereits umgesetzt?
Antwort:
Das Beschaffungssystem der Stadt ist überwiegend zentral organisiert. Die Stadt nutzt dadurch die Vorteile einer zentralen Beschaffung von stadtweit benötigtem Bedarf und ergänzt diese durch die Zulässigkeit der dezentralen Beschaffung von dienststellenspezifischem Bedarf. Den Dienststellen steht die Möglichkeit offen, sich bei der Beschaffung von dienststellenspezifischem Bedarf an eine zentrale Vergabestelle im jeweiligen Referat oder die Vergabestelle 1 zu wenden. Die zentralen Vergabestellen sind angehalten die Aufträge im Rahmen ihrer personellen Kapazitäten anzunehmen.
Derzeit gibt es sieben zentrale Vergabestellen für die Beschaffung von Leistungen und Dienstleistungen. Wenn Bedarfsstellen dienststellenspezifischen Bedarf beschaffen, üben sie die Funktion von (dezentralen) Vergabestellen aus.
Im Rahmen der Sach- und Finanzverantwortung entscheiden die städtischen Bedarfsstellen über den Bedarf. Bei der Bedarfsermittlung, -prüfung und -begründung sind die Kriterien Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit sowie stadtinterne Regelungen (Vergabeermächtigungen durch Stadtratsbeschluss, umweltbezogene Aspekte z. B. bio, soziale Belange z. B. Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, Fair Trade, Arbeitsund Gesundheitsschutz usw.) zu beachten. Die Fachstelle Eine Welt im Referat für Gesundheit und Umwelt unterstützt die einzelnen Dienststellen bzw. Beschaffungsstellen bei dem Umsetzungsprozess der Stadtratsaufträge (siehe Antwort zu Frage 1).
Frage 4:
Welche Ergebnisse und Erkenntnisse liegen aus den bereits durchgeführten Maßnahmen vor?
Antwort:
Die Umsetzung der vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen gestaltet sich oft schwierig. Wenn Bedarf unter den einschränkenden Bedingungen ausgeschrieben wird, erhält die Stadt weniger oder gar keine Angebote. Durch die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten konnten jedoch einige gesteckte Ziele erreicht werden. Es ist geplant, den Stadtrat Anfang 2016 über die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen zu informierenund Vorschläge für eine weitere Entwicklung der nachhaltigen Beschaffung zu unterbreiten (siehe Antwort zu Frage 1).
Für die schwierige Umsetzung gibt es mehrere Gründen:
Bis dato gibt es für die einzelnen Produkte wie zum Beispiel bei Natursteinen nur wenige vertrauenswürdige Zertifikate oder gesiegelte Angebote, die den im Stadtratsbeschluss vom 13.12.2013 genannten sozialen Kriterien entsprechen. Nach Gesprächen mit Bietern in diesem Bereich hat sich dies bereits verbessert.
Bei fair gehandelten Sportbällen ist es notwendig, die Nachfrage nach dem Produkt zu erhöhen, um ein breiteres Marktangebot zur Verfügung zu haben. In diesem Fall ist der fachliche Austausch mit anderen Kommunen wichtig.
Bei der Berücksichtigung sozialer Aspekte bei der öffentlichen Beschaffung stehen die Kommunen allgemein noch am Anfang. Mittlerweile können einzelne Kommunen auf Erfahrungen anderer öffentlicher Beschaffungsstellen zurückgreifen wie zum Beispiel bei der Beschaffung von Textilien (Dienstkleidung).
Die Stadt leistet bei der nachhaltigen Beschaffung Pionierarbeit. Deshalb wird der fachliche Austausch mit anderen Kommunen bei diesem Thema als auch die Unterstützung durch in dem Bereich tätigen Nichtregierungsorganisationen als wichtig erachtet.