Anfrage zum Artenschutz von Tieren bei Gehölzarbeiten
Anfrage Stadträtin Bettina Messinger (SPD-Fraktion) vom 26.3.2015
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 26.3.2015 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt. Für die Beantwortung der Anfrage haben Sie uns zweimalig Terminverlängerung gewährt, letztmals bis Anfang Oktober 2015. Hierfür bedanken wir uns.
Ihre Anfrage wird vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung nun wie folgt beantwortet:
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Ziel des Allgemeinen Artenschutzes ist es, den wildlebenden Tieren wäh- rend der Brutzeit (1. März bis 30. September) weder durch Fällungen noch durch Schnittmaßnahmen unnötig Nist- und Brutstätten zu entziehen. Doch auch außerhalb dieser Zeit muss auf den ‚Besonderen Artenschutz’ (der Jahreszeiten unabhängig immer gilt) geachtet werden. Trotz dieser Schutz- vorschriften kam es in letzter Zeit zu mehreren Vorfällen bei denen Eich- hörnchen und Fledermäuse getötet wurden.“
Frage 1:
Welche Möglichkeiten hat die Stadt bei privaten Grundstückseigentümern dafür zu sorgen, dass sich diese an den „Allgemeinen Artenschutz“ und den „Besonderen Artenschutz“ bei der Beseitigung und dem Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern halten und deshalb keine Tiere zu Schaden kommen?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung setzt diesbezüglich in erster Linie auf präventive Maßnahmen durch gezielte Information der betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürger und möglichst breite Öffentlichkeitsarbeit.
So weisen wir beispielsweise alle Baumeigentümerinnen und Baumeigentümer, die im Rahmen eines Antrags- oder Anzeigeverfahrens um die Genehmigung zur Fällung oder zum Rückschnitt eines Baumes nachsuchen, durch entsprechende Zusätze in den Bescheiden oder behördlichen Schreiben auf die geltenden Bestimmungen des „Allgemeinen und des Besonderen Artenschutzes“ und auf die sich daraus ergebenden Verhaltensregel hin. Gleichzeitig werden auch die im Falle eines Verstoßes drohenden buß-geldrechtlichen bzw. strafrechtlichen Konsequenzen aufgezeigt, um das Unrechtsbewusstsein zu schärfen.
Auch Bürgerinnen und Bürger, die sich lediglich über Baumfällung oder Schnittmaßnahmen informieren möchten, sei es telefonisch oder persönlich, werden, soweit einschlägig, auch über die artenschutzrechtlichen Belange, die es dabei zu beachten gilt, informiert. Entsprechendes gilt auch für die durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung im Internet bereitgestellten Informationen zum Thema Baumschutz. Auch diese Informationen gehen stets mit den Hinweisen auf die gleichzeitig zu beachtenden artenschutzrechtlichen Bestimmungen einher.
Insbesondere auch im Rahmen der Beratungen im Baugenehmigungsverfahren ist der „Allgemeine und Besondere Artenschutz“ stets ein wichtiges Thema, über das die Bauherrinnen und Bauherren frühzeitig aufgeklärt werden, um hier Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden.
Saisonabhängig informiert das Referat für Stadtplanung und Bauordnung auch im Rahmen von Pressemitteilungen über einzelne artenschutzrelevante Themen.
Darüber hinaus werden Verstöße bei entsprechender Beweislage durch die Bußgeldstelle des Referates für Stadtplanung und Bauordnung bzw. bei strafrechtlichen Tatbeständen durch die Staatsanwaltschaft München verfolgt, um die Handelnden, meist beauftragte Firmen, nicht zuletzt auch durch derartige Sanktionen entsprechend zu sensibilisieren und Wiederholungstaten zu vermeiden.
Frage 2:
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den „Allgemeinen Artenschutz“ und den „Besonderen Artenschutz“ auf städtischen Grundstücken sicher- zustellen?
Antwort:
Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden das Baureferat, das Kommunalreferat sowie das Referat für Gesundheit und Umwelt entsprechend ihrer jeweiligen Verantwortlichkeiten um Stellungnahme gebeten. Diese teilten uns Folgendes mit:
Baureferat:
Das Baureferat erläutert hinsichtlich der von ihm verwalteten oder von ihm als Dienstleister betreuten Grundstücke folgende Vorgehensweise:Das Baureferat vermittelt seinen für Baumpflege verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen von externen und internen Schulungen und Fortbildungen die Vorgaben der Naturschutzgesetze. So waren bei den Deutschen Baumpflegetagen 2014 in Augsburg mehrere Fach-
referate, die sich dem „Allgemeinen und dem Besonderen Artenschutz“ widmeten. Ebenso beim Bayerischen Baumforum 2015 in Freising-Weihenstephan.
