Der Münchner Stadtrat hat auf Initiative des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) mit großer Mehrheit beschlossen, einen Appell an die Bundesregierung und den Bundesrat zu richten, wonach insbesondere ökologische und kommunale Aspekte in dem neuen Wertstoffgesetz stärker berücksichtigt werden müssen.
Der Münchner Appell ist die Antwort auf das Eckpunktepapier zum neuen Wertstoffgesetz, auf das sich die Koalition im Juni geeinigt hatte. Gerade in diesem Eckpunktepapier sieht der Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb aber erhebliche Schwachstellen.
„Als Kommune muss es aus Gründen des Umwelt- und Ressourcenschutzes unser Ziel sein“, so Axel Markwardt, Kommunalreferent der Stadt München und Erster Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München, „die Recyclingquote der Münchner Siedlungsabfälle zu erhöhen“. Und Recycling bedeutet, Abfälle stofflich wieder zu verwerten, im Gegensatz zur energetischen Verwertung, bei der die Abfälle verbrannt werden. Recycling mache allerdings nur dann Sinn, wenn es technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist und wenn zudem am Markt eine Nachfrage für die aus dem Recycling gewonnen Sekundärrohstoffe besteht. „Unter keinen Umständen darf es dazu führen, dass Schadstoffe im Kreislauf geführt oder durch Recycling sogar aufkonzentriert werden. Giftstoffe in Kinderspielzeugen und Kleidungsstücken darf es nicht mehr geben“, sagt Markwardt. „Wir als Kommune müssen genau darauf achten, dass die Ökologie beim Geldverdienen nicht unter die Räder kommt“.
Dies genau ist aber laut Helmut Schmidt, Zweiter Werkleiter des AWM und Vorsitzender des Landesgruppe Bayern des Verbands kommunaler Unter nehmen (VKU), der Fall, insbesondere bei den so genannten Leichtverpackungen: Das sind Verkaufsverpackungen wie beispielsweise Konservendosen, Tetrapack, Jogurtbecher und vieles mehr. In München werden diese Verpackungsabfälle über die Wertstoffinseln eingesammelt, zuständig für die Sammlung und die Entsorgung sind die Dualen Systeme, also private Unternehmen oder Entsorgungsfirmen, die von der Privatwirtschaft beauftragt sind. Für diese Entsorgung bezahlt der Verbraucher bereits beim Kauf eine im Preis enthaltene Entsorgungsgebühr.„Wieviel das ist, ist absolut intransparent und für den Verbraucher nicht erkennbar“, so Helmut Schmidt. Und: Nur rund 20 Prozent der Kunststoffverpackungen werden tatsächlich recycelt. Denn im Wettbewerb werde oft die billigste Verwertung gewählt und das sei nicht das Recycling, so Schmidt. „Außerdem sind die Dualen Systeme gekennzeichnet durch enorme Bürokratiekosten, die je nach Betrachtungsweise zwischen 200 und 400 Millionen Euro jährlich betragen. Und das ohne Nutzen für die Bürger und für die Ökologie“, so Schmidt. Die in der Verpackungsverordnung und im Eckpunktepapier für das neue Wertstoffgesetz verankerte „Produktverantwortung“ sei so auf die Bezahlung von Lizenzgebühren reduziert. „Wir aber fordern“, betont Schmidt „dass die Produktverantwortung mit einer ökologischen Lenkungswirkung verbunden ist“. Dass dies bis jetzt nicht der Fall ist, zeigen die Zahlen: Ökologisch sinnvoll wäre es laut AWM, die Verpackungsabfälle so weit wie möglich zu reduzieren. Das bedeutet: weniger Einweg, mehr Mehrweg. „Seit Einführung der Dualen Systeme haben aber – nach einem anfänglichen Rückgang – die Mengen an Verpackungsabfällen stetig zugenommen. Seit 2003 um insgesamt 25 Prozent“, weiß Schmidt. Die Mehrwegquote ist von anfänglich über 70 Prozent mittlerweile unter 50 Prozent gesunken.
