Radverkehr in München III: Fahrradparkhäuser schaffen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider und Tobias Ruff (ÖDP) vom 23.12.2014
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
In Ihrem Antrag vom 23.12.2014 fordern Sie die Stadtverwaltung auf,
dem Bedarf an gesicherten und geschützten Fahrradabstellplätzen Rechnung zu tragen und ein stadtweites Konzept für die Planung von Fahrradparkhäusern zu entwickeln, insbesondere an wichtigen Umsteigeorten zum MVV. Dabei sind den Kosten verschiedene Gebührenmodelle (Mix aus kostenpflichtigen und kostenlosen Abstellplätzen)
gegenüberzustellen und die Fahrradabstellplatzsatzung ist „kreativ“ weiterzuentwickeln. Mindestens zwei Pilotprojekte sollen zeitnah umgesetzt werden.
Zu Ihrem Antrag vom 23.12.2014 teilen wir Ihnen mit, dass dem
hier genannten Anliegen bereits durch die laufende Umsetzung
von Stadtratsbeschlüssen entsprochen wird. Die Errichtung von
bedarfsgerechten Fahrradabstellanlagen erfolgt gemäß den Beschlüssen „Radverkehr in München“ vom 20.5 2009 und „Gesamtkonzept für P+R- und B+R-Anlagen in München“ vom 24.1.2007. Ihr Einverständnis vorausgesetzt erlauben wir uns daher, Ihren Antrag mit einem Schreiben zu beantworten.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung nimmt in Abstimmung mit der referatsübergreifenden Arbeitsgruppe „Optimierung von B+R-Anlagen“ inhaltlich zum Antrag Nr. 14-20/A 00585 wie folgt Stellung. Der Arbeitsgruppe gehören neben dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung auch das Baureferat, die SWM/MVG, der MVV und die P+R-GmbH an.
Fahrradparkhäuser in München
Mit der Zunahme des Radverkehrs, die von der Landeshauptstadt
München nach Kräften gefördert und unterstützt wird, nimmt im gesamten Stadtgebiet und insbesondere an den Haltepunkten des ÖPNV auch der Bedarf an qualitativ hochwertigen, rahmenanschließbaren und nach Möglichkeit überdachten Fahrradstellplätzen kontinuierlich zu. Die Landeshauptstadt München trägt diesem Bedarf durch die Schaffung von qualitativ hochwertigen Abstellanlagen auf öffentlichem Grund sowie auf Privatgrund der SWM und der Landeshauptstadt seit vielen Jahren Rechnung, wobei die vorhandenen Flächen durch andereNutzungsansprüche zunehmend limitiert sind.
Bereits heute wird, wie im Beschluss „Gesamtkonzept für P+R- und B+R-Anlagen in München“ vom 24.1.2007 (Vorlage-Nr. 02-08/V 09121) sowie im Grundsatzbeschluss „Radverkehr in München“ vom 20.5.2009 (Vorlage-Nr. 08-14/V 01793) festgelegt, an stark nachgefragten Standorten des ÖPNV grundsätzlich auch die Möglichkeit der Errichtung von (überdachten) Doppelstockanlagen oder Fahrradstationen geprüft . Ein besonderes Augenmerk wird nach detaillierter Bedarfsabschätzung auf eine ansprechende und stadtbildverträgliche Gestaltung und auf eine gute Öffentlichkeitsarbeit vor allem in der Phase nach Fertigstellung einer neuen Anlage gelegt. In der referatsübergreifenden Arbeitsgruppe „Optimierung von Bike-and-Ride-Anlagen“ werden unter Federführung des Referates für Stadtplanung und Bauordnung Vorschläge für qualitative und quantitative Verbesserungen an hoch frequentierten Standorten entwickelt.
Die erste doppelstöckige Fahrradabstellanlage wurde in München im Rahmen des Forschungsprojekts MOBINET im Jahr 2003 an der
U-Bahn-Station Kieferngarten für 280 Abstellplätze errichtet. Aufgrund der insgesamt guten Erfahrungen wurden 2009 in Feldmoching (80 Stellplätze) und Berg am Laim (154 Stellplätze) weitere Anlagen errichtet. Im Dezember 2012 wurden am Bahnhof Pasing im Zusammenhang mit der Nordumgehung Pasing (NUP) eine Fahrradtiefgarage unter der NUP und Abstellanlagen entlang der Nordumgehung mit überdachten Doppelstock-Radlständern für 1.155 Räder eröffnet. Diese sowie die Radltiefgarage am Olympia-Einkaufszentrum (392 Stellplätze) verfügen über ein an die Servicezentrale der P+R-GmbH angeschlossenes
Videokontrollsystem sowie Servicerufe (Sprechstellen).
