Beim 6. Münchner Mietgerichtstag im Justizpalast hat Oberbürgermeister Dieter Reiter weitere Verbesserungen im Mieterschutz gefordert:
„Als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, einer Metropole, die unter dem Einfluss eines überragenden Bevölkerungswachstums mit nie dagewesenen Herausforderungen am Miet- und Wohnungsmarkt um- zugehen hat, ist es mir eine Herzensangelegenheit, hier heute zu Ihnen sprechen zu können – und einige Worte zu Mieterschutzrecht und Mietpoli- tik zu verlieren.
Bekanntermaßen scheiden sich an der Bewertung notwendiger und ge- rechtfertigter Eingriffe in den freien Markt der Preisbildung beim Thema Mieterschutz die politischen Geister.
Obgleich in den vergangenen zwei bis drei Jahren inhaltliche Annäherun- gen zwischen der ein oder anderen großen Volkspartei stattgefunden ha- ben – sei es aus aufkeimender Vernunft, sei es aus politischem Kalkül – bin ich der festen Überzeugung, dass wir als öffentliche Hand noch lange nicht am Ende unseres Instrumentenkastens angelangt sind, wenn es darum geht, bezahlbaren Wohnraum für weite Teile unserer Bevölkerung zu si- chern und zu erhalten.
In unserer Stadt mit wirtschaftlichem Erfolg und vielen offenen Stellen liegt aufgrund des anhaltenden Zuzugs naturgemäß die Wohnungsnachfrage weiterhin auf hohem Niveau. Dies führt zu stetig steigenden Mietpreisen auch bei Bestandsmietverhältnissen. Die derzeitige Nachfrage nach Immo- bilien als Investitionsobjekt verschärft die Situation in den Ballungsräumen wie München noch mehr.
Neben der Kappungsgrenzenverordnung, die in München seit dem Mai 2013 Mieterhöhungsforderungen auf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren begrenzt, ist auch die „Mietpreisbremse“ ein wichtiges Instrument, Miete- rinnen und Mieter vor überhöhten Forderungen zu schützen. Gleichwohl möchte ich keinen Hehl daraus machen, dass das, was im Ge- setzgebungsverfahren hinten raus kam, den ursprünglich beabsichtigten Zweck des Mietrechtsnovellierungsgesetzes meiner Auffassung nach nur noch bedingt erfüllt.
Wenn wir lesen, dass – gemessen am aktuellen Mietspiegel 2015 – etwa 55 Prozent der Neuvermietungen in München gegen die Mietpreisbremse verstoßen hätten, die umfangreichen Ausnahmetatbestände des Gesetzes jedoch nicht zu einer Absenkung derselben führen, muss die Frage erlaubt sein: Ist das wirklich das richtige Instrument?
Gerade in der Landeshauptstadt München und vielen anderen Städten mit hohem Preisniveau sorgt die Begrenzung der Wiedervermietungsmieten allein tatsächlich nicht für preisgünstigere Mieten. Dies kann und muss mit
einer intensiven Förderung der Investitionstätigkeit und des sozialen Woh- nungsbaus einhergehen.
Auch von Seiten des Bayerischen Städtetags wurde die Mietpreisbremse daher in seiner aktuellen Publikation lediglich als „Schmerzbehandlung“ tituliert.
Nur im Kanon mieterschutzrechtlicher Regelungen mit massivem Neubau können wir eine Linderung des bestehenden Wohnungsmangels bewirken und insbesondere die niedrigen Einkommensgruppen fördern. Wegen der sozialen Bedeutung der Wohnungsversorgung wird sich auch der Bund dieser Verantwortung stärker stellen müssen. Selbstverständlich sind ebenfalls wir als Kommunen gefragt und sind ebenso selbstverständ- lich dabei, unsere Hausaufgaben zu machen. Dazu wird ja gleich Frau Stadtbaurätin Prof. Merk im Fachvortrag genauere Ausführungen machen. Doch auch das muss gesagt werden: Es fällt durchaus schwer, überhaupt so viel zu bauen, wie auf anderer Seite durch die öffentliche Hand leicht- fertig dem freien Markt überlassen wird – von dem es die Stadt München dann wieder teuer zurückkauft:
Ich unterstelle, Sie alle wissen, von welchem unrühmlichen Kapitel in der Dezimierung des öffentlichen bayerischen Wohnungsbestands ich spreche. Und doch bin ich froh um das wichtige Instrument des kommunalen Vor- kaufsrechts, um bezahlbaren Wohnraum für die Münchner Mieterinnen und Mieter zu sichern.
Der Vergleich mit der Statistik von 2013 zeigt, dass 2014 mehr als doppelt so viel Wohnraum durch die Stadt München geschützt werden konnte. Zigtausende Quadratmeter Wohnfläche, die derzeit also niemand in Wohneigentum umwandeln oder luxuriös sanieren kann. Nach zum Teil Jahrzehnte dauernder Erkenntniserlangung ein Instrument, das aktuell kaum ein Vertreter des Münchner Stadtrats mehr in Frage stellen würde. Ein anderes Thema:
Durch den verstärkten Zuzug nach München, den bundesweit engsten Wohnungsmarkt und die dadurch herrschende Kräfteverteilung sind seit geraumer Zeit vermehrt Überbelegungen in Anwesen mit sehr schlechtem Erhaltungszustand zu beobachten.
