Restmüll kommt in die graue Tonne, Papier in die blaue und Bioabfall in die braune. Alle drei Abfallfraktionen werden in München im so genannten „Holsystem“ vom Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM), dem Eigenbetrieb der Stadt München, bei den Bürgerinnen und Bürgern am Haus abgeholt. Leere Milchtüten, Plastikflaschen ohne Pfand oder die Verkaufsverpackungen von Käse, Wurst, Jogurt und Co., in denen mittlerweile fast alle Lebensmittel in Supermärkten angeboten werden, ebenso Konservendosen und Glas, sollten von den Verbrauchern an die, im ganzen Stadtgebiet verteilten Wertstoffinseln im „Bringsystem“ gebracht werden. Denn für diese so genannten „Leichtverpackungen“ gilt: Der Konsument hat für die Entsorgung bereits bezahlt, und zwar über einen kleinen Betrag, der im Verkaufspreis enthalten ist. Wirft er die Verpackung in den Restmüll, zahlt er zweimal für die Entsorgung, da die Münchner Müllgebühren nach Volumen des Restmülls berechnet werden. Ein nicht ganz einfaches System. Darüber haben kürzlich die Vertreter der kommunalen Abfallentsorgungsbetriebe aus Bayern in Straubing auf ihrer Jahresfachtagung diskutiert.
Kompliziertes System in Deutschland
Hintergrund für die komplizierte Lösung sind die gesetzlichen Regelungen in Deutschland, die unterschiedliche Kompetenzen nicht nur vorsehen, sondern sogar vorschreiben. Während für privaten Restmüll, Altpapier und Bioabfälle die Kommunen zuständig sind, müssen der Hersteller beziehungsweise der Inverkehrbringer von Leichtverpackungen, also private Unternehmen, dafür Sorge tragen,dass diese Verpackungen entsorgt werden. Für diese Entsorgung sind in den meisten Fällen die Dualen Systeme zuständig. Insgesamt haben sich davon mittlerweile zehn am Markt etabliert. „Das führt schon seit Jahren zu Unklarheiten, auch bei der Bevölkerung“, sagt Helmut Schmidt, Zweiter Werkleiter des AWM. Auch Beschwerden über vermüllte Wertstoffinseln kämen immer wieder beim AWM an. „Dabei können wir da gar nichts für die Bürgerinnen und Bürger tun, nur die Betreiber dieser Inseln auf den Missstand hinweisen“, so Schmidt.
Effiziente Müllabholung in Mailand
In Mailand dagegen ist das System einfacher, klarer und somit auch effizienter. Dort werden alle Abfälle am Haus vom kommunalen Betrieb eingesammelt, wie der Marketingdirektor des Mailänder Abfallbetriebs Amsa, Dr. Danilo Vismara, in Straubing seinen bayerischen Kollegen erklärt hat. Ist der Müll einmal eingesammelt, natürlich gut sortiert, wird er privaten Unternehmen oder Konsortien zur weiteren Sortierung und Verwertung übergeben. „Das funktioniert sehr gut“, so Vismara. München kann also in Sachen Abfall einiges von Mailand lernen. Die beiden Städte sind durchaus vergleichbar: Mailand ist mit 1,34 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Italiens und hat mit 7.000 Einwohnern pro Quadratkilometer eine sehr hohe Bevölkerungsdichte. 80 Prozent der Familien leben in Mehrfamilienhäusern.
Trotzdem hat Mailand beachtliche Erfolge in Sachen Mülltrennung und Verwertung zu verzeichnen: So sammeln die Italiener pro Kopf und Jahr 95 Kilogramm Bioabfälle ein, die in einer Vergärungsanlage in Biogas und Strom umgewandelt werden. Ähnlich wie in München, wo aber derzeit nur zirka 30 Kilogramm pro Kopf und Jahr gesammelt werden. „Wir nehmen uns die Mailänder zum Vorbild und starten jetzt im Juli eine Bioabfallkampagne in Neuhausen. Die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen, sollen auch in München zu höheren Sammelmengen führen“, wünscht sich Schmidt vom AWM.
AWM fordert ökologische Lenkungswirkung vom neuen Wertstoffgesetz Generell sind die Kommunen in Deutschland mit der politisch gewollten Regelung unzufrieden. Der Konflikt scheint sich nun noch zu verschärfen, seit sich die Koalition auf Eckpunkte des neuen Wertstoffgesetzes geeinigt hat. Demnach soll nun die „Produktverantwortung“ auch auf „stoffgleiche Nichtverpackungen“ ausgedehnt werden. „Da ist dann die Verwirrung für die Bevölkerung perfekt“, so Schmidt, „da kann man den Münchnerinnen und Münchnern kaum mehr logisch erklären, was sie wo wegwerfen sollen“. Unzufrieden zeigte sich der Chef des Abfallwirtschaftsbetriebs München vor allem damit, dass das neue Gesetz „keine ökologische Lenkungswirkung“ bei Verpackungen vorsieht: „Die gesetzliche Regelung sollte so sein, dass deutlich Anreize dafür gesetzt werden, keine oder zumindest weniger Verkaufsverpackungen zu nutzen, und mehr auf biologisch abbaubare Materialien und Mehrwegverpackungen zu setzen“. Genau diese Wirkung habe aber die bisherige gesetzliche Regelung und die Lösung mit den Dualen Systemen verfehlt, so Schmidt. Nur Anfang der neunziger Jahre, kurz nach Einführung der Dualen Systeme, seien die Verkaufsverpackungen mengenmäßig gesunken. „Aber seit 2003 haben wir einen Anstieg von 25 Prozent“ weiß Schmidt. Und die Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen sei von 70 Prozent auf unter 50 Prozent gesunken. Auch hier können die Italiener punkten: In ganz Italien sind nur Plastiktüten, die biologisch abbaubar sind, gesetzlich erlaubt.
„Für Deutschland wünschen wir uns ein Wertstoffgesetz, das ökologisch, effizient, bürgernah und verbraucherfreundlich ist“ sagt Helmut Schmidt. Dafür werde er sich als Zweiter Werkleiter des AWM und als Vorsitzender der Landesgruppe Bayern der kommunalen Entsorgungsbetriebe ein-
setzen.