Kein genereller Rückbau von Radlwegen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Ingo Mittermaier, Alexander Reissl und Heide Rieke (SPD) vom 28.2.2014
Antwort Baureferat:
In Ihrem Antrag soll die Verwaltung beauftragt werden, künftig bestehende – aber nicht mehr benutzungspflichtige – Radwege nicht generell bei Sanierungs- oder Erneuerungsmaßnahmen zurückzubauen. Stattdessen solle geprüft werden, ob es im Einzelfall nicht sinnvoller sei, den bestehenden Radweg für schwächere Verkehrsteilnehmer zu belassen und ander weitig auf die Aufhebung der Benutzungspflicht hinzuweisen.
Dieser Antrag wäre grundsätzlich im Stadtrat zu behandeln. Da bei der Prüfung zum Rückbau eines Radweges das Baureferat gemeinsam mit dem Kreisverwaltungsreferat schon heute entsprechend verfährt, wird Ihrem Antrag jedoch bereits entsprochen.
Ihr Einvernehmen vorausgesetzt, teile ich Ihnen deshalb zu Ihrem Antrag auf diesem Wege Folgendes mit:
Grundsätzlich ist die Führung des Radverkehrs im Straßenraum jeweils speziell auf die besonderen örtlichen Gegebenheiten und Verkehrsverhältnisse abgestimmt. Maßgeblich für die Art der Führung des Radverkehrs sind die Kriterien der Straßenverkehrsordnung (StVO), der Ver waltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) sowie die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.
Die dort aufgeführten Prüfungskriterien sind etwa die „Kfz – Stärke“ in der Spitzenstunde und die „zulässige Höchstgeschwindigkeit“. Verbindliche Maßvorgaben für bauliche Radwege sind demnach 2 m Breite, mindestens jedoch 1,60 m. Die Anlage eines Sicherheitstrennstreifens von 50 cm Breite zur Fahrbahn, bzw. von 75 cm Breite zu parkenden Fahrzeugen ist zusätzlich vorgegeben.
Aufgrund der Ergebnisse aus langjährigen Unfalluntersuchungen und der Erfahrungen der Behörden wurde der geltende Grundsatz der „Entmischung des Fahrzeugverkehrs zum Schutz des Radverkehrs vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs“ aufgegeben. Seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom 11.12.2000 und der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom Februar 2001 werdenbenutzungspflichtige Radwege und Markierungen für den Radverkehr in Tempo-30-Zonen grundsätzlich ausgeschlossen.
Bei nahezu allen Radwegen in Tempo-30-Zonen im Stadtgebiet wurde im Zuge dessen vom Kreisver waltungsreferat die Benutzungspflicht aufgehoben. Bei diesen Radwegen handelt es sich seitdem um sogenannte „andere Radwege“. Grundsätzlich ist es dort also freigestellt mit dem Fahrrad die Fahrbahn zu nutzen.
Um seinerzeit den Rückbau von neuwertigen Radwegen zu vermeiden, hat der Stadtrat am 04. Juli 1995 mit Beschluss (KVA, ohne Sitzungsvorlagennummer) festgelegt, dass die Radwege in Tempo-30-Zonen lediglich Zug um Zug aufgelöst und beispielsweise bei der Sanierung der Straße zurückgebaut werden sollen. Daher existieren Radwege in Tempo-30-Zonen bis heute. Diese wurden überwiegend zu einer Zeit errichtet, als die 1986 erstmals eingeführte Zonengeschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h noch nicht existierte.
Wie in Ihrem Antragstext dargestellt, werden auch diese Radwege insbesondere von schwächeren Radfahrerinnen und Radfahrern nach wie vor gerne benutzt. Deren Rückbau stößt deshalb erfahrungsgemäß bei vielen Bürgerinnen und Bürgern – und auch bei einigen Bezirksausschüssen – auf Unverständnis. Insbesondere scheint die Auflassung von Radverkehrsanlagen aus deren Sicht nicht mit dem Ziel der Förderung des Radverkehrs vereinbar. Zudem können Kosten entstehen, für welche dann gegebenenfalls die anliegenden Grundstückseigentümer nach dem Kommunalabgabengesetz beitragspflichtig sind.
