Geschlechtergerechte Sprache – Übertreibt die Landeshauptstadt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Richard Progl und Ursula Sabathil (Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/ Bayernpartei) vom 30.6.2015
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
Die LHM legt großen Wert auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Dies betrifft auch die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache. Nach Ihrer Ansicht wird in manchen Fällen aber übertrieben. Als Beispiel wird ein VOF-Vergabeverfahren der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung mbH (MGS) genannt, bei dem die Unterlagen eines Auftragnehmers wegen mangelnder geschlechtergerechter Sprache zurückgewiesen worden wären.
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Warum werden Unterlagen städtischer Auftragnehmer mit den oben be- schriebenen Formulierungen zurückgewiesen? Wie viele derartige Fälle sind der Stadt aus den letzten Jahren bekannt?
Antwort:
Es ist kein Fall bekannt, bei dem die Vergabestellen oder das Submissonsbüro des Baureferats Unterlagen von Auftragnehmern wegen mangelnder geschlechtergerechter Sprache zurückgewiesen haben.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Münchner Gesellschaft für Stadt- erneuerung achten bei der täglichen Arbeit darauf, im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch die weiblichen Bezeichnungen zu verwenden. Dabei wird die Übersichtlichkeit und gute Lesbarkeit beachtet. Jedoch macht die MGS weder in VOF-Vergabeverfahren noch in anderen Zusammenhängen gegenüber Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern Vorschriften zur Verwendung von weiblichen und männlichen Bezeichnungen. Unterlagen von sich bewerbenden oder beauftragten Unternehmen werden folglich nicht zurückgewiesen.
Frage 2:
Gab es Fälle, in denen Bewerber nicht zum Zug kamen bzw. Unterlagen final abgelehnt wurden wegen „Mängeln“ in der geschlechtergerechten Formulierung?Antwort:
Die Vergabestellen und das Submissionsbüro des Baureferats haben keine Bewerbungsunterlagen wegen mangelnder geschlechtergerechter Sprache zurückgewiesen. Dementsprechend sind keine Angebote wegen „Mängeln“ in der geschlechtergerechten Formulierung ausgeschlossen worden.
Frage 3:
Wann und wo wurden die Kriterien für geschlechtergerechte Sprache fest- gelegt? Gibt es hierzu einen Stadtratsbeschluss?
Antwort:
Für die Durchführung von Vergabeverfahren gibt es keine Regelung, wonach Unterlagen von sich bewerbenden oder beauftragten Unternehmen zurückgewiesen werden müssen, wenn sie nicht geschlechtergerecht formuliert sind. Eine solche Regelung würde dem derzeitigen Vergaberecht widersprechen und ist daher nicht zulässig.
Die innerstädtischen Vorschriften zu Personenbezeichnungen, Veröffentlichungen und Bekanntmachungen der Stadtverwaltung, zum schriftlichen Geschäftsverkehr sowie zur Gestaltung von Vordrucken sind in der Allgemeinen Geschäftsanweisung der LHM (AGAM) geregelt. Die AGAM wird vom Oberbürgermeister verfügt.
Frage 4:
Aus welchen Gründen setzt die LHM hier strengere Maßstäbe an als Gremien wie beispielsweise der Bayerische Städtetag?
Antwort:
Weder der Bayerische Städtetag noch die LHM weisen Unterlagen von sich bewerbenden oder beauftragten Unternehmen wegen mangelnder
geschlechtergerechter Sprache zurück.
Das Wissen um die Bedeutung der Sprache zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit ist Grundlage städtischen Handelns. Die Gleichstellung von Frauen und Männern soll bei allen politischen und verwaltenden Maßnahmen der Stadt gefördert werden. In der Verwaltungssprache sollen daher zur Anrede und Bezeichnung von Frauen und Männern geschlechtsbezogene Bezeichnungen verwendet werden.Sprache ist nicht nur ein wichtiges Verständigungsmittel, sondern gleichzeitig auch Bewusstseinsträger. Den Wandel des Sprachgebrauchs bei der Verwendung von Personenbezeichnungen unterstützt die Stadt deshalb aktiv. Vor diesem Hintergrund wurden die Vorschriften in der AGAM zur geschlechtergerechten Sprache formuliert.