Konsequenzen aus der Veröffentlichung der „vertraulichen Bewerberliste“ für das Amt des städtischen Umweltreferenten in der Presse
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider und Tobias Ruff (ÖDP) vom 24.2.2015
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Auf Ihre Anfrage vom 24.2.2015 nehme ich Bezug;
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 23.1.2015 die Namen verschiedener Bewerber für das Amt des städtischen Umweltreferenten nebst detaillierten Angaben, welche Stadtratsfraktionen und -gruppen die Bewerber vorgeschlagen haben. Dafür bediente sie sich laut eigenen Angaben ‚der vertraulichen Bewerberliste, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt’. Da bei Referentenwahlen die nicht-öffentlichen Sitzungsvorlagen keine Angaben enthalten, wer welche Bewerber vorgeschlagen hat, muss es sich wohl um eine andere stadtinterne Bewerberliste handeln.
Die vertrauliche Behandlung von Bewerberdaten für städtische Stellen soll verhindern, dass dem Bewerber durch seine Bewerbung Nachteile entstehen, insbesondere wenn er nicht eingestellt wird. Es besteht die reale Gefahr, dass sein bisheriger Arbeitgeber auf die Bewerbung negativ reagiert oder ihm für die Zukunft das Image anhängt, bestenfalls zweite Wahl zu sein.
Die Landeshauptstadt München hat in vielen Bereichen Schwierigkeiten gute und qualifizierte Fach- und Führungskräfte zu gewinnen. Wenn die Vertraulichkeit der Bewerberdaten nicht sichergestellt werden kann, dürfte es künftig noch schwieriger werden, hervorragende Mitarbeiter zu gewinnen. Die Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/Bayernpartei spricht sogar davon, dass das Vertrauen in die Landeshauptstadt München erschüttert sei.
Eine öffentliche Stellungnahme des Oberbürgermeisters, die geeignet ist, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Behandlung der Personaldaten wieder herzustellen, war bisher nicht zu vernehmen, obwohl dies gerade in Anbetracht der Neuausschreibung der Stelle des Umweltreferenten dringend geboten wäre.“Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Nach welchen Rechtsvorschriften sind Bewerberdaten für städtische Stellen und insbesondere für Referentenposten vertraulich und nicht- öffentlich zu behandeln?
Antwort:
Für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Bewerbungsverfahren gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften zur vertrau- lichen Behandlung von personenbezogenen Daten, insbesondere das
Datengeheimnis nach Art. 5 BayDSG (Bayerisches Datenschutzgesetz). Begründet wird durch das Datengeheimnis eine persönliche Ver-
schwiegenheitspflicht sämtlicher Beschäftigter, die dienstlich mit personenbezogenen Daten befasst sind. Nach Art. 19 BayDSG ist
insbesondere die Herausgabe der Bewerberdaten an nichtöffentliche Stellen, also auch an die Presse, nur unter engen Voraussetzungen zulässig. So dürfen Auskünfte an Medien nach Art. 80 BayBG
(Bayer. Beamtengesetz), s. auch Nr. 3.6.2 (2) AGAM (Allgemeine
Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München), nur durch die Behördenleitung oder die von ihr beauftragten Personen erteilt werden. Nach Art. 20 Gemeindeordnung – GO – gelten auch für Gemeinderats- mitglieder als ehrenamtlich tätige Personen Verschwiegenheitspflichten. Sie dürfen über die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Ange- legenheiten, soweit es sich nicht um offenkundige Tatsachen handelt, außer im amtlichen Verkehr nicht sprechen oder diese Kenntnisse verwerten. Selbst vor Gericht brauchen sie – ebenso wie städtische Beschäftigte – eine Aussagegenehmigung, Art. 20 Abs. 3 GO.
Frage 2:
Was haben Sie seit dem 23.1.2015 unternommen, um zu verhindern, dass künftig Bewerberdaten für städtische Stellen in die Öffentlichkeit gelangen?
