Münchner Hilfe-App für Flüchtlinge
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 3.2.2015
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat rechtlich nicht möglich ist.
Zu Ihrem Antrag vom 3.2.2015 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Ich teile Ihr Anliegen, dass wir als Gesellschaft und auch als Stadt, Flüchtlingen, die zu uns kommen, jede erdenkliche Hilfe zukommen lassen sollten. Dies umfasst nicht nur behördliche, oder private Hilfsangebote, sondern natürlich auch Informationen, die grundsätzlich auch durch digitale Medien zur Verfügung stehen sollten. Gleichwohl kann Ihrem Antrag nicht voll umfänglich entsprochen werden. Mit muenchen.de haben wir bereits Technologien, um solche Services anzubieten. Die Einschränkungen sind durch den Zugang und die Nutzbarkeit für Flüchtlinge eines solchen Service begründet.
Ihr Antrag nimmt Bezug auf eine Vorbildfunktion der Stadt Aachen. Von dort war zu erfahren, dass die Stadt Aachen bisher keinerlei diesbezüglichen Dienst betreibt. Dort liegt lediglich ein ähnlich lautender Ratsantrag vor. Aachen wird Anfang 2016 ein Webangebot aufbauen, welches auch das Thema Flüchtlinge abdecken soll. Hier ist aber zunächst nur eine browserbasierte Desktopversion vorgesehen.
Ein ebenfalls ähnlich lautender Antrag liegt auch bei der Stadt Köln vor. Unsere Nachfrage hat ergeben, dass dort frühestens im zweiten Halbjahr 2015 eine fachliche Prüfung des Antrags erfolgen soll.
In beiden Anträgen wird auf ein kürzlich eingeführtes Angebot der Stadt Witten verwiesen.In Witten betreibt die Schweizer Firma CityGuideAG das Stadtmarketing sowie eine Stadtmarketing-APP, die als Werbeplattform für Gewerbetreibende entwickelt wurde. Dort werden in einer Rubrik „Soziales Engagement“ auch Listings von Anbietern sozialer Dienstleistungen zur Verfügung gestellt, die die CityGuideAG als einfache Basiseinträge kostenlos anbietet. Dort wird aber nicht explizit zwischen Angeboten für Flüchtlinge oder anderen sozialen Diensten unterschieden. Der Betrieb finanziert sich durch die sonst kostenpflichtigen Einträge der beteiligten Unternehmen. Nach Auskunft der Stadt Witten generiert sich der Mehrwert dieses digitalen Services („Soziale Dienste“) nicht aus dem inhaltlichen Angebot, sondern aus der Möglichkeit, die Flüchtlinge auch tatsächlich zu dem entsprechenden Angebot im Stadtgebiet zu lotsen. Dies ist in Witten durch ein sehr engmaschiges, praktisch flächendeckendes „Freifunk“-Netz gewährleistet. In Witten liegen keine Nutzerzahlen vor, die die tatsächliche Nutzung dieses Services der in Witten derzeit ca. 600 Flüchtlinge dokumentieren.
Weitere Erfahrungen aus Witten:
-Der inhaltliche Schwerpunkt der Information für Flüchtlinge liegt nach wie vor in der persönlichen Beratung. Wird in dieser Beratung auf den „Routingservice“ über die APP und den Freifunkservice explizit hingewiesen und auch die Funktion und die Handhabung im Beratungsge-
spräch gezeigt, wird dieser auch verwendet. Erfolgt dies nicht, wird der Service in der Regel auch nicht in Anspruch genommen.
-Die meist nachgefragten Services beziehen sich auf die Bereiche Freizeit und Sport.
-Dieser Service kann nur über frei zugängliche W-LAN-Verbindungen gewährleistet werden, da ein mobiler Datenzugriff schon allein aus finanziellen Gründen der Betroffenen ausscheidet.
-Durch übliche W-LAN Hotspots kann ein solcher Service nicht erreicht werden, da die Flüchtlinge, auch bei derartigen freien W-LAN Angeboten, meist bereits beim Login scheitern.
-Die Hilfsangebote werden ausschließlich von Privatinitiativen bereitgestellt und gesammelt und über eine Stelle der Stadtverwaltung an die CityGuideAG weitergegeben.
-Die mehrsprachige Ausgestaltung ist sehr kostspielig. Außerdem aufgrund der unterschiedlichsten Nationalitäten nur teilweise zielführend. Daher wird nun primär eine Bilddarstellung als Sprachersatz angestrebt.
Diese Erfahrungen sind deckungsgleich mit der fachlichen Einschätzung des für Flüchtlinge zuständigen Sozialreferats. Dort wird auch der Schwerpunkt der Information für Flüchtlinge in München in der persönlichen Beratung gesehen. Durch die Fachkräfte vor Ort – in der Erstaufnahmeeinrich-tung und den Gemeinschaftsunterkünften – werden die Flüchtlinge über das Asylverfahren, ihre möglichen nächsten Schritte und Hilfsangebote in München unterrichtet. Insbesondere die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge werden durch ihre Betreuungspersonen umfassend informiert.
Über diese Betreuung und die bereits bestehenden Informationsangebote hinaus bringt ein zusätzliches Angebot in Form einer Handy-App wenig informationellen Mehrwert. So besteht bereits ein umfassendes Online-Angebot unter muenchen.de/fluechtlinge. Das Sozialreferat hält diese Informationen ständig aktuell und baut diese weiter aus. Auch werden diese an die jeweiligen Informationsbedürfnisse angepasst. Auch läuft derzeit bereits ein Projekt alle Inhalte von muenchen.de, so auch diese Webseiten, auf ein „Responsive Design“ umzustellen. Ab Frühjahr 2016 werden damit alle Informationen mit Smartphones und anderen mobilen Geräten, gleichsam wie eine native App optimal nutzbar und zugänglich sein. Zudem ist diese Entwicklung im Gegensatz zu einer App unabhängig vom eingesetzten Smartphone bzw. Betriebssystem der Nutzer.
Wie bereits dargestellt, kann ein solcher Service, neben der Informationsbeschaffung, dazu dienen, den Orts- und Sprachunkundigen zu einer bestimmten Einrichtung zu lotsen. Dies ist aber für diese Zielgruppe nur mittels eines engmaschigen, flächendeckenden, frei verfügbaren W-LAN-Netzes möglich. Dazu müssten nicht nur zentrale Orte abgedeckt sein, sondern auch die Bereiche in denen sich die verschiedenen Hilfsangebote befinden sowie die Wege dorthin. Dies dürfte in Großstädten, im Gegensatz zu Städten wie Witten, derzeit nahezu unmöglich sein, da praktisch das ganze Stadtgebiet mit einem einheitlichen Netz abgedeckt sein müsste. Hier ist wohl auch der Grund zu suchen, warum sich bisher keine Umsetzung durch einen externen Anbieter oder Organisation, im Gegensatz zu klassischen Webangeboten, ergeben hat.
Ich bitte Sie die verspätete Antwort auf Ihren Antrag zu entschuldigen. Es war mir wichtig, Ihr Anliegen umfassend fachlich zu prüfen, was etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hat.