Wohnungen und andere Räumlichkeiten werden betten- oder zimmer- weise vermietet. Belegungen mit mehreren Personen pro Zimmer sind dabei keine Seltenheit. Ein Phänomen, das wir auch in vielen anderen bun- desdeutschen Städten beobachten können.
Um Missstände eindämmen zu können, wäre der Neuerlass eines Baye- rischen Wohnungsaufsichtsgesetzes aus meiner Sicht ein grundlegender Baustein.
Die Landeshauptstadt München verspricht sich von einem „neuen“ Woh- nungsaufsichtsgesetz vor allem den Effekt, dass die Einhaltung von gewis-
sen Mindestanforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gefordert und durchgesetzt werden kann.
Lassen Sie mich noch einige weitere Worte zu den neuesten gesetzlichen Regelungen im Mietrecht verlieren, die aus Münchner Sicht kritisch zu be- werten sind:
Dass im Rahmen der „Mietpreisbremse” bei der Indexmiete im Gegen- satz zur Staffelmiete nur die Ausgangsmiete am Maßstab „ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent” gemessen wird ist absurd. Die jährlichen Indexpreissteigerungen werden nicht überprüft und nicht berücksichtigt. Das kann nicht richtig sein! Wir können doch nicht einem Mieterschutzinst- rument eine zulässige Umgehung gleich zur Seite stellen! Die Landeshauptstadt München ebenso wie der Deutsche Mieterbund ver- treten die Auffassung, dass Vermieter nach einer energetischen Gebäudes- anierung nicht mehr 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahres- miete aufschlagen sollen dürfen. Außerdem soll der Zuschlag nach unserer Auffassung nur zeitlich begrenzt gefordert werden dürfen. Es bleibt leider festzustellen, dass das Mietrechtsnovellierungsgesetz entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag keine Regelung zu einer Amortisation der Modernisierungskosten enthält, ebensowenig wie eine Anpassung der Härtefallklausel zum wirksamen Schutz der Mieterinnen und Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen. Und schließlich, eines meiner drängendsten Anliegen: Die von mir und der Stadt München wiederholt erhobene Forderung, den Begriff der „ortsübli- chen Vergleichsmiete“ zu ändern.
Es kann und darf nicht sein, dass Bestandsmieten, die über einen längeren Zeitraum unverändert geblieben sind, nicht in den Mietspiegel einfließen dürfen. Eine Erweiterung des zeitlichen Rahmens bzw. sogar eine Strei- chung des Vier-Jahres-Zeitraumes würde zu einem realistischen Abbild der ortsüblichen Vergleichsmiete führen. Ich setze hier große Hoffnungen in den angekündigten nächsten Aufschlag des Bundesjustizministers Heiko Maas, noch in dieser Legislatur, die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekün- digte Anpassung der Erstellungsgrundlagen im Mietspiegel zu verändern. Ich weiß die aktuellen Bemühungen und bereits erfolgten Änderungen bestehender Vorschriften durchaus zu würdigen. Aber mal ernsthaft: Eine Wohnung, ein Zuhause, ein Leben, das Menschen sich leisten können – das ist etwas völlig anderes als eine freie Preisbildung bei sonstigen All- tagsprodukten. Die überragende Wirtschaftskraft der Bundesrepublik und insbesondere unserer Stadt München legen uns eine Verantwortung auf, Lebensbedingungen gerecht zu steuern, wo es nötig ist. Ich will nicht in einer Stadt leben, in der Familien mit Kindern, Erziehe- rinnen, Krankenpfleger und sogar die Mittelschicht gezwungen sind, das
urbane Leben hinter sich zu lassen und aus angestammten Quartieren ver- drängt werden! Was hält denn unsere Stadt zusammen? Jede und jeder in dieser Stadt wirkt an seiner Stelle und trägt zum Funk- tionieren unserer Gesellschaft bei. Unterere Einkommensgruppen und Geringverdiener, Kinder in schlechter situierten Haushalten, bedürftige Alte und andere als Spielball den freien Kräften des Marktes zu überlassen wäre schlicht eines: Sozial ungerecht!
Ein Schritt in die richtige Richtung: Von den Münchner Mieterinnen und Mietern wird die Einführung des „Bestellerprinzips“ bei Maklerverträgen sehr begrüßt, da hierdurch theoretisch bislang kaum vermeidbare Zusatz- kosten auf Mieterseite für Maklerprovisionen eingespart werden können. Doch auch da darf man nicht die Augen davor verschließen, welche Um- gehungen der Münchner Mietmarkt bei diesem noch sehr jungfräulichen Gesetz bereits jetzt hervorbringt, etwa durch Erhöhung der Grundmiete, Ablösevereinbarungen oder „Unter-der-Hand“-Zahlungen.“