„Kein Bier für Neonazis“: Fordern Fachstelle gegen Rechtsextremismus, DEHOGA und OB zum Diskriminieren auf?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 26.5.2015
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Im Kampf gegen politisch Andersdenkende hat die Stadt München jetzt einmal mehr die Initiative ergriffen – erneut in durchaus fragwürdiger Weise. Ausweislich der ‚Rathaus-Umschau’ vom 21.5. sowie einschlägiger Berichte der Lokalpresse (SZ vom 22.5.: ‚Kein Bier für Neonazis’) initiierte die beim Büro des Oberbürgermeisters angesiedelte ‚Fachstelle gegen Rechtsextremismus’ zusammen mit der Münchner Kreisstelle des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA dieser Tage eine ‚bundesweit einmalige Initiative’, indem sie alle rund 7000 Münchner Wirte anschreiben will, um diese über ‚Unterstützungsangebote und Präventionsmöglichkeiten’ im ‚Kampf gegen Rechts’ zu informieren. Die Gaststättenbetreiber sollen dadurch ermuntert werden, politisch Rechtsstehende nicht nur als Anmieter von Räumlichkeiten (z.B. für Vortragsveranstaltungen oder gesetzlich vorgeschriebene Parteitage), sondern auch als Gäste fernzuhalten. In der ‚Rathaus-Umschau’ heißt es dazu: ‚Neben einem Brief des Oberbürgermeisters und der Kreisstelle München des DEHOGA Bayern erhalten alle Wirtinnen und Wirte auch je zwei Aufkleber mit dem Slogan ‚München ist bunt! ... auch in Gaststätten und Hotels’, um diese am jeweiligen Betrieb anzubringen. Bürgerinnen und Bürger sind ebenfalls eingeladen, sich diese Aufkleber per E-Mail (...) zu bestellen und – mit der Bitte (,) diese anzubringen – auf ihre Lieblingsgaststätte zuzugehen.’ (fehlerhafte Kommasetzung im Original; KR).
Laut der ‚Süddeutschen Zeitung’ vom 22.5. will sich die Stadt bzw. die ‚Fachstelle’ darüber hinaus im Falle renitenter Wirte an die DEHOGA wenden, ‚die dann mit den Brauereien redet. Die können Wirten in solchen Fällen auch die Konzession entziehen’ (zit. nach: http://www.sueddeutsche. de/muenchen/gegen-rechtsradikalismus-kein-bier-fuer-neonazis-1.2489285; zul. abgerufen: 26.5.2015, 5.33 Uhr).
Diese Maßnahmen der LHM sind juristisch ebenso wie unter dem Aspekt geltender Diskriminierungsverbote außerordentlich problematisch. – Es stellen sich Fragen.“Ihre Anfrage wird wie folgt beantwortet:
Frage 1:
Die an Münchner Gaststättenbetreiber gerichtete Aufforderung, politisch Rechtsstehende nicht in ihren Gasträumen zu dulden und ihnen Räumlichkeiten, aber auch Bewirtung zu versagen, steht nicht nur in eklatantem Widerspruch zum Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes, wo es in Art. 3, Abs. 3 heißt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (Hervorhebung vom Fragesteller; KR). Die besagte Aufforderung der „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“, die sich der Münchner OB als Unterzeichner eines einschlägigen Schreibens zueigen macht, bedeutet auch einen Verstoß gegen die Vertragsfreiheit sowie gegen geltende Anti-Diskriminierungsbestimmungen auf nationaler ebenso wie auf europäischer Ebene.
Frage: Inwieweit wurde die in Rede stehende Initiative im Vorfeld von der Rechtsabteilung des Rathauses auf ihre Rechtmäßigkeit und Gesetzeskonformität hin überprüft? Inwieweit machte die Rechtsabteilung ggf. Bedenken geltend? Wie vermag die LHM zu begründen, dass es sich bei der Initiative nicht um eine Aufforderung zur Diskriminierung Andersdenkender, nicht um einen Verstoß gegen Art. 3, Abs. 3 GG, nicht um einen Eingriff in die in Deutschland geltende Vertragsfreiheit handelt?
Frage 2:
Inwieweit vermag sich die LHM der Auffassung anzuschließen, dass die – laut SZ – von der „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“ im Falle „renitenter“ Gastwirte vorgesehene Einschaltung der DEHOGA mit der Erwartung, über die Brauereien einen Entzug der Konzession zu erwirken, einen Eingriff in die Vertragsfreiheit und eine kaum verhohlene Aufforderung zur Diskriminierung Andersdenkender darstellt? Wie begründet die LHM ggf. ihre Auffassung, dass dies nicht der Fall ist?
Frage 3:
Die genannte Initiative der „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“ bzw. des DEHOGA öffnet Einschüchterungs- und Pressionsversuchen an die Adresse von Münchner Gastwirten Tür und Tor, etwa wenn ein Gaststättenbetreiber – aus welchen Gründen auch immer – die an ihn herangetragenen Aufkleber mit der Botschaft „München ist bunt!“ nicht an seinem Betrieb anbringen möchte. Welche städtische Institution, Fachstelle o.ä. berät betroffene Wirte, die sich vor dem Hintergrund des mittlerweile herrschenden Meinungs- und Konformitätsdruckes dann selbst als „Rechtsextremisten“ diffamiert sehen, in diesem Fall?
Frage 4:
Während die „Fachstelle“ für unerwünschte, weil politisch „rechte“ Anmietungsversuche von Räumlichkeiten in Gaststätten geeignetes Informationsmaterial bereithält, liegt der Fall bei unerwünschten, weil politisch „rechtsstehenden“ Gästen von Münchner Gaststätten schwieriger: wie bzw. woran können Münchner Gaststättenbetreiber und ihr Personal zweifelsfrei erkennen, dass es sich bei einem Gast um einen „Rechtsextremisten“ handelt? Auf welcher Rechtsgrundlage kann bzw. soll einem solchen Gast im Fall seiner zweifelsfreien Erkennung die Bewirtung versagt werden, ohne dass sich der Gaststättenbetreiber der Diskriminierung strafbar macht, wie dies etwa auch bei Türstehern in Diskotheken der Fall ist, die z.B. Ausländern oder Farbigen den Zutritt verweigern?
Antwort:
Ziel der Initiative ist es, die Münchner Wirte dafür zu gewinnen, ein positives Signal für eine bunte und tolerante Stadtgesellschaft zu setzen. Gleichzeitig werden ihnen Schutzmöglichkeiten vor rechtsextremen Anmietungsversuchen aufgezeigt. Eine Aufforderung zur Diskriminierung liegt nicht vor. Vielmehr heißt es in den gemeinsamen Schreiben ausdrücklich: „als private Vermieter können Sie frei entscheiden, an wen sie vermieten (Kontrahierungsfreiheit)“.
Ein Gewerbetreibender kann selbst entscheiden, wen er bewirtet bzw. welche Äußerungen oder Verhaltensweisen er in seinem Lokal nicht duldet. Grenze ist beispielsweise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dieses schützt aber nicht die Weltanschauung (siehe dazu § 19 AGG).