Ehrungen für sein Lebenswerk hat der Filmemacher Werner Herzog einmal als „vorweggenommenes Begräbnis“ bezeichnet. In jüngster Zeit hat er dennoch gleich einige davon entgegengenommen – beim Deutschen Filmpreis in Berlin, beim Filmfestival von Locarno und zuletzt gestern Abend im Alten Rathaussaal in München.
Oberbürgermeister Dieter Reiter überreichte Werner Herzog dort im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung den Kulturellen Ehrenpreis 2014, die höchste Kulturauszeichnung der Landeshauptstadt München. Mit dem Preis würdigt die Stadt jährlich eine Persönlichkeit von internationaler Ausstrahlung für ihre kulturellen oder wissenschaftlichen Leistungen. „Damit stehen Sie in einer Reihe mit berühmten Filmemacherinnen und Filmemachern wie Alexander Kluge, Edgar Reitz und Doris Dörrie, die ebenfalls zu den Preisträgern des Kulturellen Ehrenpreises der Stadt München zählen“, erklärte Oberbürgermeister Dieter Reiter in seiner Begrüßungsrede.
Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro werde bei Herzog sicher sofort in das nächste Projekt fließen, zeigte sich Reiter überzeugt. „Schließlich ist Werner Herzog ein viel zu sehr Getriebener seiner überschäumenden Fantasie, um nicht ständig in ,wüsteste Arbeit’, wie er selbst sagt, verstrickt zu sein.“
Die Schaffensliste des Regisseurs und Produzenten zählt über 60 Spielund Dokumentarfilme. Zu den bekanntesten Werken zählen die Filme, in denen Herzog mit dem Hauptdarsteller Klaus Kinski zusammengearbeitet hat: „Aguirre, der Zorn Gottes“ über eine fiktive Expedition spanischer Konquistadoren im 16. Jahrhundert, der Dracula-Film „Nosferatu – Phantom der Nacht“ oder „Fitzcarraldo“, wo Kinski einen Exzentriker spielt, der im Dschungel ein Opernhaus bauen möchte. „Herzogs Filme sind sprachund bildgewaltige Expeditionen in exotische und fragile Regionen dieser Welt und erlauben uns verstörende Einblicke in menschliche Abgründe“, schreibt dazu die Jury in ihrer Begründung für die Preisverleihung. Herzog selbst sagte einmal: „Ich suche nach etwas, das mehr einer Ekstase der Wahrheit gleicht.“
Mit der schwierigen Beziehung zwischen seinem Hauptdarsteller Kinski und ihm beschäftigte Herzog sich auch in dem Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“. Neben Spielfilmen drehte Herzog zahlreiche Dokumentarfilme, mit denen er auch in den USA sehr erfolgreich war. Für Furore sorgte etwa seine Dokumentation „Grizzly Man“ über den radikalen Tierschützer Timothy Treadwell oder die beklemmende Studie eines Muttermörders „My son, My Son, What Have Ye Done“. Mit „Begegnungen am Ende der Welt“ war er für den Oscar nominiert. Herzog, der seit 20 Jahren in Los Angeles lebt, ist damit neben Roland Emmerich wohl der bekannteste deutsche Filmemacher in Amerika. Das Time Magazine zählte ihn gar zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. „In Herzog hat das internationale Kino einen immens produktiven Grenzgänger zwischen Traum und Wirklichkeit, fiktionalem und dokumentarischem Film, zwischen Weltkulturen und Kontinenten“, fasste die Jury in ihrer Begründung für die Preisverleihung sein Schaffen zusammen.
Regisseur Edgar Reitz, selbst Kultureller Ehrenpreis-Träger, begab sich in seiner Laudatio auf Herzog nochmals auf einen Streifzug durch Herzogs Filmschaffen und entdeckte darin immer wieder die „Ekstase der Todesnähe“. Reitz schwärmte von Herzogs unglaublicher schöpferischer Energie. „Seine Bilder machen aus unserer Erde einen fremden Planeten.“ Der Preisträger selbst, 1942 in München geboren, erinnerte sich in seinen Dankesworten an seine Kindheit und Jugend in der Stadt, an die kleinen Dinge, die sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt prägen. Nur 14 Tage nach seiner Geburt floh die Mutter mit ihm und seinen Geschwistern vor den Bombenangriffen nach Sachrang. Mit zwölf Jahren kehrte er als „Dorfbub“ in die Stadt zurück. „Am Anfang habe ich noch jeden gegrüßt, dem ich begegnet bin, wie man das auf dem Dorf eben macht“, erinnerte sich Herzog. Auch Episoden aus seiner Schulzeit am Maximiliansgymnasium und die Pension in der Elisabethstraße, in der die Familie kurzzeitig wohnte, sind ihm in Erinnerung geblieben. Auch Klaus Kinski wohnte in der Pension „und hat schon damals alle terrorisiert“.
Musikalisch umrahmt wurde die Preisverleihung von dem Cellisten Ernst Reijseger. Er hat die Filmmusik für einige Filme Herzogs geschrieben. Unter den mehr als 400 Gästen der Preisverleihung waren u.a. die Münchner Ehrenbürger Dr. h.c. Michael Krüger und Professor Dr. med. Dr. h.c. Bruno Reichart, der frühere Preisträger des Kulturellen Ehrenpreises Sir Peter Jonas sowie zahlreiche prominente Vertreter der Film- und Kulturszene wie Gernot Roll, Katja Eichinger, Veronika Ferres, Jule Ronstedt, Diana Iljine, Dr. Matthias Mühling, Anatol Regnier und Ponkie. Als Vertreter der Stadt nahmen zahlreiche berufsmäßige und ehrenamtliche Stadtratsmitglieder an der Preisverleihung teil.