Deshalb fordert der Münchner Appell, dass im neuen Wertstoffgesetz die Hoheit über die Stoffströme der Siedlungsabfälle in kommunaler Hand sein soll. Nur dann sei eine ökologische Verwertung garantiert. Für eine bessere Schlagkraft sollten dafür auch andere politische Organisationen wie Städte- Gemeinde- und Landkreistag ebenso wie die kommunalen Spitzenver-
bände eingebunden werden.
Münchner Appell zum geplanten Wertstoff-Gesetz
„Das BMUB plant noch in diesem Jahr den Arbeitsentwurf für ein Wert- stoffgesetz vorzulegen. Basis für dieses Wertstoffgesetz soll das Eckpunk- tepapier (siehe Anlage 1) sein, das die beiden Regierungsfraktionen CDU/ CSU und SPD am 12. Juni 2015 vereinbart haben. Dieses Eckpunktepapier ist aus den nachstehenden Gründen abzulehnen:
- Ein Wertstoffgesetz ist nur sinnvoll, wenn damit die Schwachstellen der Verpackungsverordnung behoben werden. Dies ist nicht der Fall.
-Für die Bürger darf es bezüglich Abfallentsorgung nur noch einen An- sprechpartner geben, da eine geteilte Zuständigkeit für die Bürger nicht nachvollziehbar ist.
-Die Organisationsverantwortung für die Siedlungsabfall-Entsorgung muss wieder vollständig den Kommunen übertragen werden. Nur so kann eine ökologisch hochwertige Abfallwirtschaft planvoll gesteuert werden.
-PPK- und Metallverpackungen sollen ganz aus dem Regime der Verpa- ckungsentsorgung herausgenommen werden, da sie bereits heute zu über 80 Prozent von den Kommunen dem Recycling zugeführt werden. Altglas wurde bereits vor Inkrafttreten der Verpackungsverordnung sepa- rat gesammelt.
-Regelungen zur Produktverantwortung, die sich auf die Finanzierungsver - antwortung beschränken, werden abgelehnt, weil sie zu volkswirtschaft- lichen Fehlallokationen führen, da die Bürgerinnen und Bürger keinerlei Information über Verwertungskosten erhalten.
- Bei der Abfallverwertung muss deutlich mehr Wert auf die Qualität der Endprodukte gelegt werden, da nur Sekundärrohstoffe mit hoher Out- putqualität am Markt nachgefragt werden. Abfallrecycling ist nur sinnvoll, wenn Recycling technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Fer - ner darf es nicht dazu führen, dass Schadstoffe im Kreislauf gefahren oder gar aufkonzentriert werden. Außerdem muss für die erzeugten Se- kundärrohstoffe eine Nachfrage am Markt gegeben sein.
- Eine Wertstoffentsorgung in der Hand der Privatwirtschaft wie im Eck- punktepapier vom 12. Juni 2015 vereinbart, wird abgelehnt, weil damit die Rolle der Kommunen auf eine reine Reservegewährleistungsfunktion reduziert würde; diese verursacht jedoch enorme Kosten, die die Abfall- gebühren massiv in die Höhe treiben würden.“ Der Stadtrat der Landeshauptstadt München appelliert daher an die Bun- desregierung, den Bundestag und die Landesregierungen sowie den Bun- desrat alles dafür zu tun, dass ein Wertstoff-Gesetz nur dann verabschiedet wird, wenn die oben genannten Forderungen erfüllt sind.“ Der vollständige Text des „Münchner Appells zum neuen Wertstoffgesetz“ kann angefordert werden bei der Pressestelle des AWM: Evi Thiermann, Telefon 2 33-3 10 02, E-Mail unter evi.thiermann@muenchen.de und Helga Seitz, Telefon 2 33-3 10 04, E-Mail: helga.seitz@muenchen.de.