Im Rahmen der Planungen für die Fahrradabstellanlage in Pasing wurde auch geprüft, ob dort eine Fahrradservicestation oder zumindest eine Übergabemöglichkeit für durch einen externen Fahrradfachbetrieb zu reparierende oder zu wartende Räder eingerichtet werden könnte. Da dies jedoch aufgrund des hohen Flächenbedarfs zu einem erheblichen Verlust an Abstellplätzen an diesem sehr stark nachgefragten Standort führen würde, entschied man sich dagegen. Auch der ADFC sprach sich unter diesen Bedingungen gegen eine Fahrradservicestation unter der Nordumgehung Pasing aus.
An allen genannten Anlagen stehen ausschließlich kostenfreie
Abstellplätze zur Verfügung. Sie werden aufgrund ihrer Nähe zu den ÖPNV-Anlagen, der guten Lage im Radverkehrsnetz sowie der attraktivenGestaltung auch bezüglich des Wetterschutzes und der Einsehbarkeit sehr gut genutzt.
Für den Hauptbahnhof wurde bereits im Rahmen der Stadtratsvorlage „Gesamtkonzept für P+R-Anlagen sowie B+R-Anlagen in München“ vom 24.1.2007 (Vorlage-Nr. 02-08/V 09121) ein Bedarf von 1.200 B+R-Abstellplätzen am Hauptbahnhof festgestellt. Da hierin die sonstigen Nutzungen im Bahnhofsareal noch nicht berücksichtigt waren und
in den letzten Jahren die Nachfrage nach B+R-Abstellplätzen stark ansteigt, ist derzeit von einem Bedarf von insgesamt mindestens 1.500 Fahrradstellplätzen für den Hauptbahnhof auszugehen. Die benötigten Abstellplätze sollen im Rahmen der Neugestaltung des Hauptbahnhofs an verschiedenen Standorten im und um das Gebäude der Hauptbahnhofes realisiert werden. Neben kleineren und größeren Anlagen sind auch eine klassische Fahrradstation und ein automatisches Parkhaus angedacht. Da die Situation jedoch schon lange eine Verbesserung erfordert, verhandelte die Landeshauptstadt München in den letzten Jahren wiederholt mit der zuständigen DB Station&Service AG und anderen Beteiligten intensiv über – teilweise provisorische – Möglichkeiten einer vorgezogenen Realisierung. Bislang konnte unter anderem aus rechtlichen Gründen noch keine Einigung erzielt werden.
Am Ostbahnhof wurde auf Antrag Nr. 02-08/B 01770 des zuständigen Bezirksausschusses des Stadtbezirkes 5 Au – Haidhausen vom 17.1.2007 vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung im Herbst 2009 die
Möglichkeit zur Errichtung einer Fahrradservicestation geprüft. Auf der Nordseite des Ostbahnhofes (Orleansplatz) ist an der Oberfläche jedoch kein geeigneter Standort vorhanden. Im Untergrund wurden im Rahmen
der Planung der 2. Stammstrecke in den zu errichtenden Bauwerken keine Räumlichkeiten zur Einrichtung einer Fahrradservicestation vorgesehen. In der erforderlichen Nähe zum Bahnhof ist kein Platz vorhanden, an dem sich ein solches Bauwerk mit dem entsprechenden Zugang von
der Oberfläche her errichten ließe. Zudem ist der im Gutachten zum Fahrradstellplatzkonzept festgestellte Bedarf an Stellplätzen zu gering, um eine derartige unterirdische Fahrradservicestation wirtschaftlich betreiben zu können.
Ein Platz für eine Fahrradservicestation könnte daher allenfalls auf der Südseite des Ostbahnhofes (Friedenstraße, auf Flächen der DB AG) gefunden werden. Aus derzeitiger Sicht ist dort jedoch kein ausreichender Bedarf vorhanden. Die (technische) Machbarkeit an anderen Standorten im Bereich des Ostbahnhofes kann erst nach Abschluss der Planungen für die 2. Stammstrecke erneut geprüft werden.In Planung befindet sich zudem eine größere Anlage am S-Bahnhalt Hirschgarten für ca. 400 Abstellplätze.
