Ausgewogene Ernährung in Kindertagesstätten
Antrag Stadtrat Georg Schlagbauer (CSU-Fraktion) vom 15.2.2012
Antwort Stadtschulrat Rainer Schweppe:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Bei den von Ihnen mittels Antrag vorgebrachten Anregungen handelt es sich jedoch um eine laufende Angelegenheit. Daher obliegt deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister, weshalb eine Beantwortung auf diesem Wege erfolgt.
Für die verzögerte Bearbeitung bitte ich um Entschuldigung.
In Ihrem Antrag baten Sie darum, in den Münchner Schulen und Kindertageseinrichtungen „im Rahmen einer Aufklärungskampagne über die Vorteile einer ausgewogenen und gesunden Mischkost“ zu informieren. Es soll „vorurteilsfrei und unbefangen und ebenso objektiv über die Bedeutung von Lebensmitteln tierischer Herkunft für die tägliche Ernährung informiert werden. Eine Beschränkung auf vegetarische oder vegane Kost“ soll nicht stattfinden.
Hierzu kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Die Landeshauptstadt München betreibt vielfältige Formen von Einrichtungsarten innerhalb der Kindertagesbetreuung: In Kinderkippen werden die Kinder in der Regel von der neunten Lebenswoche bis zum Alter von drei Jahren, in Kindergärten die Altersgruppe von drei bis ca. sechs Jahren und in Horten und Tagesheimen zumeist Kinder zwischen sechs und maximal 14 Jahren betreut. Darüber hinaus gibt es auch altersgemischte bzw. familienorientierte Betreuungsformen. Dies sind Häuser für Kinder.
Der Speiseplan und die Mahlzeiten in diesen Kindertageseinrichtungen werden vor dem Hintergrund einer alters- und bedarfsgerechten, vollwertigen und abwechslungsreichen Ernährung erstellt und zubereitet. Grundlage zur Deckung der Bedarfe der Kinder sind die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Nährwertzusammensetzung nach den D-A-CH-Referenzwerten. Allgemein richtet sich die Speiseplangestaltung der städtischen Einrichtungen in der Mittags- und Tagesverpflegung nach den Empfehlungen der „Bremer Checkliste“ und den Empfehlungen des Forschungsinstitutes für Kinderernährung in Form der „Optimierten Mischkost“ (optimix®), welche für den „DGE-Qualitätsstan-dard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder“, den „DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung“ und das städtische Verpflegungskonzept die Grundlage bilden. All diesen Konzepten und Empfehlungen ist gemein, dass eine ausgewogene Ernährung auch mit dem Verzehr von Lebensmitteln tierischer Herkunft einhergeht. Alle städtischen Kindertageseinrichtungen sind verpflichtet, diese Standards in ihrer täglichen Versorgung der Kinder im Rahmen der Kindertagesbetreuung umzusetzen. Auch den Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft wird empfohlen, sich an diesen städtischen Verpflegungsstandards zu orientieren.
In den Küchen von städtischen Kindergärten, Horten, Häusern für Kinder mit Kindern über drei Jahren und Tagesheimen werden Speisen im Verhältnis 80%/20% (tiefgekühlte oder gekühlte1 Komponenten/frische Lebensmittel) bezogen und zubereitet.2 Dabei werden arbeits- und abfallintensive oder aus lebensmittelhygienerechtlichen Gründen risikoreiche Hauptkomponenten (z.B. Fleisch, Fisch, eihaltige Speisen, Geflügel etc.) aus einem Tiefkühlkost- (sog. Cook & Freeze) bzw. Kühlkostangebot (sog. Cook & Chill, siehe Fußnote 1) bezogen und vor Ort in der Kindertageseinrichtung verzehrfertig aufbereitet. Dieser Anteil erstreckt sich über max. 80% des monetären Wareneinsatzes. Das Verpflegungskonzept der Tiefkühlmischküche ist erfahrungsgemäß vor dem Hintergrund des Einsatzes von angelerntem Küchenpersonal und teilweise technisch geringfügig ausgestatteter und räumlich beengter Küchen dennoch eine gute Möglichkeit, um ein ernährungsphysiologisch ausgewogenes und hygienisch unbedenkliches Speisenangebot aufstellen zu können. Um zudem einen Ausgleich zu den bereits an anderem Ort vorproduzierten Speisen mit höherem Conveniencegrad zu haben, werden die vorgefertigten Speisen ergänzt durch Speisen, welche in der Versorgungsküche der Kindertageseinrichtung frisch zubereitet werden (mindestens 20% bzw. künftig 30% des Wareneinsatzes = Frischkost). In Bezug auf das neue Verpflegungskonzept der Cook & Chill-Mischküche müssen hier zunächst Erfahrungen gesammelt werden.
