Überlastete medizinische Infrastruktur in den Münchner Asylanten- Erstaufnahmeeinrichtungen – wie sicher ist die Bevölkerung?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 7.9.2015
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Der anhaltende Massenzustrom von ‚Flüchtlingen’ stellt alle beteiligen Einrichtungen und städtischen Stellen vor erhebliche Belastungen. Aus Nordrhein-Westfalen wurde dieser Tage berichtet, dass 90 Prozent der Neuzugänge in den dortigen Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr auf ansteckende Krankheiten hin untersucht werden können. Auch in NRW muss eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten den gel- tenden Bestimmungen zufolge zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen. Tatsächlich dauert es derzeit – berichtet das WDR-Magazin ‚Westpol’ unter Berufung auf die Bezirksregierung Arnsberg – jedoch zum Teil mehrere Wochen, bis die Untersuchung durchgeführt wird. Auch die zwingend vor- geschriebene Röntgenaufnahme der Lunge, mit der eine TBC-Erkrankung erkannt werden kann, findet häufig nicht in den ersten Tagen nach der Ankunft der ‚Flüchtlinge’ statt. Vor diesem Hintergrund forderte inzwischen der Präsident der Bundesärztekammer, Montgomery, dass ‚Flüchtlinge’ binnen drei Tagen einen Arzt sehen müssten: ‚Es ist aus seuchenpoliti- schen Gründen schwer akzeptabel, dass diese Erstuntersuchungen nicht schnell durchgeführt werden. Das beinhaltet auch eine Gefährdung für die Bevölkerung in Deutschland’ (Zitate nach: http://www.dernewsticker. de/news.php?title=NRW%3A+Viele+FI%FCchtlinge+werden+ nicht+a uf+ansteckende+Krankheiten#untersucht&id=309485i=hkrddp;abgeru fen:07.09.2015, 1.33 Uhr; KR). Es stellen sich Fragen nach der Situation in München.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Inwieweit musste die in den letzten Jahren angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen bereits mehrmals personell und materiell „nachgerü- stete“ medizinische Infrastruktur in den Münchner Erstaufnahmeeinrich- tungen vor dem Hintergrund der aktuellen Zugangszahlen weiter auf- gestockt werden? In welchem Umfang musste seit Jahresbeginn 2015 zusätzliches medizinisches Gerät – z.B. Röntgengeräte – angeschafft und medizinisches Personal zugeschaltet werden?Antwort:
Mit Stadtratsbeschluss „Durchführung von Untersuchungen nach § 62 Asylverfahrensgesetz – weitere Zunahme des Personalbedarfs“ (V 14-20/ V 02323 vom 4.3.2015 VV) wurden 5,5 Stellen im ärztlichen Bereich, 9,5 Stellen im Verwaltungsbereich und 2,5 Stellen im medizinischen Assistenzbereich genehmigt. Medizinisches Gerät ist im Jahr 2015 nicht beschafft worden.
Frage 2:
Inwieweit können die vorgeschriebenen medizinischen Untersuchungen an Flüchtlingen auch angesichts der erheblichen Zugangszahlen der letzten Wochen zeitnah vorgenommen werden?
Antwort:
Das medizinische Erstscreening erfolgt für alle ankommenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber unmittelbar nach ihrer Ankunft in München. Die Untersuchungen nach § 62 AsylVfG werden auf Anforderung der Regierung von Oberbayern durchgeführt. Die vom RGU zur Verfügung gestellten Untersuchungskapazitäten sind ausreichend.
Frage 3:
Zahlen: Wie entwickeln sich die Zahlen der vorgenommenen medizini- schen Untersuchungen an Flüchtlingen seit Jahresbeginn 2015 (bitte mo- natsweise angeben!)
Antwort:
Untersuchungen nach § 62 AsylVfG:
Erstscreening 2015
Die Statistik wurde erst ab April 2015 geführt.Das Erstscreening am Hauptbahnhof wurde zum 11.8.2015 eingeführt und ist in die o. g. Statistik eingeflossen.
Der Unterschied zwischen den Gesamtzahlen der Untersuchung nach § 62 AsylVfG und den Erstscreening-Untersuchungen resultiert daraus, dass eine Erstscreening-Untersuchung alle in München ankommende Flüchtlinge erhalten, während die Untersuchung nach § 62 AsylVfG ausschließlich bei den Flüchtlingen durchgeführt wird, die in München verbleiben.
Frage 4:
Wie entwickelten sich die bei den Untersuchungen zutagegetretenen Fälle von a) HIV I und II-, b) Hepatitis B-, c) Tbc-, d) TPE-Ruhr-, Cholera-Er- krankungen, f) Darmparasiten, g) anderen übertragbaren Krankheiten seit Jahresbeginn 2015 (bitte jeweils Fallzahlen mit möglichst aktuellem Stand aufführen!)?
Antwort:
Im RGU wird die Gesamtzahl aller meldepflichtige Infektionen für das Stadtgebiet München erfasst. Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden nicht gesondert geführt.
Für den abgefragten Zeitraum von Jahresbeginn bis einschl. August 2015 liegen folgende Meldezahlen für die genannten Erkrankungen (HIV, Hepatitis B akut, TBC, TPE Ruhr-Cholera-Typhus, Paratyphus, Enteritiden, Shigellen Ruhr, Cholera und Giardia lamblia) vor.
Zudem sind eine Vielzahl anderer Erkrankungen meldepflichtig nach Infektionsschutzgesetz. Die Gesamtzahl aller Meldungen im Stadtgebiet München bis 8/2015 betrug 5624.
Wegen der bei der HIV Infektion ausschließlich bestehenden Labormeldepflicht nach Infektionsschutzgesetz werden diese Infektionen anzahlmäßig für die Wohnbevölkerung Münchens nicht erfasst, wohl aber für den Asylbereich gemäß § 62 AsylVfG.
Im Falle einer akuten Hepatitis B oder HIV Infektion erfolgen Aufklärung und Beratung für das Stadtgebiet München durch das RGU.Frage 5:
Inwieweit kann das Referat für Gesundheit und Umwelt eine Gefährdung für die Bevölkerung ausschließen, wie sie vom Präsidenten der Bundesärz- tekammer als Folge einer überlasteten medizinischen Infrastruktur in den Erstaufnahmeeinrichtungen angesprochen wird?
Antwort:
Die medizinische Infrastruktur in München ist intakt. Alle in München ankommenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber durchlaufen das me-
dizinische Erstscreening, die in München verbleibenden werden auf Veranlassung der Regierung von Oberbayern nach § 62 AsylVfG untersucht. Bestehende Erkrankungen werden im Rahmen der § 62 Untersuchung
frühzeitig erkannt und einer Behandlung zugeführt. Eine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung Münchens durch die Flüchtlinge besteht aus Sicht des RGU nicht.