Beide Veranstaltungen wurden von einer größeren Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hauptabteilung Gartenbau besucht, die dann intern als Multiplikatoren wirken. Im nächsten Inhouse-Schulungsprogramm, das beim Baureferat HA Gartenbau regelmäßig in den Wintermonaten durchgeführt wird, ist eine Vertiefung der Thematik mit externen Fachleuten geplant.
Um bei notwendigen Fällungen keine genutzten Brut- und Nistplätze versehentlich zu beseitigen, ist seit einigen Jahren auf den durch eine Dienstanweisung vorgegebenen Meldebögen für Fällungen, die über die Abteilungsleitungen und die Hauptabteilungsleitung an die Bezirksausschüsse und die Untere Naturschutzbehörde geleitet werden, ein Angabenfeld „Höhlungen“ mit auszufüllen. Treten Höhlungen auf, müssen diese vor einer notwendigen Schnittmaßnahme oder Fällung sorgfältig auf eventuelle Bewohner untersucht werden. Dazu kommt ein speziell zu diesem Zweck vor einigen Jahren angeschafftes Endoskop zum Einsatz. In Einzelfällen werden auch externe Expertinnen und Experten hinzu gezogen.
Kommunalreferat:
Das Kommunalreferat führt als Immobiliendienstleister für städtische Liegenschaften auf den von ihm verwalteten Flächen Pflege-, Baumschnitt- oder Baumfällarbeiten in der Regel nicht selbst durch. Fallen Gehölzarbeiten an, wird hierfür das Baureferat Hauptabteilung Gartenbau eingeschaltet, das die Maßnahmen entweder selbst durchführt bzw. ausführen lässt. Die Überwachung des Artenschutzes wird somit durch die speziell ausgebildeten und geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Baureferates sichergestellt (siehe oben).
In den tangierten Bereichen des Kommunalreferates werden zur Gewährleistung des Artenschutzes abwechselnd Teilflächen bei größeren Grundstücken grundsätzlich nicht bearbeitet und somit der Fauna Möglichkeit zum Unterschlupf geboten. Liegen bei städtischen Flächen Biotope vor, wird standardmäßig die Untere Naturschutzbehörde eingebunden.Außerdem wird in den betrieblichen Abläufen der Stadtgüter München der Schutz und die Pflege von wild lebenden Pflanzen- und Tierarten in ihrer natürlichen und ursprünglichen gewachsenen Artenvielfalt durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt und gefördert. Hierbei steht vor allem die Erhöhung der Lebensraum- und Strukturvielfalt im Vordergrund. Dies umfasst sowohl den Erhalt von Grünland als auch die Errichtung von Blühstreifen und Landschaftselementen. Der Artenschutz von Tieren wird ebenfalls in der jährlichen Baumkontrolle der Stadtgüter München sichergestellt. Diese erfolgt ausschließlich über einen qualifizierten Baumkontrolleur oder eine qualifizierte Baumkontrolleurin oder über Fachfirmen. Im Zeitraum ab 1. März bis 30. September werden keine Schnittmaßnahmen durchgeführt, so dass Nist- und Brutstätten geschützt werden. Bei erforderlichen Schnitt- und Pflegemaßnahmen außerhalb der Brutsaison werden die Gehölze im Vorfeld durch externe Spezialistinnen und Spezialisten auf eventuelle Bewohner untersucht.
Für die Forstwirtschaft bestehen nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine Reihe von Ausnahmeregelungen in Bezug auf den Natur- und Artenschutz. Das Verbot von Baumschnittmaßnahmen in der Zeit zwischen dem 1. März und dem 30. September nimmt den Bereich des Waldes explizit aus. Die städtische Forstverwaltung des Kommunalreferates hält sich jedoch, insbesondere in stadtnahen Gebieten, freiwillig an diese Regelung. Bei den übrigen forstwirtschaftlichen Maßnahmen müssen eine Vielzahl von naturschutzrechtlichen Vorgaben beachtet und eingehalten werden. So dürfen beispielsweise Höhlenbäume nicht gefällt werden, da sie auf Grund des Naturschutzrechtes geschützt sind.