Seit Dezember 2014 sind durch eine europaweite Ausschreibung die Qualitätsstandards für das Angebot an tiefgekühlten und neuerdings auch gekühlten Speisekomponenten (siehe Fußnote 1) für städtische Kindertageseinrichtungen vertragsrechtlich geregelt. So sind die vom Stadtrat am 27.02.2013 mit Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 10745 beschlossenen Qualitätskriterien für die Belieferung städtischer Kindergärten, Horte und Tagesheime mit diesen Produkten für die durch die Ausschreibung gewonnenen Anbieter verbindlich. Diese Kriterien wiederum wurden auf Grundlage der o.g. Konzepte und Empfehlungen formuliert, so dass das Angebot dieserLieferanten ebenfalls Speisen tierischer Herkunft in entsprechender Anzahl beinhaltet.
Seitens der Landeshauptstadt München können die o.g. Verträge vergaberechtlich lediglich für städtische Kindertageseinrichtungen abgeschlossen werden. Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft sind aber dennoch angehalten, sich ebenfalls am städtischen Verpflegungskonzept und somit auch an den Vertragsinhalten zu orientieren.
Darüber hinaus gibt es inzwischen auch eine Vielzahl an Schulen, die sich ebenfalls an diesen Vorgaben orientieren, indem sie z.B. die bei der Stadt vertraglich gelisteten Lieferanten ebenfalls wählen, sich z.B. auch durch Angebote der Vernetzungsstelle Schulverpflegung (Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) und anderer Fachstellen dahingehend beraten lassen oder sich sogar über städtische Kindertageseinrichtungen mitversorgen lassen und daher ohnehin an diese Vorgaben und aufgrund der einfacheren Küchenorganisation (nicht vertragsrechtlich) an das Angebot der jeweiligen städtischen Lieferanten gebunden sind.
In den Häusern für Kinder mit Kindern unter drei Jahren wird das Verpflegungskonzept der Tiefkühl- bzw. Cook & Chill-Mischküche mit dem Einsatz von ca. 60% Tiefkühlkomponenten bzw. Cook & Chill-Komponenten und mindestens 40% Eigenzubereitung für die Versorgung der Kinder zugrunde gelegt. Eine Fachkraft stellt unter Berücksichtigung der weitläufigen Altersmischung eine ausgewogene Ernährung aller Kinder sicher. Hierdurch wird der notwendigen Flexibilität in der Verpflegung (Speisenauswahl, -konsistenz, Mahlzeitenrhythmus) Rechnung getragen.
In den städtischen Kinderkrippen werden Kinder ebenfalls von einer Fachkraft (Koch/Köchin) über eine Frischkost-Mischküche versorgt. Dies bedeutet, dass die Speisen vor Ort täglich aus frischen Lebensmitteln (mit Einsatz eines geringfügigen Anteils an Tiefkühlrohware) zubereitet, portioniert und anschließend verzehrt werden. Auch hier erfolgt die Speiseplanung und Zubereitung der Speisen auf Grundlage der o.g. Empfehlungen und Konzepte im Sinne einer optimierten Mischkost.
Neben dem ausgewogenen Verpflegungsangebot legen alle Verpflegungs- und Betreuungsverantwortlichen in diesen Bereichen sehr viel Wert auf die Einbindung der Kinder und Jugendlichen bei der Auswahl und der Zubereitung der angebotenen Speisen, um auch die Akzeptanz dieses Angebotes bei den Kindern und Jugendlichen zu erhöhen und eine gesunde, ausgewogene Ernährung erlebbar zu machen. Dies ist in den städtischen Kindertageseinrichtungen im Sinne des Bayerischen Kinderbildungs- und-betreuungsgesetzes in den pädagogischen und hauswirtschaftlichen Konzeptionen verankert und wird in Form von Projekten wie z.B. dem pädagogischen Kochen, Erlebnisbesuchen auf dem Bauernhof, dem Bepflanzen eines eigenen Kräuterbeets sowie der Gestaltung einer gemeinsamen Esskultur (Tischgemeinschaft) und der Einbindung der Kinder bei der Speiseplangestaltung umgesetzt.
An Schulstandorten, die sich von städtischen Einrichtungen mitversorgen lassen (sog. Campusstandorte), stehen zunächst modellhaft an vier Standorten hauswirtschaftliche Fachkräfte, die grundlegend für das Verpflegungsmanagement am Standort verantwortlich sind, auch den Schulleitungen im Rahmen der Ernährungsbildung beratend zur Seite. So sind diese angehalten, auch Projekte und Maßnahmen am Standort in Bezug auf die Ernährungsbildung zu initiieren und mit ihrem Fachwissen zu unterstützen.
In Bezug auf die Ernährungsbildung an allen weiteren Schulen wird dem Stadtrat in Kürze seitens des Referats für Bildung und Sport eine Beschlussvorlage zur Beratung und Entscheidung vorgelegt.
Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1Laut Stadtratsbeschluss vom 23.11.2011 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 6751) ist bei Er- neuerung oder Neubau von Verpflegungsbereichen das Verpflegungssystem „cook & chill“ (dt. Kochen & Kühlen) zu installieren. 2Laut Stadtratsbeschluss vom 23.11.2011 (a.a.O.) ist ein Verhältnis von 70% tiefgekühl- ten/gekühlten Komponenten/30%Frischkost anzustreben. Die Rahmenbedingungen (Ausstattung, Personalstunden etc.) werden derzeit überprüft und sind ggf. sicherzu- stellen.