Definition und Hinweise zu Fahrrad-Service-Stationen
Ergänzend geben wir noch einige allgemeine Hinweise zur Planung und Errichtung von Fahrrad-Service-Stationen (vgl. auch die Hinweise zum Fahrradparken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) von 2012):
Fahrradparkhäuser werden vorzugsweise an Punkten mit hoher
Nachfrage und längerer Abstelldauer eingesetzt. Die einfachste Form von Fahrradparkhäusern sind ebenerdige Fahrradparkplätze mit Einfriedungen und Überdachungen, die den Diebstahl- und Witterungsschutz erhöhen. Insbesondere in Verbindung mit städtebaulichen Neuordnungen
kommen auch Neubauten oder die Umnutzung bestehender Gebäude
z.B. als Fahrrad-Service-Station in Betracht. Fahrradparkhäuser können in Verbindung mit einer technischen Zugangskontrolle auch für einen begrenzten Personenkreis wie etwa im werktäglichen Bike+Ride-Verkehr angeboten werden.
Unter dem Begriff Fahrradstation werden Einrichtungen verstanden, die neben einem ganztägigen, gesicherten und witterungsgeschützten Angebot für Fahrradparken auch z.B. Wartung Reparatur und Vermietung von Fahrrädern anbieten.
Das vorrangige Einsatzfeld von Fahrradstationen sind Bahnhöfe mit (über)regionalem Schienenverkehrsanschluss. Die Kundschaft besteht überwiegend aus regelmäßigen Fahrgästen der Bahn, die im Vor- oder Nachtransport zu einer Fahrt ihr Fahrtziel (z.B. Arbeitsplatz, Wohnung) mit dem Fahrrad erreichen wollen. Ergänzend sind im Umfeld einer gebührenpflichtigen Station immer kostenfreie Fahrradabstellanlagen beispielsweise für die Kundschaft der Bahnhofseinrichtungen mit kurzer Abstelldauer erforderlich.
Trägerschaft und Betrieb von Fahrradstationen müssen langfristig festgelegt werden und können in Verantwortung einer einzigen
Gesellschaft oder in getrennter Verantwortung liegen.
Betreiber von Fahrradstationen können Fahrradfachbetriebe, Gebäude- dienstleistungsgesellschaften, gemeinnützige soziale Gesellschaften oder auch Kioskpächter, Taxenunternehmen oder Mobilitätszentralen sein. Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass sich Fahrradstationen allein durch das Abstellgeschäft erst ab 1.000 bis 2.000 Stellplätzen und bei guter Auslastung selbst tragen. Mit entsprechendem Serviceangebotkönnen Fahrradstationen in Einzelfällen schon ab einer Nachfrage von ca. 300 bis 500 Stellplätzen pro Tag betrieben werden. Eine genaue Überprüfung von Stellplatzbedarf und -potenzial sowie der langfristigen Finanzierungsmöglichkeit des Betriebs am jeweiligen Standort ist jedoch unbedingt erforderlich.
Die Akzeptanz der Abstellplätze einer Fahrradstation wird durch die Entfernung zu den Bahnsteigen, die Erreichbarkeit der Anlage mit dem Fahrrad, die Anbindung an das Radverkehrsnetz, die Gebühren für das Abstellen der Fahrräder und das Angebot kostenfreier Abstellplätze im Umfeld der Station beeinflusst.
Weiteres Vorgehenin München
Seit 1.1.2013 ist in München die Fahrradabstellplatzsatzung in Kraft, die festlegt, dass Bauherrinnen und Bauherren bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben detailliert darstellen müssen, wo und wie sie den Bedarf an Fahrradabstellplätzen unterbringen werden. Die Satzung regelt für alle Neubauten und großen Sanierungsvorhaben die erforderliche Mindestzahl an Stellplätzen je nach Nutzungsart der Gebäude. Für die Errichtung von Fahrradparkhäusern an Haltestellen bzw. für den allgemeinen Bedarf im öffentlichen Raum hat die Fahrradabstellplatzsatzung jedoch keine Gültigkeit. Hier gilt es, wie oben beschrieben, seitens der Stadtverwaltung unter der Federführung des Referates für Stadtplanung und Bauordnung den entsprechenden Bedarf zu ermitteln und gemeinsam mit den anderen Referaten für die Planung und Errichtung entsprechender Anlagen zu sorgen. Detailliertere Aussagen zu rechtlichen Grundlagen, Methodik und zukünftiger Vorgehensweise werden dem Stadtrat in einem derzeit in Erarbeitung stehenden Beschluss zum „Fahrradparken in München“ voraussichtlich im Herbst 2015 vorgelegt werden.
Auch in Zukunft wird bei der Planung von großen Fahrradabstellanlagen in München die Möglichkeit der Errichtung von Fahrrad(-Service)-Stationen geprüft werden. Bei der Einzelfallbetrachtung werden die verschiedenen Gebührenmodelle und Betriebsformen in die Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingehen und dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden.
Ihrem Antrag wird somit gemäß den vorstehenden Ausführungen bereits entsprochen. Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit
abgeschlossen ist.