Ist der Münchner Mietspiegel wie in Berlin ungültig?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 2.6.2015
Antwort Sozialreferentin Brigitte Meier:
In Ihrer Anfrage vom 2.6.2015 führen Sie Folgendes aus:
„Das Amtsgericht Berlin hat den Berliner Mietspiegel für ungültig erklärt. Zwar ist der Münchner Mietspiegel im Unterschied zum Berliner Mietspiegel eher nach wissenschaftlichen Kriterien aufgestellt worden, jedoch stellen sich auch im Mietspiegel der Stadt München für das Jahr 2015 Fragen der Objektivität. Insbesondere erfolgen im Mietspiegel München ebenfalls sehr pauschale Zuordnungen für großflächige Teile der Stadt zu Wohnlagen ohne Differenzierung der Mikrolagen, was seitens des Amtsgerichts in Berlin kritisch gesehen wurde. Insbesondere erfolgt im Mietspiegel 2015 in Zentrumslagen nur noch eine Differenzierung zwischen ‚durchschnittlich’ und ‚gute/beste Lage’. Außerdem verwundert der Mietspiegel 2015 in München mit dem Ergebnis von sinkenden ortsüblichen Vergleichsmieten in Teilen der Stadt.
Zwar gibt es den breiten Wunsch in der Bevölkerung nach nicht weiter steigenden Mieten, jedoch muss ein Mietspiegel die objektive Lage ausdrücken.“
Zu Ihrer Anfrage vom 2.6.2015 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Welche Schlüsse zieht die Stadt aus dem Urteil des Amtsgerichts Berlin zur Aufhebung des Mietspiegels in Berlin?
(http://www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/ kammergericht/235_c_133_13_urteil_vom_11.05.2015.pdf?start)
Antwort:
Das Amtsgericht (Berlin-) Charlottenburg ist in seinem Urteil vom 11.5.2015 zu der Einschätzung gelangt, dass der Berliner Mietspiegel 2013 nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, da die Extremwertbereinigung, also das bloße Eliminieren herausstechender, gleichsam „unpassender“ Preise, in einem Tabellen-Mietspiegelfeld als fehlerhaft eingeschätzt und die Kategorisierungin nur drei, grob abgegrenzte Wohnlagen des Mietspiegels als nicht ausreichend differenziert angesehen wurden. Kurz vor Veröffentlichung dieses Urteils hat das Landgericht Berlin – die Berufungsinstanz für das AG Charlottenburg – in einem vergleichbaren Fall am 20.4.2015 entschieden, dass der Berliner Mietspiegel 2013 auch bei der Ermittlung der Wohnlagen wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht (Aktenzeichen: 18 S 411/13).
Unabhängig davon sind aus Münchner Sicht bezogen auf die beiden Kritikpunkte des Charlottenburger Amtsgerichts folgende Schlüsse zu ziehen:
-Im Mietspiegel für München 2015 werden Extremwerte gegenüber einem Tabellenmietspiegel gerade nicht zur Bereinigung des
empirischen Ergebnisses eliminiert. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird vielmehr mittels einer anerkannt wissenschaftlichen Methodik (Regressionsanalyse) ermittelt, bei der von der Annahme ausgegangen wird, dass die Miete einer Wohnung von verschiedenen Einflussgrößen bzw. Wohnwertmerkmalen abhängt, wobei die Richtung und
Stärke des Einflusses mit Hilfe von statistisch-mathematischer
Theorie aus den Daten bestimmt werden kann. Anders als bei
Tabellenmietspiegeln wirken die Wohnwertmerkmale getrennt
voneinander. Bei dieser Methode fällt der Modellbildung, also der Entwicklung der Regressionsgleichung, eine zentrale Rolle zu. Da kein allgemein und dauerhaft gültiges mathematisches Modell zur Beschreibung des Wohnungsmarktes bekannt ist, ist eine Anpassung des Regressionsmodells bei jeder Neuerstellung eines Mietspiegels notwendig. Viele Wohnungsmerkmale stehen untereinander in
Beziehung. Deshalb wurden sachlogisch abgeleitete Interaktionen
der etwa 200 Variablen modellhaft geprüft und gegebenenfalls
(bei statistischer Signifikanz) in das endgültige Mietspiegelmodell übernommen. Diese Prüfung spiegelt sich in den Veränderungen – insbesondere in Tabelle 3 (Zu- und Abschläge zur Basismiete) – des Mietspiegels für München wider. In Berlin wurde der Mietspiegel mit der Tabellenmethode erstellt, zudem wurden systemfremd Elemente
aus der Regressionsanalyse verwendet. Diese Vorgehensweise ist mit der Erstellung des Mietspiegels für München nicht vergleichbar.
-Der Mietspiegel für München 2015 weist 6 Wohnlagen aus, von denen vier zuschlagsrelevant sind. Er ist damit deutlich differenzierter als der Berliner Mietspiegel.
