Teilnahme an Wettbewerbsverstößen im Kulturbereich durch die München Ticket GmbH als kommunale Serviceeinrichtung! Mögliche Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen!
Anfrage Stadtrat Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 28.11.2014
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 28.11.2014 führen Sie als Begründung aus:
„Vielfach fanden Bürger der Stadt München ab dem 17. November 2014 in ihren Briefkästen ein DIN A 4-großes Kuvert, dass als Absender die kommunale Serviceeinheit München Ticket GmbH (‚München Ticket’) auswies. München Ticket ist im Bereich des Ticket-Verkaufs im kulturellen Bereich in München Marktführer. Der Inhalt des Kuverts bestand aus einem gemeinsamen Anschreiben der München Ticket und der rein privatwirtschaftlichen München Musik GmbH & Co. KG (‚MünchenMusik’). MünchenMusik ist in der Stadt München Marktführer im Bereich der privaten Konzertveranstalter. Das Anschreiben weist exklusiv auf das ‚vollständige Weihnachtsprogramm’ von MünchenMusik hin, welches als Programmheft dem Anschreiben beigefügt ist. Dabei sind Anschreiben und Programmheft farblich aufeinander abgestimmt. Das Anschreiben enthält gleichwertig und gleichrangig die Logos sowohl von München Ticket und MünchenMusik, weist graphisch die Stadtsilhouette Münchens auf und wird durch das Stadtwappen Münchens (Münchener Kindl abgerundet. Neben der ohnehin bestehenden Namensähnlichkeit von München Ticket und MünchenMusik wird durch die kon krete Gestaltung einem unbefangenen Betrachter suggeriert, es handele sich um die Information, Empfehlung und Werbung über das (vollständige) Weihnachtskonzertangebot seitens der Stadt München. Laut Programm- heft wurden 135.000 Exemplare aufgelegt. Diese wurden unter Nutzung von Kundendaten auch aller übrigen Veranstalter entsprechend versandt. Anschreiben und Programmheft füge ich dieser Anfrage als Anlagen bei.
Ich schätze den freien Wettbewerb. Wettbewerb darf und soll es auch im kulturellen Bereich geben und fördert hier die Vielfalt und Pluralität der Veranstalter und Veranstaltungsangebote, die gerade auch zum besonderen Charme der Landeshauptstadt München ihren Teil beitra- gen. Der Wettbewerb muss aber fair und im Rahmen des geltenden Rechts ausgetragen werden. Soweit sich die öffentliche Hand am Wettbewerb unmittelbar oder mittelbar beteiligt, ist sie im besonderen Maße an Prinzipien wie dem der Gleichbehandlung gebunden. Es kann nicht angehen, dass München Ticket als kommunale Serviceeinheit für alle Kulturschaffenden in München einem einzelnen und dazu dem marktführenden Veranstalter auch unter Nutzung des Stadtwappens Wettbewerbsvorteile verschafft zu Lasten der übrigen Wettbewerber und letztlich der Allgemeinheit.“
Anhand einer Stellungnahme der München Ticket GmbH (MT) sowie
des mittlerweile vorliegenden Urteils des Landgerichts München I im einstweiligen Verfügungsverfahren der drei privaten Konzertveranstalter Bell’Arte, Europa Classic und Tonicale gegen MT können Ihre Fragen wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Wie kam es zu dieser exklusiven gemeinsamen Aktion der, in kommu- naler Hand liegenden, München Ticket und der privatwirtschaftlichen MünchenMusik?
Antwort der MT:
„Die Initiative ging von der Fa. MünchenMusik GmbH & Co KG aus. Der Veranstalter hatte, mit Verweis auf die Mediadaten (s.u.) der München Ticket GmbH, angefragt, ob MünchenMusik ein Postmailing an 100.000 Kunden durchführen könne. Ein derartiges Postmailing wurde bis dato neben anderen Marketingangeboten in den Mediadaten, die allen Ver- anstaltern zugänglich waren und insbesondere auf der Internetseite von MT eingesehen werden konnten, ausdrücklich angeboten. Aufgrund des o.g. Urteils werden aktuell seitens MT derartige Werbeaussendungen bis auf weiteres nicht mehr angeboten. Parallel wird derzeit geprüft, wie eine zukunftsfähige Gesamtlösung der Thematik mit allen Veranstaltern aussehen kann.“
Frage 2:
Sehen Sie in der konkreten Gestaltung von Anschreiben und Programm- heft sowie deren gemeinsamen Versendung, insbesondere auch im Hinblick auf die Verwendung des Stadt wappens der Landeshauptstadt
München eine Irreführung der angesprochenen Bürger und einen Missbrauch des besonderen Vertrauens der Bürger in die öffentliche Verwaltung für werbewirtschaftliche Zwecke?
Antwort:
Weder im versandten Programmheft (Konzertnews) noch im Anschreiben werden die beworbenen Veranstaltungen als solche der Landeshauptstadt München bezeichnet. Wie bereits im Betreff des Anschreibens bezeichnet,handelt es sich vorliegend nur um „das vollständige Konzertprogramm für Weihnachten von MünchenMusik“.
