Freiberufliche Hebammen in München – Stehen sie vor dem Aus?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Otto Bertermann, Ursula Sabathil (Freie Wähler), Stadtrat Tobias Ruff (ÖDP) und Stadtrat Richard Progl (Bayernpartei) vom 28.2.2014
Antwort Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„In der Landeshauptstadt demonstrierten am vergangenen Montag
Hebammen, um auf ihre immer schlechteren Arbeitsbedingungen und
ihre finanzielle Notlage aufgrund dramatisch steigender Haftpflichtversicherungsbeiträge aufmerksam zu machen. Bereits jetzt fehlen nach Angaben des Bayerischen Hebammen Landesverbandes 50 Hebammen
in München, 20 Prozent der werdenden Mütter bekommen keine optimale Betreuung. Zum 1. Juli 2014 wird der Haftpflichtversicherungsbeitrag der Hebammen erneut um 20 Prozent auf circa 5.000 Euro pro Jahr steigen. Es ist damit zu rechnen, dass deshalb einige Hebammen ihren Beruf aufgeben müssen. In der Sitzungsvorlage zum Gesundheitsausschuss vom 26.09.2013 kündigte das RGU für 2014 eine weitere Vorlage an, in der die Ergebnisse einer Mütterbefragung zur Hebammenversorgung dargestellt werden sollten.“
Herr Oberbürgermeister Ude hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung und kann nun die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage wie folgt beantworten. Vorangestellt sind einige grundlegende Informationen.
In dem Beschluss des Gesundheitsausschusses vom 26.09.2013 zum
Antrag „Verschärfung der finanziellen Situation für Hebammen – welche Auswirkungen sind für die Versorgung der Frauen rund um die Schwangerschaft in München zu befürchten?“
1 ist die Versorgung der Münchnerinnen
mit freiberuflichen, außerklinischen Hebammenleistungen in der Geburtshilfe ausführlich einschließlich der Steigerungen der Haftpflichtprämien dargelegt. Darin wird auch auf die für die Versorgung wichtige Unterscheidung zwischen klinischen und außerklinischen geburtshilflichen Leistungen einerseits und außerklinischen Leistungen in der Vor- und Nachsorge andererseits eingegangen, für die unterschiedlich hohe Haftpflichtprämien zu bezahlen sind. Die drastischen Prämienerhöhungen betreffen nur die geburtshilflichen Leistungen freiberuflicher Hebammen, also die Geburtshilfe durch Geburtshaushebammen, Hausgeburtshebammen und Beleghebam-men. Für das Jahr 2012 waren der Gesellschaft für Qualitätssicherung in der außerklinischen Geburtshilfe e.V. (
www.quag.de) aus München insge-
samt 370 außerklinisch begonnene Geburten gemeldet worden, aktuellere Zahlen liegen uns noch nicht vor. Die Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen, die keine Geburtshilfe anbieten, beträgt seit Juli 2013 laut Angaben des Deutschen Hebammenverbandes in dessen Gruppenversi-
cherung jährlich 363,95 Euro, ab dem 1.7.2014 voraussichtlich 435,54 Euro
2.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, die Haftpflichterhöhungen auszugleichen. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes finanzieren die gesetzlichen Krankenkassen für jede einzelne Haus- oder Geburtshausgeburt von einer freiberuflich tätigen Hebamme seit 2010 zwischen 140 und 200 Euro allein für den Ausgleich der kontinuierlich gestiegenen Berufshaftpflichtversicherungen
3, eine erneute Erhöhung für 2014 ist zuge-
sichert worden. Von dem pauschalen Ausgleich pro Geburt profitieren Hebammen umso mehr, je höher die Anzahl der von ihnen betreuten Geburten ist.
Frage 1:
Haben sich die Hebammenversorgung und das Leistungsangebot für werdende Mütter in der LH München seit der Kündigung der österreichischen Haftpflichtversicherung zum 01.07.2013 de facto verschlechtert?
