Enthauptungsszene bei „Rechten“-Kundgebung – vom KVR genehmigt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Jutta Koller und Dominik Krause (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ Rosa Liste) vom 11.2.2015
Antwort Kreisverwaltungsreferat:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 11.2.2015 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilten Sie Folgendes mit:
„Am vergangenen Samstag, 7. Februar, versammelte sich am Spätnach- mittag die rechtsextreme Partei ‚Die Rechte’, darunter ein verurteilter Neonazi, vor dem Einkaufszentrum PEP, um dort mit Hasstiraden ein aus- länderfreies Deutschland zu propagieren. Während dieser ‚Kundgebung’ stellte sich ein schwarz vermummter Parteikollege hinter einen knienden Mitstreiter und simulierte mit einem Säbel eine Enthauptung. Anwesende Bürgerinnen und Bürger berichten mit Entsetzen von dieser Szene und von der Fassungslosigkeit der umstehenden Passantinnen und Passanten, darunter etwa einige Kinder, die die Szene mit ansehen mussten. Auf Nachfrage bei dem zuständigen Einsatzleiter der Polizei, ob das angesichts der anwesenden Kinder so erlaubt sei und nicht z.B. auch gegen das Vermummungsverbot verstoße, antwortete dieser nach Bericht einer Bürgerin, das KVR habe die Aktion genehmigt, sofern kein Kunstblut fließe.“
Ihre Fragen 1. - 3. können wir folgendermaßen beantworten:
Frage 1:
Stimmt die Behauptung des Einsatzleiters, dass die Enthauptungsszene vom KVR ausdrücklich genehmigt wurde?
Antwort:
Versammlungen unterliegen nach dem BayVersG formell keinem Erlaubnisvorbehalt, sondern werden vom KVR lediglich bestätigt. Diese Erlaub nisfreiheit folgt dem Wortlaut des Art. 8 GG und garantiert dem Veranstalter eine umfassende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Wahl des Ortes, des Zeitpunktes, der Zeitdauer, der Form und des Inhalts der Versammlung.
Am 4.2.2015 zeigte der Veranstalter der Versammlungsbehörde für den7.2.2015 die gegenständliche Versammlung mit dem Thema „Keine IS-Kopfabschneider auf deutschem Boden – Widerstand jetzt!“ an und teilte mit, dass eine szenische Darbietung in Bezug auf die Hinrichtungen der IS erfolgen sollte. Darauf wurde umgehend mit dem Veranstalter Kontakt aufgenommen und nach einem Kooperationsgespräch die Beschränkung im Versammlungsbescheid verfügt, dass kein Kunstblut verwendet und keine unmittelbaren szenischen Tötungshandlungen erfolgen dürfen. Eine weitergehende Beschränkung oder ein vollständiges Verbot waren rechtlich nicht möglich. Inhaltliche Beschränkungen oder gar Verbote sind unter der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG und der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Demnach hätte die szenische Darbietung insbesondere dann verboten werden können, wenn konkrete Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass dadurch bedingt Straftatbestände erfüllt gewesen wären. Dies lag aber im gegebenen Fall nicht vor. Somit waren nur die genannten inhaltlichen Beschränkungen möglich. Eine „ausdrückliche Genehmigung“ wurde jedoch durch das KVR nicht erteilt.
Frage 1 a:
Falls ja, mit welcher Begründung wurde diese Szene genehmigt?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 1.
Frage 1 b:
Falls nein, wie kommt die Polizei zu einer solchen Behauptung und was wird das KVR unternehmen, um diesen Hergang nachträglich zu klären?
Antwort:
Es gibt seitens des KVR keine Erkenntnisse, dass die Abhaltung der szenischen Darbietung die Beschränkungen aus dem Bescheid des VVB
überschritten hätten und die ab Beginn der Versammlung zuständige Polizei zu einem Eingreifen aufgefordert gewesen wäre.
Frage 2:
Was unternimmt das KVR um solche Situationen und die spezielle Situation, dass Kinder bei Tageslicht in der Öffentlichkeit solchen Szenen ausgesetzt sind, in Zukunft zu vermeiden bzw. zu unterbinden?Antwort:
Wie im Rahmen der Antwort zu Frage 1 bereits ausgeführt, hat das KVR seinen Handlungsspielraum im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um sowohl den betroffenen Grundrechten des Veranstalters als auch von Dritten gerecht zu werden.
Frage 3:
Welche Regeln und Bestimmungen liegen verbindlich vor für die Geneh- migung solcher Kundgebungen und damit verbundenen „Aktionen“?
Antwort:
Wie bereits oben dargelegt, unterliegen Versammlungen keinem Er- laubnisvorbehalt.
Das KVR wird jedoch auch in Zukunft im Lichte des Grundgesetzes
– auch unter Einbezug der geltenden Rechtsprechung – jede Ver- sammlungsanzeige einer Einzelfallprüfung unterziehen und prüfen, ob entsprechende Verbots- oder Beschränkungsmerkmale vorliegen. Diese liegen dann vor, wenn aus den vor der Versammlung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Liegt die gefährdende Handlung gerade in der Meinungskundgabe, wobei Art. 5 GG Form und Inhalt
schützt, sind die Anforderungen an eine konkrete Gefahrenprognose entsprechend hoch. Für die Verwaltungspraxis hieße dies, dass im Vorfeld erkennbar und nachweisbar durch die Durchführung einer szenischen Darbietung Straftatbestände erfüllt sein müssten. Eine grob ungehörige Handlung im Sinnes des Ordnungswidrigkeitengesetzes würde jedenfalls für eine inhaltliche Beschränkung nicht ausreichen.