Im Übrigen wurde für das Postmailing das „Standard“-Briefpapier von München Ticket verwendet, das gemäß AGAM bzw. dem „Visuellem Erscheinungsbild der LHM“, Teil 2 Anwendungen (S. 23) grundsätzlich die dortige Maßgabe erfüllt, wonach innerhalb eines eigenständigen Er scheinungsbildes der städtischen Beteiligungsgesellschaften die Bildmarke „Münchner Kindl“ mitgeführt werden muss. Darüber hinaus ist es den Eigen- und Beteiligungsgesellschaften gem. § 4 Abs. 4 StWS erlaubt, das Münchner Stadtwappen zu verwenden; der verwendete Briefkopf hält sich an diese Vorgabe.
Frage 3:
Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der anzuschreibenden Bürger durch München Ticket?
Antwort der MT:
„Ziel war es, 100.000 Kunden anzuschreiben, die im Jahr 2014 Tickets bei München Ticket bestellt haben und keinen Widerspruch gegen eine Kontaktaufnahme eingelegt hatten. Eine Selektion sollte nur nach den PLZ-Bereichen 80, 81, 82 und 85 erfolgen, um die Zahl der Adressaten, nach der sich die vom beauftragenden Veranstalter an München Ticket entsprechend zu bezahlende Vergütung bestimmt, zu begrenzen.“
Frage 4:
Wurden von München Ticket bei der Versendung sämtliche Datenschutz- bestimmungen eingehalten? Insbesondere wem konkret wurden die von München Ticket für die Versendung des Programmheftes von MünchenMusik genutzten Adressdaten übermittelt und wie wurde sichergestellt, dass diese von Dritten nicht weitergegeben oder zukünftig für eigene wirtschaftliche Zwecke gebraucht werden?
Antwort der MT:
„Die vom IT-Dienstleister von MT aufbereiteten Daten (nur Vorname, Nachname, Titel, Anrede, Straße, Zusatzfeld (wie Hauseingang 3), Hausnummer, PLZ und Ort – keine Kaufdaten!) wurden passwortgesichert über einen SFTP-Server an einen Lettershop übermit
telt, der die
Aussendungen im Auftrag von MünchenMusik tätigte. München Ticket und der Lettershop haben eine Datenschutz-Rahmenvereinbarung geschlossen, die zeitlich nicht begrenzt ist und v.a. sicherstellen soll, dass die Daten nicht an Dritte – auch nicht an den beauftragenden Veranstalter – weitergegeben werden und dass die Löschung sämtlicher Daten nach drei Monaten erfolgt. München Ticket kontrolliert, ob das Selektionsprocedere auf
tragsgemäß abgelaufen ist.
Darüber hinaus wird die bisherige Vorgehensweise aufgrund des o.g. Urteils derzeit untersucht und ggf. entsprechend angepasst.“
Antwort des städtischen Datenschutzbeauftragten:
„In jedem Fall handelt es sich (bei MT) um eine eigene speichernde Stelle, unabhängig von der Hoheitsverwaltung, für die der städtische Datenschutzbeauftragte zuständig ist. Die München Ticket GmbH hat daher selbst eine oder einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, die oder der diese Aufgaben dort wahrzunehmen hat, was die Gesellschaft auch getan hat.“
Frage 5:
Wie bewerten Sie die Nutzung von Kundendaten sämtlicher Konzert- veranstalter zu Gunsten eines einzelnen Veranstalters (MünchenMusik) durch München Ticket als kommunale Serviceeinheit?
Antwort:
München Ticket hat nach eigenen Angaben nicht Kundendaten sämtlicher Konzertveranstalter zugunsten eines einzelnen Veranstalters genutzt. Es ging vorliegend nach Auskunft von MT zum einen um Korrespon denzdaten der Ticketkäufer, die auch Kunden von MT sind. Zum anderen würden die Kundendaten für den regulären München Ticket-Internet-Newsletter auf ähnliche Weise generiert und es würden auf dieser Basis wöchentlich rund 185.000 Kunden angeschrieben. Allein dieser Internetnewsletter wurde von nahezu allen Veranstaltern seit nun rund 12 Jahren genutzt, um auf ihre Veranstaltungen hinzuweisen. Inhalt des Newsletters seien laut München Ticket aktuelle Veranstaltungen verschiedener Veranstalter. Auch exklusive Newsletter, also solche, in denen nur die Veranstaltungen eines Veranstalters beworben würden – wie vorliegend eben auf Postweg erfolgt – wurden bis dato in den Mediadaten angeboten und genutzt.
Davon abgesehen, muss jedoch vor dem Hintergrund des vorliegenden Urteils die bisherige Vorgehensweise geprüft und ggf. für die Zukunft angepasst werden. Entsprechende Analysen finden derzeit statt.
