Am Münchner Hauptbahnhof findet seit 31. August das medizinische Erstscreening für Flüchtlinge statt. Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt, und Peter Aicher, Geschäftsführer der Ambulanz Aicher München OHG, stellten gestern die medizinische Versorgung vor. Von 11. bis 13. September kamen rund 20.000 Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. An diesem Wochenende waren insgesamt 137 Ärztinnen und Ärzte in wechselnden Schichten sowie 86 Sanitäterinnen und Sanitäter der Ambulanz Aicher im Einsatz.
So läuft die Untersuchung ab:
-Erhebung der Anamnese
-orientierende körperliche Untersuchung
-Fieber- und bei Bedarf Blutdruckmessung
-medizinische Erstversorgung
-Zuführung von akuten Fällen zu einer angemessenen ärztlichen Behandlung
-Beratung über die Möglichkeiten ärztlicher Behandlung bei gesundheitlichen Störungen, die nicht einer sofortigen Behandlung zugeführt werden müssen
„Ich bin überwältigt vom enormen Engagement der Einsatzkräfte“, sagt Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt. „Vielen der Menschen, die in München ankommen, sieht man die Strapazen der Flucht deutlich an. Sanitäter, Ärzte, Mitarbeiter der Stadt München, der Regierung von Oberbayern, der Polizei, der Feuerwehr und der Bahn stellen sicher, dass der Ablauf reibungslos funktioniert und weit wichtiger: Sie leisten unermüdlich medizinische und humanitäre Hilfe, die direkt ankommt. Gemeinsam mit den vielen ehrenamtlichen Helfern haben sie in kürzester Zeit ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut.“
„Die Menschen, die am Hauptbahnhof ankommen, sind oft körperlich geschwächt. Viele von ihnen sind dehydriert, übermüdet oder haben Wunden, die versorgt werden müssen. Chronisch Kranken fehlte es auf der Flucht manchmal an ihren Medikamenten – bei Diabetikern beispielsweise an Insulin. Unsere Ärzte und Sanitäter arbeiten gemeinschaftlich mit allen Helfern – nur so können wir eine optimale Erstversorgung gewährleisten und den Flüchtlingen gerecht werden,“ sagt Peter Aicher, dessen Organisation mit dem medizinischen Erstscreening der Flüchtlinge durch die Landeshauptstadt München beauftragt wurde.
Vom Erstscreening zur Erstuntersuchung
Im Anschluss an das Erstscreening am Hauptbahnhof werden die Flüchtlinge zu ihrer jeweiligen Erstaufnahmeeinrichtung je nach Zuordnung durch den Königsteiner Schlüssel in Deutschland gebracht. Die in München bleibenden Flüchtlinge beziehen ihr Übergangsquartier in der Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne. Sie wird von der Regierung von Oberbayern organisatorisch betreut; für die Erstuntersuchung nach § 62 Asylverfahrensgesetz zeichnet das Referat für Gesundheit und Umwelt als örtliches Gesundheitsamt verantwortlich.
So läuft die Erstuntersuchung nach § 62 Asylverfahrensgesetz ab: -allgemeine Untersuchung
-In Bayern wird das Blut der Asylsuchenden untersucht und es werden Röntgenaufnahme der Lunge gemacht, um Tuberkulose ausschließen beziehungsweise, wo notwendig, eine Behandlung einleiten zu können.
Die medizinische Versorgung nach Erstuntersuchung
Grundsätzlich steht allen Flüchtlingen, die in Bayern registriert sind, dann das System der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung. In der Bayernkaserne in München engagieren sich überdies die Refudocs, die vom RGU auch unterstützt werden. An den Verein und seine Medizinerinnen und Mediziner können sich die Flüchtlinge bei medizinischen Fragen wenden. „Die Refudocs leisten in der Bayernkaserne eine essentielle Arbeit vor Ort. Sie stehen den Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite“, sagt Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt.
In der Bayernkaserne bieten die Refudocs mit logistischer Unterstützung des RGU auch Impfungen an. Das Sachgebiet Impfwesen des RGU ar-
beitet überdies eng mit dem Stadtjugendamt zusammen und impft unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Gesundheitshaus an der Dachauer Straße. Das Angebot an die Flüchtlinge basiert auf deren Freiwilligkeit, in Deutschland gibt es keine Impfpflicht.
„Bei vielen Flüchtlingen ist der Impfstatus nicht bekannt – sie kommen aber größtenteils aus Ländern, wo die wichtigsten Impfungen erfolgten und haben theoretisch eine gute Grundimmunisierung“, sagt Stephanie Jacobs. Da viele aber auf der Flucht ihre Impfbücher verloren haben, wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) die erneute Grundimmunisierung empfohlen. „Übrigens weisen auch viele Jugendliche und Erwach- sene in Deutschland deutliche Impflücken auf, beispielsweise bei Masern“, so Jacobs. „Impfungen sind immer wichtig, nicht nur für jeden Einzelnen, sondern für uns alle“, meint Jacobs. Grundsätzlich können alle Ärztinnen und Ärzte impfen, da Impfungen über das Aslybewerberleistungsgesetz erstattet werden.