Referat für Gesundheit und Umwelt – Städtische Friedhöfe München: Die Gehölzarbeiten auf den Städtischen Friedhöfen sind an das Baureferat Hauptabteilung Gartenbau vergeben und erfolgen unter Beachtung der naturschutzrechtlichen Vorgaben zum Schutz von Nist- und Brutplätzen. Auf die bereits dargestellten Maßnahmen und Verfahrensweisen des Baureferates wird Bezug genommen.
Darüber hinaus trägt eine breite Palette konkreter Maßnahmen seitens des Referats für Gesundheit und Umwelt im Bereich der städtischen Friedhöfe dazu bei, den „Allgemeinen sowie den Besonderen Artenschutz“ zu gewährleisten. Der Schutz der ausgewiesenen Biotopflächen hat bei der Grünpflege Vorrang. Besonders ausgewiesene Friedhofsflächen werden extensiv gepflegt, um möglichst ein breites Artenspektrum zu entwickeln. Einer der Schwerpunkte in den letzten Jahren war die Artennachkartierungfür den als Landschaftsbestandteil geschützten Alten Südlichen Friedhof, inklusive einem Pflege- und Entwicklungsplan. Letzterer ist mit seinen Hinweisen zu Höhlenbäumen bzw. zu den Nist- und Brutplätzen der Boden- und Strauchbrüter eine wichtige Grundlage für den Artenschutz und stellt die Vorgabe für Baum- und Grünpflege auf diesem Friedhof dar.
Neben diesen grundlagenbezogenen Maßnahmen werden jedoch auch
ganz praktische Maßnahmen ermöglicht. Zum Beispiel können Hobby-Imkerinnen und Hobby-Imker an geeigneten Plätzen ihre Bienenstöcke aufstellen. Nistkästen des Landesbunds für Vogelschutz bieten der Vogelwelt auf den städtischen Friedhöfen zusätzliche Nist- und Brutmöglichkeiten.
Frage 3:
Welche Maßnahmen werden ergriffen, den „Besonderen Artenschutz“ nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz durchzusetzen? Dieser verbietet die Zerstörung tatsächlich vorhandener oder regelmäßig benutzter Brut- oder Nistplätze besonders geschützter Arten, z.B. Spechthöhle im Baumstamm oder die von Fledermäusen regelmäßig benutzte Baumhöhle.
Antwort:
Im Bereich des „Besonderen Artenschutzes“ setzt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung auf die gleichen Instrumentarien wie beim „Allgemeinen Artenschutz“. Das sind in erster Linie gezielte Information und Öffentlichkeitsarbeit. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
Frage 4:
Wie kann aus Sicht der Verwaltung die Sensibilität für den Artenschutz bei Grundstückseigentümern und Gartenbaufirmen erhöht werden?
Antwort:
Das Thema Artenschutz war sowohl bei den Deutschen Baumpflegetagen 2014 in Augsburg, an dem sehr viele Fachfirmen aber auch Behördenvertreterinnen und -vertreter teilnehmen, Gegenstand mehrerer Fachvorträge; ebenso beim Bayerischen Baumforum 2015 in Freising-Weihenstephan. Dies zeigt beispielhaft die Aktualität des Themas sowie das Informationsinteresse in Fachkreisen und die Sensibilität der Veranstalter für Naturschutzfragen.
Darüber hinaus wird es auch weiterhin erforderlich sein, durch gezielte Informationen im konkreten Einzelfall sowie durch breite Öffentlichkeitsar-beit, aber auch durch konsequente Sanktionierung von Verstößen den Belangen des Artenschutzes entsprechendes Gewicht zu verleihen und die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Frage 5:
Was unternimmt die Stadt konkret, wenn gegen die Vorschriften zum Ar- tenschutz verstoßen wird?
Antwort:
Verstöße werden bei entsprechender Beweislage an die Bußgeldstelle des Referates für Stadtplanung und Bauordnung zur Ahndung bzw. an die Staatsanwaltschaft München zur Verfolgung der strafrechtlichen Verdachtsfälle weiter geleitet.
In einem gesonderten verwaltungsrechtlichen Verfahren wird beim Referat für Stadtplanung und Bauordnung – Untere Naturschutzbehörde über die Möglichkeiten der Kompensation bzw. Ausgleichsmaßnahmen, z.B. Ersatznistkasten, im Rahmen des Verstoßes entschieden.
Ferner hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung – Untere Naturschutzbehörde die Möglichkeit, durch naturschutzrechtliche Anordnungen Maßnahmen zu veranlassen, um artenschutzrechtliche Verstöße zu verhindern bzw. zu minimieren. Eine vorbeugende Anordnungsbefugnis ist vom Gesetzgeber nicht eröffnet worden.