Der diesjährige Geschwister-Scholl-Preis wird an den in Südafrika lebenden Historiker und Philosophen Achille Mbembe für sein Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“, eine Geschichte über Kapitalismus, Globalisierung und Rassismus, vergeben. Mit dem von der Landeshauptstadt München und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. vergebenen und mit 10.000 Euro dotierten Preis wird jährlich ein Buch ausgezeichnet, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben. Über die Vergabe hat der Kuturausschuss der Landeshauptstadt München in seiner Sitzung am 8. Oktober entschieden.
Die vorberatende Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
„Der aus Kamerun stammende, in den Vereinigten Staaten ausgebildete, heute in Südafrika lebende Historiker und Philosoph hat mit seiner Kritik der schwarzen Vernunft nicht weniger vorgelegt als eine Neuvermessung der Geschichte des Kapitalismus und der Globalisierung. Seine Hauptthese in diesem kraftvoll geschriebenen Buch lautet, dass die globalen Waren- und Kapitalströme ohne die Etablierung einer Asymmetrie zwischen den Weltteilen nicht möglich gewesen wäre. Diese Asymmetrie freilich wurde nicht abstrakt hergestellt, sondern durch eine ,schwarze Vernunft‘, durch die Erfindung des Schwarzen, des ,Negers‘ als einer pejorativen, ja schwar- zen Figur, die die Augenhöhe einer Idee der Menschheit in toto unmöglich
macht. Mbembe zeigt, dass der Rassismus keine normative Abweichung von der europäischen Aufklärung darstellt, sondern eines ihrer konstituti- ven Momente darstellt.
Die Lektüre von Mbembes Buch ist bisweilen verstörend – verstörend in der Konsequenz, die der Autor in seine Argumentation bringt. Es wird dem westlichen Leser mit seinen eigenen Mitteln vorgeführt, wie die konstitu- tive Hierarchie zwischen dem Schwarzen und dem Menschen das letztlich europäische Konzept des Menschen ad absurdum führt. Mbembes Hinweise auf die ,Afrikanisierung‘ unterschiedlicher Weltteile könnte aktueller nicht sein. Das Buch kommt genau zur rechten Zeit: Es schärft den Blick auf eine globalisierte Weltgesellschaft, die nicht nur Waren und Kapital verschiebt, sondern auch Menschen und Arbeitskraft. Vielleicht ist dieser Hinweis auf die ,Afrikanisierung‘ der Welt auch ein Hin- weis an Europa, mit seinen eigenen Versprechungen gegen die eigenen Praktiken ernst zu machen.
Somit gelingt es Achille Mbembe ein Werk vorzulegen, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbe- wusstsein wichtige Impulse zu geben.“ Der Jury unter dem Vorsitz von Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers und dem Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e. V., Michael Then, gehörten 2015 an: Jobst-Ulrich Brand vom Focus, die Publizistinnen Dr. Carolin Emcke und Dr. Ina Hartwig, der Buchhändler Ulrich Dombrowsky aus Regensburg, Dr. Lorenz Jäger von der FAZ, der Schriftsteller und Publizist Michael Krüger, Professor Dr. Armin Nassehi von der Ludwig-Maximilians-Universität/Soziologie, Thomas Rathnow von der DVA-DeutscheVerlagsAnstalt, Dr. Johan Schloemann von der Süddeutschen Zeitung und Cornelia Zetzsche vom Bayerischen Rundfunk sowie von Seiten des Stadtrats Marian Offman (CSU-Frakion), Klaus Peter Rupp (SPD-Fraktion) und Dr. Florian Roth (Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen/Rosa Liste). Beratende Mitglieder waren neben Dr. Hildegard Kronawitter (Weiße Rose Stiftung e. V.) die Stadträtinnen Ulrike Grimm (CSU-Fraktion) und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion). Die Verleihung des Preises findet im Rahmen des Literaturfests München (18. November bis 6. Dezember) am Montag, 30. November, um 19 Uhr in der großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München statt (geschlossene Veranstaltung).
Eine öffentliche Lesung findet am Dienstag, 1. Dezember, um 20 Uhr in der Buchhandlung Lehmkuhl, Leopoldstraße 45, statt.
Nähere Informationen beim Kulturreferat der Landeshauptstadt München, Katrin Dirschwigl, Telefon 2 33-2 11 96, katrin.dirschwigl@muenchen.de, und beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern, Barbara Voit, Telefon 29 19 42 41, voit@buchhandel-bayern.de, sowie im Internet unter www.geschwister-scholl-preis.de. Informationen zum Literaturfest unter www.literaturfest-muenchen.de.