Die Landeshauptstadt München vergibt die diesjährigen Stipendien für Bildende Kunst an Felix Leon Westner, Agnes Jänsch, Stefanie Hofer und Carsten Nolte. Die mit jeweils 6.000 Euro dotierten Stipendien werden jährlich projektbezogen, d.h. für ein konkretes Arbeits- oder Reisevorhaben gewährt. Der mit 3.000 Euro dotierte Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst (Nachwuchspreis) geht an Judith Neunhaeuserer für das Projekt Xpatch Collective. Über die Vergabe hat der Kulturausschuss der Landeshauptstadt München in seiner gestrigen Sitzung auf Vorschlag einer Jury beschlossen.
Felix Leon Westner wird gemeinsam mit anderen bildenden Künstlerinnen und Künstlern, die in ihren Arbeiten von Musik inspiriert sind, ein Vinylalbum aufnehmen. In seinen Performances spielt das Sprechen beziehungsweise der Sprechgesang eine wichtige Rolle, den er durch Zeichenaktionen, gleichzeitige Ton-Aufzeichnungen und -Abspielungen und Projektionen erweitert. Entgegen der üblichen Praxis, Performances primär filmisch aufzunehmen, werden diese auf Schallplatte dokumentiert. Die rein akustische Aufzeichnung und Wiedergabe wird dabei selbst zum eigenständigen künstlerischen Objekt.
Die von der Bildhauerei kommende Künstlerin Agnes Jänsch verbindet mit ihrem Projekt „The film inside your head“ die Auseinandersetzung über soziale Normen mit veränderbaren Seh- und Hörgewohnheiten. Die dreidimensionale Installation erzählt von einer Frau, die in einem Dorf eine Außenseiterstellung einnimmt. Das Publikum hat die Möglichkeit, sich innerhalb der Installation zu bewegen und damit die eigene Wahrnehmung und den Geschichtenverlauf zu beeinflussen. Mit ihrem Projekt greift die Künstlerin die Diskussion der 60-er und 70-er Jahre über die sogenannte raumgreifende Wirkung des Kino nicht nur auf, sondern transformiert die filmisch-lineare Erzählweise konsequent in den dreidimensionalen Raum.
Stefanie Hofer setzt in ihrem Projekt vier zeitgenössische Landschaftsgartenkonzepte – von Ian Hamilton Finlay, Dieter Kienast, Jacques Wirtz und Charles Jencks – in eigene, großformatige Aquatinta-Radierungen um. Ihre szenischen Bilder setzen sich mit deren Gartenkonzepten vor allem als Träger von Bedeutung auseinander, die Geschichte und Utopien sowie gesellschaftliche und kulturelle Strömungen reflektieren. Durch den Druck auf Kupferplatten entstehen Bilder, die in einem eigentümlichen Zwischenbereich von Malerei und Zeichnung angesiedelt sind und auch fotografische Assoziationen nicht ausschließen.
Displays und Warenpräsentationsformen stehen im Zentrum von Carsten Noltes künstlerischem Interesse. Für sein Projekt mit dem Titel „Residenz 2.0” verwandelt er bislang kommerziell genutzte Eckschaufenster im Zwischengeschoss der S-Bahn-Station Rosenheimer Platz in virtuelle Dioramen. Mit Hilfe von Programmen zur Erstellung von Videospielen wird Nolte mehrere zirka fünfminütige Videoepisoden entwickeln, in denen humanoide Avatare in einer terrarienartigen Umgebung zwischen on- und offline leben. Mit der Referenz auf die im 19. Jahrhundert populären Dio- ramen, die oft historische Ereignisse oder soziale Milieus nachstellten, verbindet Nolte vergangene Sehformate mit Zukünftigem. Nicht nur die Geschichtserzählung der Dioramen ist inzwischen überholt – in Zeiten des Internetshoppings wird auch die lokale Präsentation von Waren mehr und mehr hinfällig.
DerLeonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst 2015 geht an Judith Neuhaeuserer für das Projekt XPatch Collective. XPatch Collective ist ein Künstlerinnenkollektiv, das sich aus fünf Studentinnen der Akademie der Bildenden Künste München zusammensetzt. Die Kollektiv-Idee ist gleichzeitig Programm. Das XPatch Collective analysiert und reflektiert auf innovative Weise soziale Strukturen und Machtverhältnisse ebenso wie die verfestigten Strukturen des Kunstfeldes. Die dem Kollektiv eigenen Forschungs-, Kommunikations- und ästhetischen Produktionsformen werden dabei zu wegweisenden Strategien für einen notwendigen gesellschaftlichen Wandel. Das XPatch Collective besteht aus Johanna Klingler, Liane Klingler, Judith Neuhaeuserer, Kristina Schmidt und Frauke Zabel; es existiert erst seit wenigen Jahren, agiert aber in engem Anschluss an internationale Diskurse bereits über die Landesgrenzen hinweg. Der Jury gehörten an: Saim Demircan vom Kunstverein München e.V., Ralf Homann vom Kunstraum München e.V., Rasmus Kleine vom Kallmann Museum in Ismaning, die freie Kunstkritikerin Evelyn Pschak, Dana Weschke von der Lothringer 13 Halle, Dr. Susanne Witzgall von der Akademie der Bildenden Künste München und aus dem Stadtrat Ulrike Grimm und Marian Offman (beide CSU-Fraktion), Kathrin Abele und Dr. Constanze Söllner-Schaar (beide SPD-Fraktion) sowie Sabine Nallinger (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste).
Die Preise werden am 13. Oktober im „Schwere Reiter München“ im Rahmen einer geschlossenen Festveranstaltung vergeben.
Die ausführlichen Jurybegründungen und Informationen sind auch unter www.muenchen.de/kulturfoerderung unter „Preise“ abrufbar.