Anfrage zur „Stadtzigarette“ und den Namensrechten der Stadt München
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Rathaus Umschau 235 / 2015, veröffentlicht am 08.12.2015
Anfrage zur „Stadtzigarette“ und den Namensrechten der Stadt
München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Bettina Messinger, Alexander Reissl und Beatrix Zurek (SPD-Fraktion) vom 26.10.2015
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 26.10.2015 nehme ich Bezug.
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt: „In München wird eine sogenannte ‚Stadtzigarette’ mit dem Namen Mün- chen und der Stadtsilhouette angeboten. Der Werbeslogan richtet sich an Lokalpatrioten und die, die sich verbunden fühlen. Die gleiche Firma bietet auch ‚Stadtzigaretten’ der Städte Berlin, Hamburg und Köln an.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wird dadurch ein Eindruck erweckt, es handele sich um ein Angebot der Landeshauptstadt München?
Antwort:
Vermutlich will die vertreibende Firma aus dem positiven Image, das mit der Stadt und dem Städtenamen „München“ verbunden ist, Kapital schlagen. Es besteht die Befürchtung, dass ein unbefangener Beobachter davon ausgehen könnte, dass die Firma den Städtenamen mit Zustimmung der Landeshauptstadt München zur Kennzeichnung ihrer Produkte verwendet bzw. dass sie die Zigaretten im Namen der Stadt vermarktet. Dies kann wegen des Zusammenhangs mit dem Vertrieb von Tabakprodukten wenigstens einen „Imageschaden“ für die Landeshauptstadt München zur Folge haben, die sich aktiv für den Nichtraucherschutz einsetzt.
Bei der Stadtverwaltung ist bereits eine Bürgerbeschwerde eingegangen, die den Vertrieb der „München“-Zigaretten beanstandet.
Frage 2:
Ist die Verwendung des Namens München rechtlich möglich?
Antwort:
Es spricht viel dafür, dass hier eine Namensrechtsverletzung vorliegt. Darüber hinaus steht ein unbefugter Gebrauch des kleinen Stadtwappens in Rede, da das „Münchner Kindl“ auf den Zigarettenpackungen sehr klein und nur leicht abgewandelt abgebildet ist.Der Städtename „München“ genießt rechtlichen Schutz nach § 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Grundsätzlich gehen viele Fundstellen in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die unbefugte Kennzeichnung eines Produkts mit einem fremden Namen in aller Regel eine Zuordnungsverwirrung auslöst. Niemand müsse es dulden, mit einem Produkt in Beziehung gebracht zu werden, mit dem er nichts zu tun hat. Zur Bejahung einer Namensrechtsverletzung genügt es dabei, wenn bei den relevanten Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck erweckt wird, dass der Namensträger entweder selbst hinter dem Vertrieb des Produkts stehe oder dass er der Verwendung seines Namens auf dem Produkt zugestimmt habe.
Bei der Verwendung von Städtenamen zur Produktkennzeichnung ist jedoch zu beachten, dass der Name „München“ auch als rein geografische Bezeichnung (Stadtgebiet München), als personaler Sammelbegriff (die Münchner Bürgerinnen und Bürger) oder als Herkunftshinweis (aus München) verstanden werden kann. Rechtsprechung und Literatur sind in Bezug auf den nötigen Nachweis der „namensrechtsverletzenden Zuordnungsverwirrung“ bei Städtenamen nicht völlig konsistent und halten teilweise eine Verkehrsbefragung für erforderlich. Auch aus diesem Grund wird die Verwendung des Namens „München“ auf T-Shirts, Andenkenartikeln o.ä. in aller Regel nicht beanstandet.
Im vorliegende Fall besteht aber die Besonderheit, dass die Zigaretten ausdrücklich als „Die Stadtzigarette MÜNCHEN“ beworben werden. Zudem berührt gerade die Werbung für Suchtmittel die städtischen Interessen besonders intensiv. Die Landeshauptstadt München hat ein erhebliches Interesse daran, dass ihr Name nicht mit gesundheitsgefährdenden Tabakprodukten in Verbindung gebracht wird.
Die Rechtsabteilung des Direktoriums hat die vertreibende Firma daher mit Schreiben vom 9.11.2015 aufgefordert, Herstellung, Bewerbung und Vertrieb der „München“-Zigarettenpackungen einzustellen.
Frage 3:
Im Fall einer Rechtsverletzung: Welche namensrechtlichen Abwehrrechte stehen der öffentlichen Hand zur Verfügung? Wenn kommunale Namen als Wortmarken für die Gemeinde grundsätzlich nicht schutzfähig sind, kommt ein anderweitiger Rechtsschutz in Betracht, dies insbesondere gegen Irreführungen durch Waren oder Dienstleistungen, die nicht aus dem be- treffenden Ort stammen? Liegt eine Qualitätstäuschung durch vorgebliche Ortsansässigkeit vor?
Antwort:
Das städtische Namensrecht kann gegenüber Privaten nur auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden.
Darüber hinaus schützen sowohl das UWG (insb. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG) als auch das MarkenG (§§ 126 ff MarkenG) den Verkehr vor unrichtigen Herkunftshinweisen auf Produkten.
Ortsangaben (auch in substantivischer Form), die als solche erkennbar sind, versteht der Verkehr regelmäßig als geographische Herkunftsangaben. Für den Charakter einer solchen spricht eine tatsächliche Vermutung (Beweisregel), solange nicht eine andere Bedeutung der Bezeichnung – etwa als Phantasiebezeichnung oder als reine Beschaffenheitsangabe – feststeht.
Als Phantasiebezeichnung wird eine geographische Bezeichnung ge-
braucht, wenn der angegebene Ort nach seiner Eigenart oder nach der Besonderheit der Ware als Produktionsstätte erkennbar nicht in Betracht kommt (BGH GRUR 57, 430, 431 – „Havana“ für Rasierklingen, nicht für Zigarren; „Capri“ für Kraftfahrzeuge); ferner, wenn die Ortsbezeichnung dem Verkehr als solche unbekannt ist oder wenn sie zu einer bloßen Modell-, Sorten- oder Kollektivbezeichnung (Modell „Hamburg“, „München“, „Wien“ für Radios) denaturiert ist (vgl. Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 6. Aufl. 2014 § 5 Rn. 347).
Im Fall der „München“-Zigaretten erscheint schon fraglich, ob die Verwendung „München“ auf den Zigarettenpackungen überhaupt als Herkunftshinweis angesehen werden kann. Gerade wegen des auf der Zigarettenpackung angebrachten Zusatzes „by Mohawk“ liegt es nahe, von einer reinen Sortenbezeichnung auszugehen.
Die Ansprüche nach dem UWG kann die Landeshauptstadt München
ohnehin nicht selbst durchsetzen, da sie nicht im Wettbewerb mit der vertreibenden Firma steht und auch kein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG).Frage 4:
Wie ist die Handhabung in den anderen betroffenen Städten?
Antwort:
Noch am Tag des Eingangs der Bürgerbeschwerde bei der Rechtsabteilung des Direktoriums (20.10.2015) wurde mit den Städten Berlin, Köln und Hamburg Kontakt aufgenommen und eruiert, ob die Rechtslage dort ähnlich gesehen wird. Mittlerweile liegen aus allen drei Städten Rückmeldungen vor. Im Ergebnis halten alle Städte eine Verletzung der städtischen Namensrechte für möglich.
Köln und Berlin haben in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Münchner Aufforderung vergleichbare Schreiben an die Firma GRE aufgesetzt und versandt. Hamburg wartet zunächst ab.