Antwort:
Unmittelbar nach Erscheinen des Artikels in der SZ am 23.1.2015 wurde der Vorgang von mir noch am selben Tag in der Sitzung des Ältestenrates als eingeschobener „TOP 0“ thematisiert. Ich habe dabei deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Veröffentlichung der Bewerbernamen katastrophale Auswirkungen auf die Bewerberlage zeitigen wird.Letztlich muss allen Beteiligten klar sein: Eine derart unverantwortliche Weitergabe vertraulicher Daten beschädigt Bewerberinnen und Bewerber und das Vertrauen in die Stadt gleichermaßen, was ich sehr bedauere und auf das Schärfste missbillige.
Frage 3:
Welche strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren haben Sie eingeleitet, um aufzuklären, wer der Presse die genannte „vertrauliche Bewerberliste“ zugeleitet hat?
Antwort:
Wenngleich der Kreis derer, die die Daten im Vorfeld von Vorstellungs- runden bearbeiten bzw. erhalten so klein als möglich gehalten wird, kennen letztlich mehrere Dienststellen/Personen die in Rede stehenden Daten. Auch könnten teilweise weitergegebene Daten durch gezielte Recherchen zu einem Gesamtdatensatz ergänzt worden sein. Es kann daher – so bedauerlich dies ist – nicht nachvollzogen werden, wer letztlich der Presse die genannte vertrauliche Liste zugeleitet hat. Zudem besteht aufgrund des gerade bei Presseorganen in aller Re- gel bestehenden Informantenschutzes und in Ermangelung einer
entsprechenden Anspruchsgrundlage auf Erteilung von Auskünften
betreffend die Person des Hinweisgebers kaum Aussicht für die
Stadtverwaltung, diesen zu ermitteln.
Frage 4:
Welche Sanktionen hat derjenige oder diejenige zu erwarten, der den Medien vertrauliche Bewerberdaten mitteilt?
Antwort:
Beschäftigte der Landeshauptstadt München haben die Amtsver-
schwiegenheit bzw. die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers einzuhalten, § 37 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz, § 3 Abs. 1 TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst), Nr. 1.5.3 (1) AGAM. In solchen Fällen darf auch keine Auskunft an die Presse oder
sonstige Fragestellenden erteilt werden, Nr. 3.6.2 (2) AGAM. Diese Verschwiegenheitspflicht geht über den oben bei der Antwort zu
Frage 1 dargestellten Schutz personenbezogener Daten nach Art.
5 BayDSG hinaus als Pflicht, über die bei oder bei Gelegenheit der amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.
Verletzungen solcher Hauptpflichten können entsprechende arbeits-/ disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen, von der Abmahnungbis zur fristlosen Kündigung von Tarifbeschäftigten sowie Disziplinarver- fahren gegen Beamtinnen und Beamte nach dem Bayerischen Diszipli nargesetz (BayDG) mit der Entfernung aus dem Dienst nach Art. 11 BayDG als möglicher Höchstmaßnahme. Die Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimhaltungspflichten sowie die Verletzung von
Privatgeheimnissen ist schließlich auch durch §§ 353b bzw. 203 Abs. 2 StGB strafrechtlich sanktioniert.
Bei Verstößen durch Gemeinderatsmitglieder gilt zwar nicht Art. 5 BayDSG, da sich dieser nur an die bei der öffentlichen Stelle, also der Landeshauptstadt München beschäftigte Personen richtet. Doch auch – wie oben dargestellt – Gemeinderatsmitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, Art. 20 GO. Im Falle einer Verletzung dieser Pflichten können Ordnungsgelder bis zu 500 Euro verhängt werden, Art. 20 Abs. 4 GO.
Daneben bleiben die datenschutzrechtlichen Ordnungswidrigkeitentat- bestände unberührt. Insbesondere könnte nach Art. 37 BayDSG mit Geldbuße bis zu 30.000 Euro belegt werden, wer unbefugt geschützte personenbezogene Daten, also auch Bewerberdaten, übermittelt, also hier der Presse herausgibt. Falls eine solche Handlung gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht begangen wird, kann sogar Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe verhängt werden, Art. 37 Abs. 3 BayDSG.