Aber auch für die nicht benutzungspflichtigen Radwege gelten grundsätzlich die einleitend genannten Prüfungskriterien und Breitenvorgaben. Radwege können objektive Sicherheit nur dann gewährleisten, wenn eben diese Sicherheits- und Qualitätsstandards eingehalten werden. Dies ist bei der Entscheidung bezüglich eines Rückbaus durch die Ver waltung zwingend zu berücksichtigen.
Die vorhandene Nutzung des nicht benutzungspflichtigen Radweges durch Radfahrende ist deshalb kein Merkmal, das aus sich heraus für ein Belassen des Radweges spricht. Die Anfang der 80-er Jahre errichteten Radwege sind häufig viel zu schmal und verlaufen ohne Sicherheitsstreifen und mit zu geringem Abstand zu parkenden Fahrzeugen. Meist sind auch die angrenzenden Flächen für den Fußverkehr zu gering dimensioniert, sodass von zu Fuß Gehenden unvermittelt auf den Radweg ausgewichen wird. An einmündenden Straßen ist der Radweg zudem möglicherweise wegen einer vorhandenen Parkbucht oder/und eines Baumgrabens weit abgesetzt geführt. Besonders beim Abbiegen von Kraftfahrzeugen oder bei der in Tempo-30-Zonen obligatorischen „Rechts-vor-Links“ Regelung wird der dort fahrende Radverkehr häufig übersehen.
Dann vermittelt der bauliche Radweg eine Sicherheit, die nicht gegeben ist. Daher kann die Nutzung durch Schulkinder oder ungeübten Radfahrenden für diese latent gefährlich sein, obwohl sie sich dort subjektiv sicher fühlen und daher nicht die Fahrbahn nutzen wollen.
Anzumerken ist dabei, dass für Schulkinder nach der Straßenverkehrsordnung jedoch ohnehin der Grundsatz gilt, dass diese bis zum vollendeten 8. Lebensjahr den Gehweg nutzen müssen, bis zum vollendeten 10. Lebensjahr diesen befahren dürfen.
Da vielen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern – egal ob zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto – die gültigen Regeln zur
Radwegbenutzungspflicht nicht geläufig sind kommt es in Folge dessen immer wieder zu Konflikten und gefährlichen Situationen. An ausgewählten Örtlichkeiten im Stadtgebiet München wird durch das Kreisver waltungsreferat deshalb das bekannte Hinweisschild zur aufgehobenen Radwegbenutzungspflicht aufgestellt.Insgesamt gilt es als gesichert, dass die Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn im Bereich des Fließverkehrs zu besserem Sichtkontakt zwischen Kraftfahrzeug- und Radverkehr führt. Damit werden vor allem die schweren Abbiegeunfälle mit oft tödlichem Ausgang an Kreuzungen und Einmündungen oder Grundstücksausfahrten reduziert bzw. gemildert. Zudem ergeben sich bei der Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn weniger Konflikte mit dem Fußverkehr.
Vor diesem Hintergrund prüfen das Kreisver waltungsreferat und das Baureferat gemeinsam eingehend die zur Sanierung anstehenden Radwege. Dabei werden alle vorgenannten Kriterien geprüft und selbstverständlich auch die Belange der schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. Einen programmatischen Ansatz zum generellen Rückbau von nicht benutzungspflichtigen Radwegen gibt es daher derzeit nicht. Zudem informiert das Baureferat die Bezirksausschüsse rechtzeitig, wenn im Rahmen von Sanierungen oder grundhafter Erneuerungsmaßnahmen ein Rückbau von Radwegen im entsprechenden Stadtbezirk angezeigt ist.
Die von Ihnen vorgeschlagene Vorgehensweise wird somit bereits heute praktiziert. Ich bitte von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit somit als erledigt angesehen werden kann.