Konsequent gegen Wohnungsnot: Bei Räumung beschlagnahmen!
Antrag Stadträtin Dagmar Henn (Die Linke) vom 5.2.2014
Antwort Sozialreferentin Brigitte Meier:
Sie beantragen, dass das Amt für Wohnen und Migration im Falle eines Räumungstitels gegen Münchner Mieterinnen und Mietern in der Regel die Wohnung für sechs Monate beschlagnahmt, wenn Wohnungslosigkeit
droht.
Es gibt keine Rechtsgrundlage, die eine regelmäßige Beschlagnahme von Wohnungen im Räumungsfall begründet. Deshalb erlaube ich mir, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Eine Unterbringung wohnungsloser Personen kann zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und der Gefahrenabwehr gem. Art. 57 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) i.V.m. Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LstVG) im Einzelfall auch eine Beschlagnahme der bisherigen Wohnung und die Wiedereinweisung der Bewohnerinnen und Bewohner sein.
Die Anforderungen an die Behörden bei der Beschlagnahme von Wohnraum werden aber sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht von der Rechtsprechung sehr hoch angesetzt.
Eine Gemeinde kann von dem rechtlichen Instrumentarium der Beschlagnahme nur dann Gebrauch machen, wenn alle anderen denkbar möglichen Unterbringungskapazitäten voll ausgeschöpft sind, d. h. sie ist nur als letztes Verwaltungsmittel zulässig. Die entsprechenden Bemühungen und deren Ausschöpfung bzw. Erfolglosigkeit müssten detailliert nachgewiesen werden, insbesondere ständige und nachdrückliche alternative Unterbringungsbemühungen.
Eine Behörde kann sich nicht nur auf die Erschöpfung der eigenen Unterbringungskapazitäten berufen. In Anbetracht der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ist sie vielmehr in jedem Fall verpflichtet, zuvor notfalls auch neue Obdachlosenunterkünfte zu bauen, zu kaufen oder anzumieten bzw. freie Hotel- oder Pensionskapazitäten anzumieten. Als Zwischenlösung muss ggf. auch auf die Aufstellung von Wohncontainern zurückgegriffen werden. Die Behörde muss entsprechend geeignete Grundstücke aus städtischem Besitz zur Verfügung stellen oder notfalls ankaufen oder pachten.Erst wenn alle diese Bemühungen nachweislich zu keinem Erfolge geführt hätten, kann überhaupt eine Beschlagnahme Bestand haben.
Auch die Berufung auf eine notstandsähnliche Situation ist bereits dann ausgeschlossen, wenn die steigende Zahl der unterzubringenden Obdachlosen über einen längeren Zeitraum vorhersehbar war.
Dazu kommt noch, dass eine Beschlagnahme nur für einen eng begrenzten Zeitraum zulässig ist. Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Beschluss vom 06.11.1989 die Beschlagnahme von unter Verstoß gegen das Zweckentfremdungsrecht leerstehenden Wohnungen für einen Zeitraum von dreieinhalb Monaten als zulässig erachtet. In jedem Fall dürfte nach Ablauf von sechs Monaten in zeitlicher Hinsicht die äußerste Grenze erreicht sein.
Im Ergebnis ist nochmals festzustellen, dass die von der Rechtsprechung bei der Beschlagnahme von Wohnraum zur Unterbringung von Obdachlosen gestellten Anforderungen sehr hoch angesetzt sind.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.