Barrierefreie Gestaltung von öffentlichen Plätzen, Straßen und
Gehwegen
Antrag Stadträte Dr. Reinhold Babor, Hans Podiuk und Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 25.9.2014
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
Sie haben am 25.9.2014 o. g. Antrag gestellt, wonach zukünftig getrennte Querungsstellen mit differenzierter Bordhöhe und taktilem Bodenleitsystem als Regellösung in der Landeshauptstadt München vorzusehen sind und gebaut werden sollen. Zudem soll die Oberflächenbeschaffenheit von Pflaster- und Plattenbelägen auf öffentlichen Plätzen und Wegen/Gehwegen in der Stadt so gestaltet werden, dass sie leicht, erschütterungsarm, gefahrlos und auch bei ungünstiger Witterung begeh- und befahrbar ist. Dies soll auch für Grundstückszufahrten, die als Gehwegüberfahrten zu gestalten sind, gelten.
Die technische Umsetzung von DIN-Normen ist ein laufendes Geschäft der Verwaltung. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihren Antrag vom 25.9.2014 mit diesem Schreiben zu beantworten.
Die Beantwortung Ihres Antrages hat sich verzögert, da das Baureferat die Einführung der neuen DIN 18040-3 „Barrierefreies Bauen – Planungs- grundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ im Dezember 2014 mit berücksichtigen wollte.
Wir freuen uns, dass sich durch die neue DIN die Möglichkeit ergeben hat, den derzeitigen Standard für gesicherte Querungsstellen weiterzuentwickeln und für Rollstuhl- und Rollatornutzer sowie blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer weiter zu verbessern.
Das Baureferat bemüht sich seit Jahren intensiv, die Barrierefreiheit, insbesondere auch im Tiefbau, zu fördern. Nicht umsonst erhielt bei einer repräsentativen Umfrage der Aktion Mensch im Jahre 2012 zum Thema „Wie barrierefrei ist meine Stadt?“ die bayerische Landeshauptstadt im Städtevergleich die besten Noten.
Um die Belange optimal zu berücksichtigen, werden seit Mitte der 80-er Jahre die Behindertenvertreter in Neuplanungen des Baureferates (Tiefbau) eingebunden.
Dabei hat die Hauptabteilung Tiefbau ein mittlerweile dreisäuliges Verfahren entwickelt:-Neubauprojekte der Hauptabteilung Tiefbau
Alle Neubauprojekte werden im Rahmen des sog. Spartenverfahrens
dem „Städtischen Beraterkreis Barrierefreies Planen und Bauen“, dem auch Vertreter des Behindertenbeirates angehören, vorgestellt. Im Jahre 2008 wurde zwischen dem Beraterkreis und der Hauptabteilung Tiefbau eine Vereinbarung geschlossen, die das Abstimmungsverfahren neu
regelte und es weiter optimierte. Danach werden alle Neubauprojekte der Hauptabteilung Tiefbau einer Delegation des Beraterkreises
vorgestellt. Die Delegierten geben eine verbindliche Stellungnahme für den Beraterkreis zum barrierefreien Bauen ab. Die Projektvorstellung im Plenum des Beraterkreises erfolgt nur noch dann, wenn die Delegierten dies für erforderlich halten.
-Einsatz von Sonderbelägen
Wenn z. B. im Rahmen einer Platzgestaltung ein Sonderbelag
zum Einsatz kommen soll, wird immer darauf geachtet, dass der
gewählte Belag die Kriterien der Barrierefreiheit erfüllt. Dafür werden Musterflächen angelegt, die zusammen mit Menschen
mit Behinderungen und deren Interessenvertretungen getestet
und begutachtet werden. Aktuelle Beispiele dazu sind der Pasinger Marienplatz, Pasinger Bahnhofsvorplatz und Am Harras.
-Weiterentwicklung der Barrierefreiheit
Um die technischen Standards für Barrierefreiheit weiterzuentwickeln und neue DIN-Normen dazu umzusetzen, wurde am 24.10.2012 auf
Initiative des Baureferates, Hauptabteilung Tiefbau eine übergeordnete Arbeitsgruppe mit Vertretern des Behindertenbeirates, Facharbeitskreis Mobilität, des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes e. V. und aus Dienststellen des Baureferates ins Leben gerufen.
Ziel ist es, die schematischen Lösungen der DIN-Normen auf die
Situation in München umzusetzen in Hinblick auf die
- beengten Straßenverhältnisse
- Praxistauglichkeit
- technische Nachhaltigkeit.
Dabei wurden u. a. als Handlungsfelder festgelegt:
-Weiterentwicklung der Bus- und Trambahnhaltestellen (wurde für die Bushaltestellen in Straßenrandlage bereits abgeschlossen und wird u. a. im Rahmen der ÖPNV Offensive IV schon umgesetzt) und
-Weiterentwicklung der Querungsstellen (dabei wird auch die ange- sprochene höhentechnische Lösung für Bordsteine neu diskutiert, da hier ein Kompromiss zwischen den Belangen von Blinden undSehbehinderten, Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern, Menschen mit Rollatoren sowie anderer Nutzer gefunden werden muss).