Antwort:
Das Referat für Gesundheit und Umwelt kann hierzu keine exakten Angaben machen. Die Hebammenstudie des Referats für Gesundheit und Umwelt erfasst einen Zeitraum überwiegend vor dem 01.07.2013 und konzentriert sich zudem auf die Versorgungssituation in der Vor- und Nachsorge, Ihre Frage bezieht sich jedoch auf alle Hebammenleistungen. Bekannt ist, dass sich von den beim Referat für Gesundheit und Umwelt registrierten, in München tätigen 404 Hebammen seit Anfang 2013 insgesamt vier Hebammen abgemeldet haben.
Die Haftpflichterhöhung infolge der Kündigung des österreichischen Versicherers fiel bislang nur bezüglich der Geburtshilfe durch freiberufliche Hebammen besonders hoch aus. Wie in dem eingangs genannten Beschluss zu den Auswirkungen der Erhöhungen der Haftpflichtversicherungsprämien ausführlich dargelegt, ergibt sich nach unserer Einschätzung derzeit für München noch keine besorgniserregende Verschlechterung, denn es bieten noch genügend Hebammen außerklinische Geburtshilfe in München an. Für Beleghebammen (die ebenfalls freiberuflich arbeiten) kann u.E. da-von ausgegangen werden, dass der Münchner Geburtenanstieg zu einer höheren Auslastung führt. Bei einem Leistungsumfang vergleichbar mit einer Halb- bis Vollzeittätigkeit dürften sich die je Geburt gezahlten Ausgleichszahlungen der gesetzlichen Krankenkassen positiv auswirken. Auch unterstützen einige Kliniken ihre Beleghebammen mit einem Zuschuss zu ihrer Haftpflichtprämie (ca. 2.000 Euro).
Seit längerem ist bekannt, dass Mütter in München erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um eine von den rund 500 in der Münchner Hebammenliste erfassten Hebammen zu bekommen. Aus derzeitigen
Anfragen von Eltern und aus Rückmeldungen sowohl aus der Hebammenschaft als auch vom Städtischen Hausbesuchsdienst der Kinderkrankenschwestern lässt sich für die außerklinische Versorgung vor und nach der Geburt auf größere Engpässe schließen. Die Einschätzung des Bayerischen Hebammenlandesverbandes, dass 20 Prozent der werdenden Mütter keine optimale Betreuung bekommen, könnte daher für diesen Bereich der Hebammenversorgung zutreffen.
Frage 2:
Mit welchen Auswirkungen für die Hebammenversorgung in München ist
zu rechnen durch die erneute Erhöhung der Versicherungsprämien 2015?
Antwort:
Derzeit geht es für 2015 nicht um eine erneute Erhöhung der Versicherungsprämien, sondern ab 2015 ist die Haftpflichtversicherungssituation für alle freiberuflichen Hebammen in den großen Gruppenversicherungen ungeklärt. Betroffen sind Beleghebammen, Geburtshaushebammen und Hausgeburtshebammen. Sollte tatsächlich keine Versicherung anstelle der aus einem Versicherungskonsortium ausgestiegenen Nürnberger Versicherung in das Konsortium einsteigen, und sollte keine andere Versicherung die Hebammen zu tragfähigen Konditionen versichern, könnte sich das Angebot an freiberuflicher Hebammentätigkeit drastisch reduzieren. Die derzeit zu beobachtende erhebliche Einschränkung des Versicherungsmarktes für den Hebammenberuf gibt daher auch für München Anlass zur Sorge. Eine Lösung kann nur auf Bundesebene gefunden werden. Bundesgesundheitsminister Gröhe hat bereits – z.B. im Gesundheitsausschuss des Bundestages am 12.03.2014 – deutlich gemacht, dass „langfristige Lösungen“ der Haftpflichtproblematik der Hebammen erforderlich sind und das Bundesgesundheitsministerium sich hierfür einsetzen wird. Auch der Bundestag hat sich am 20.03.2014 mit der Frage der Hebammenhaftpflicht befasst
4.Bezüglich der ambulanten Betreuung ohne Geburtshilfe kann davon ausgegangen werden, dass es Versicherungsverträge für diese nicht so risikoträchtige Sparte der Hebammenversorgung geben wird, die jedenfalls für in Halb- bis Vollzeit tätige Hebammen bezahlbar sein werden. Unter dieser Voraussetzung kann davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der Münchner Hebammen auch in Zukunft diese Leistungen erbringen wird.