Für die Ermittlung der Wohnlagen wurde zunächst unter Berücksichtigung der Bodenrichtwertkarte eine Wohnlagenkarte durch die Ge-
schäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte imBereich der Landeshauptstadt München erstellt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Höhe der Bodenrichtwerte ein Maß für die Wohnlagequalität eines Wohngebietes darstellt (vgl. „Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln“, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Verkehrswesen, 2002, Seite 55).
Die so erstellten Lagen wurden anschließend statistisch mit den erhobenen Daten aus der gezogenen Stichprobe abgeglichen bzw.
in Einklang gebracht. Die Untersuchung ergab einen Einfluss der
Zentralität bzw. Innenstadtnähe auf den Mietpreis. Zutreffende Aussagen für das Wohnwertmerkmal Lage konnten nur durch das
Zusammentragen beider Erkenntnisquellen (Mikrolage anhand der
Bodenrichtwerte, Makrolage aufgrund der statistischen Untersuchung) getroffen werden.
-Auf diese Weise werden im Mietspiegel für München 2015 erstmals neben den bisher ausgewiesenen vier Wohnlagen (einfache, durch-
schnittliche, gute, beste Lage) zwei weitere Wohnlagen dargestellt (zentrale durchschnittliche und zentrale gute/beste Lage). Für die bisher gute und beste Lage in zentralen Gebieten konnte auch aufgrund
geringer Besetzungszahlen in der besten Lage keine Unterscheidung mehr ermittelt werden. Die bisher gute und beste Lage wurden deshalb als zentrale gute/beste Lage zusammengefasst.
Frage 2:
Wie beurteilt die Verwaltung die Zuordnung von großflächigen Teilen von Stadtgebieten pauschal zu einzelnen Wohnlagen?
Antwort:
Bei dem Wohnwertmerkmal Lage ist zwischen der sogenannten Makro- und Mikrolage zu unterscheiden. Mit den 6 „neuen“ Lagekategorien des Mietspiegels für München 2015 wird tendenziell sowohl die Mikro- als auch die Makrolage erfasst.
Die Mikrolage erfasst beispielsweise die Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Bebauung und den baulichen Zustand des Wohnumfeldes sowie den
Bestand an Grün- und Freiflächen. Sie spiegelt sich darüber hinaus z. B. in den Gebäudetypen (Tabelle 3) und in sonstigen Faktoren, die im Mietspiegel für München 2015 in die begründeten Abweichungen eingehen können (Tabelle 6, z.B. Rückgebäude), wider.
Die Makrolage trägt darüber hinaus der Tatsache Rechnung, dass in bestimmten innenstadtnahen Gebieten trotz ansonsten identischer
Wohnungsausstattung höhere Mieten bezahlt werden. Die Kombination der beiden Lagen ergibt die „neue“ Wohnlage des Mietspiegels fürMünchen 2015.
Der Mietspiegel für München 2015 lässt zudem in Tabelle 6 Nr. 7 („Zusätzliche Begründungen“) die Möglichkeit zu, bei Abweichung der individuellen Lage von der gebietstypischen Lage einen Ausgleich vorzunehmen bzw. eine andere Lagekategorie anzusetzen.
Frage 3:
Wird die Aufteilung der Innenstadt nach nur zwei Wohnlagentypen den wirklichen Wohnverhältnissen in München gerecht?
Antwort:
Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen: Zwei Wohnlagentypen werden in der Innenstadt als ausreichend erachtet, da die weitere Lagedifferenzierung z. B. über die Gebäudetypen und begründete Abweichungen abgebildet werden kann. Für nachfolgende Mietspiegel wird mit statistischen Methoden (Signifikanz) zu prüfen sein, ob eine weitere Differenzierung der Makrolage notwendig ist.
Frage 4:
Führt die Aufteilung der Innenstadt in nur zwei Wohnlagentypen nicht zu erheblichen und schwer nachzuvollziehenden Mietunterschieden, insbesondere an den Grenzen der jeweiligen Wohnlagentypen, bei der Festlegung von ortsüblichen Vergleichsmieten?
Antwort:
Bei jeder Kategorisierung eines eigentlich kontinuierlichen Merkmales (hier die Lage der Wohnung im Stadtgebiet) kommt es an den Rändern zu „Sprüngen“. Dies gilt auch für eine Zweiteilung der Makrolage wie im Mietspiegel für München 2015; an den Grenzen kommt es zu
Mietunterschieden. Hier sei aber auf Tabelle 6 Nr. 7 verwiesen (siehe Antwort zu Frage 2).
Frage 5:
Spiegelt ein Sinken der ortsüblichen Vergleichsmieten in Teilen der Stadt die tatsächlichen Verhältnisse wider?
Antwort:
Mit der Einführung einer differenzierteren Lageunterscheidung im Mietspiegel für München 2015 ist ein direkter Vergleich zum vorherigen Mietspiegel nicht möglich. Für zukünftige Mietspiegel wird bei Aufrechterhaltung der neuen Systematik nicht von einem Sinken der Vergleichsmieten in einzelnen Teilen der Stadt ausgegangen. Auch imMietspiegel für München 2015 sind im Durchschnitt die Mieten um 6% gestiegen.