Frage 6:
Auf welcher Rechtsgrundlage nutzt München Ticket die Kundendaten der Veranstalter für eigene bzw. fremde Zwecke?Antwort der MT:
„Die Nutzung personenbezogener Daten war gemäß bisheriger
Einschätzung von MT nach § 28 Abs. (3) S. 2 BDSG zulässig „für Zwecke der Werbung für eigene Angebote der verantwortlichen Stelle“, soweit diese nach § 28 Abs. (1) S. 1 BDSG zulässigerweise erhoben wurden. Vorliegend hat München Ticket die Daten der Heft-Adressaten beim Verkauf von Tickets durch München Ticket, damit in Erfüllung eines rechtsgeschäftlichen Verhältnisses, mindestens aber eines rechts- geschäftsähnlichen Schuldverhältnisses nach eigenem Dafürhalten rechtmäßig erhoben.
Vor dem Hintergrund des o.g. Urteils wird die bisherige Vorgehensweise derzeit geprüft und ggf. für die Zukunft angepasst. Entsprechende Analysen finden derzeit statt.“
Frage 7:
Wer hat die Kosten für Lay-Out, Erstellung, Versand und Verwaltung im Zusammenhang mit der Versendung der Anschreiben nebst Programm- heft der MünchenMusik getragen und wie hoch waren diese (Bitte nach Positionen und Kostenträger aufgeschlüsselt angeben)?
Antwort der MT:
„Die Kosten wurden sämtlich von der Fa. MünchenMusik getragen. Zu den Einzelposten der von der Fa. MünchenMusik getragenen Kosten kann München Ticket keine Details nennen, da die München Ticket keine Kosten im Zusammenhang mit diesem Mailing getragen hat.“
Frage 8:
Auf welcher bzw. welchen Rechtsgrundlagen erfolgte die Zusammenarbeit zwischen München Ticket und MünchenMusik?
Antwort der MT:
„Die MünchenMusik GmbH & Co KG hat München Ticket einen Einzel- auftrag zum Versand des angebotenen Postmailings erteilt; München Ticket hat sich die exklusive Nennung als Vertriebskanal für die beworbenen Veranstaltungen im Heft KonzertNews ausbedungen.“
Frage 9:
Welche geldwerten Vorteile (finanzielle Mittel, Sachleistungen, Marktchancen etc.) hat München Ticket durch die genannten Werbeanschreiben erhalten, welche sind dabei MünchenMusik zurechenbar?Antwort der MT:
„Der Vorteil für MünchenTicket liegt darin, dass München Ticket im gesamten produzierten und versandten Magazin exklusiv als Ticketvertrieb genannt wird, womit sicherlich der größte Teil der Ticketinteressenten bei München Ticket buchen werden. München Ticket „verdient“ dann ganz regulär die Vorverkaufsgebühr und Systemgebühr am einzelnen Kartenverkauf.“
Frage 10:
Wie wird die Einhaltung der Ziel- und Zwecksetzung sowie das Geschäfts- gebaren der München Ticket als kommunaler Serviceeinrichtung beauf- sichtigt?
Antwort:
Grundsätzlich obliegt der Geschäftsführung die Leitung des Unterneh- mens. Sie ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, so zu handeln, wie ihr dies Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder auch Beschlüsse von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat vorschreiben (vgl. § 9 des Gesellschaftsvertrags). Hier wird auch regelmäßig in den Sitzungen über Werbemaßnahmen der München Ticket GmbH berichtet. Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung über
wachen u.a. die Einhaltung der
Regelungen des Gesellschaftsvertrags. Hinsichtlich der aktuellen Thematik findet demnächst ein außerordentliches Treffen des Aufsichtsrats statt.
Frage 11:
Wurde die Stadt München vor Versand des Anschreibens nebst Programmheft der MünchenMusik über das in Rede stehende Vorhaben, insbesondere die Nutzung des Stadt wappens im werblichen Wettbewerb
informiert? Falls ja, wer wurde informiert und was wurde ggf. veranlasst?
Antwort der MT:
„Nein, es erfolgte keine singuläre Information über diese Werbeaktion, da es sich um das operative Geschäft der Gesellschaft handelt.“
Frage 12:
Welche Möglichkeiten und Maßnahmen seitens der Stadt München bestehen oder könnten geschaffen werden, um im Bereich der privaten Kulturwirtschaft einen fairen Wettbewerb zu garantieren?
Antwort:
Es darf darauf hingewiesen werden, dass München Ticket selbst
keinerlei eigene veranstalterische Ambitionen hat, sondern ein an siebeauftragtes Ticketing ohne Bevorzugung/Benachteiligung einzelner Ver- anstalter leistet (siehe auch § 2 des Gesellschaftsvertrags „Gegenstand des Unternehmens“). München Ticket führte bis dato im Rahmen dessen u.a. Werbeaktionen mit der oben beschriebenen Zielsetzung für Veranstalter aller Größenordnungen und Genres durch. Die Buchung dieser Werbeaktionen stand gleichermaßen allen Veranstaltern offen.
Ein fairer Wettbewerb war daher nach Ansicht des RAW gewährleistet und wurde durch München Ticket auch nicht unterbunden. Vor dem Hintergrund des nun vorliegenden, o.g. Urteils wird – wie bereits dargestellt – die bisherige Vorgehensweise von MT aber derzeit geprüft und ggf. für die Zukunft angepasst, um eine Gesamtlösung der Thematik mit allen Veranstaltern zu finden.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit beantwortet werden konnten.