Frage 3:
Durch welche Maßnahmen kann die LH München gegensteuern, um wenigstens die dramatischsten Auswirkungen abzumildern?
Antwort:
Die Maßnahmen der LH München für den Bereich der außerklinischen Geburtshilfe sind in dem o.g. Beschluss vom 26.09.2013 ausführlich geschildert. Dem entsprechend bemüht sich das Referat für Gesundheit und Umwelt derzeit darum, Stiftungen für die Vergabe von Stipendien für neu ausgebildete Hebammen zu gewinnen und damit zur Sicherung des Nach-
wuchses an Hebammen für die außerklinische Geburtshilfe in München beizutragen. Auf Anregung des Referats für Gesundheit und Umwel hat das Projekt „guide – Münchner Initiative für Existenzgründung“ eine spezielle Hebammenberatung gestartet, die zunehmend in Anspruch genommen wird. Derzeit arbeitet das Referat für Gesundheit und Umwelt in Kooperation mit dem Bayerischen Hebammenlandesverband an einem Konzept zur Erleichterung der Hebammensuche durch ein Online-Portal. Weitere Vorschläge, insbesondere solche zur ambulanten Vor- und Nachsorge, werden nach Auswertung der Hebammen – und Mütterbefragung im Rahmen der angekündigten Beschlussvorlage unterbreitet.
Aus aktuellem Anlass hat sich der Oberbürgermeister auf Anregung des Referates für Gesundheit und Umwelt mit einem Schreiben an den Deutschen Städtetag gewandt und eine Stellungnahme an den Bundesgesundheitsminister vorgeschlagen, in der auf den gerade aus Sicht der kommunalen Daseinsvorsorge dringenden Bedarf für eine baldige angemessene und langfristig tragfähige Lösung zur Absicherung des Schadensrisikos in der Hebammengeburtshilfe aufmerksam gemacht wird.
Frage 4:
Wann ist mit der angekündigten Vorlage des RGU zu rechnen? Beziehen sich die Vorlage und die darin zitierte Befragung auf aktuelle Zahlen nach der Kündigung durch die österreichischen Versicherer zum 01.07.2013?Antwort:
Die Ergebnisse der Münchner Mütter- und Hebammenbefragung werden dem Gesundheitsausschuss in einer Sitzung im dritten Quartal 2014 präsentiert. Die Hebammen-Befragung 2011/12 fand vor der Kündigung des österreichischen Versicherers statt, die Mütterbefragung 2013 richtete sich an Frauen, die in der Zeit vom 01.05. bis 14.08.2012 ein oder mehrere Kinder geboren hatten. Beide Befragungen betrafen nicht den von der Prämiensteigerung besonders betroffenen Leistungsbereich der Geburtshilfe, sondern die ambulante Versorgung vor und nach der Geburt.
1 Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 12837, s.
http://www.ris-muenchen.de/RII2/RII/ris_vorlagen_dokumente.jsp?risid=306720 2 http://www.hebammenverband.de/aktuell/aktionen/
?no_cache=1&sword_list[]=Haftpfli - FAQ
3http://www.gkv-spitzenverband.de/ presse/themen/hebammenverguetung/ thema_hebammen.jsp
4http://www.bundestag.de/mobil/aktuell/textarchiv/2014/
49969914_kw12_de_hebammen/index.html