Zu Ziffer 1 des Antrages: Querungsstellen mit differenzierter Bordhöhe und taktilem Bodenleitsystem
Die im Dezember 2014 neu erschienene DIN 18040-3 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ beschreibt sowohl die Querungsstelle mit differenzierter Bordsteinhöhe als auch die Querungsstelle mit einheitlicher Bordsteinhöhe und taktilem Bodenleitsystem. Die übergeordnete Arbeitsgruppe hat die Vor- und Nachteile beider Lösungen diskutiert und eine Lösung mit einheitlicher Bordhöhe als neuen Standard für Fußgängerüberwege mit Ampel oder Zebrastreifen favorisiert und entwickelt.
Danach erfolgt künftig die Anzeige der Querungsstelle für Blinde und Sehbehinderte durch einen Auffindestreifen aus Noppenplatten, an den ein Richtungsfeld aus Rippenplatten anschließt. Der Auffindestreifen verläuft quer über die Gehbahn. Das anschließende Richtungsfeld endet am Bordstein neben dem Signalmast mit dem Signalgeber für Blinde. Zur Berücksichtigung der Belange sowohl von Rollstuhl- und Rollatornutzern als auch blinden Menschen wird der Bord in ganzer Überquerungsstellenbreite wie bisher auf 3 cm abgesenkt. Die Bordsteinkante beidseits des Richtungsfeldes wird mit einer Abrundung von r = 2 cm versehen, um die Überfahrbarkeit für Rollstuhl- und Rollatornutzer zu optimieren. Vor dem Richtungsfeld bleibt die Bordsteinkante wie bisher bruchrau, um die Ertastbarkeit für Blinde und Sehbehinderte zu optimieren.
Das Baureferat wird künftig diese Lösung bei Neubauprojekten umsetzen.
In der Arbeitsgruppe besteht Konsens, dass die von Ihnen vorgeschlagene Querungsstelle mit differenzierter Bordhöhe von 0 und 6 cm immer eine Lösung für Einzelfälle, z. B. bei sehr hohem Rollstuhlfahreraufkommen sein kann. Der auf 6 cm abgesenkte Bord bietet zwar optimalen Schutz für Blinde und Sehbehinderte, ist aber für die meisten Rollstuhl- und Rollatornutzer unüberwindbar. Der auf Null abgesenkte Bereich erscheint auf den ersten Blick für Rollstuhl- und Rollatornutzer als optimale Lösung, muss aber zur Sicherheit für Blinde und Sehbehinderte mit einem Sperrfeld aus Rippenplatten mit ca. 1 m Tiefe quer zur Lauf- bzw. Fahrtrichtung versehen werden. Damit relativiert sich der Vorteil der Nullabsenkung für Rollstuhl- und Rollatornutzer. Um die Nullabsenkung nutzen zu können,müssen sie erst eine für die meisten Nutzer unangenehme „Rüttelstrecke“ überwinden.
Zu Ziffer 2 des Antrages: Oberflächenbeschaffenheit von Pflaster- und Plattenbelägen
Das Baureferat setzt seit Mitte der 80-er Jahre nur noch Kunststeinplatten und Asphalt als Standardmaterial für Beläge im Fußgängerbereich ein. Die sog. „Münchner Gehwegplatte“ ist eine ebene, aber rutschfeste Betonplatte im Format 35 x 35 cm und erfüllt die Anforderungen an die Barrierefreiheit in vollem Umfang.
Ausnahmen bilden sehr alte Beläge, wie z. B. Natursteinpflaster im Bereich von Ein- und Ausfahrten. Diese werden im Zuge von Erneuerungen durch Kunststeinplatten oder Asphalt ersetzt. Wenn im Bereich von historischen Ensembles oder auf alten Plätzen ein dem Charakter angemessenes Natursteinpflaster zur Anwendung kommt, hat sich die Ausführung in den vergangenen Jahren dahingehend verändert, dass nur noch Pflastersteine mit gesägter, ebener Oberfläche und engen Fugen verlegt werden, die auch für mobilitätseingeschränkte Personen gut begeh- und befahrbar sind. Um einen durchgehend ebenen Belag herzustellen, werden beispielsweise in der Fußgängerzone derzeit die Bänderungen aus bruchrauhem
Kleinsteinpflaster durch gesägte Natursteinplatten ersetzt. Zudem werden alle Sonderbeläge, wie oben ausgeführt, bemustert.
Wegen des umfangreichen Straßen- und Wegenetzes kann der Austausch alter Beläge nur nach und nach erfolgen.
Wir bitten, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.