Macht der Mindestlohn Arbeitsplätze im Taxigewerbe kaputt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Richard Progl und Ursula Sabathil (Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/ Bayernpartei) vom 8.12.2014
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 8.12.2014 verweisen Sie auf den ab dem 1.1.2015 gültigen Mindestlohn im Taxigewerbe in Höhe von 8,50 Euro pro ge- leisteter Arbeitsstunde. Vorab bedanke ich mich für die entsprechend meiner Zwischennachricht vom 18.12.2014 gewährte Terminverlängerung. Zur Beantwortung Ihrer Anfrage haben wir externen und stadtinternen Experten Ihre Fragen vorgelegt. Bis zum 11. März 2015 erreichten uns drei Antwortschreiben: von der Taxi-München eG, der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und dem Kreisver-
waltungsreferat.
Vorbemerkung:
Tarifverhandlungen für das Taxigewerbe sind im Jahr 2014 gescheitert, damit gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro seit dem 1. Januar 2015. Die Meinung der Taxiunternehmen zum Mindestlohn ist nach den
Erkenntnissen der IHK sehr unterschiedlich. Hier müsse unterschieden werden zwischen Ein-Wagen-Unternehmen und Mehrwagen-Unter-
nehmen.
Die Ein-Wagen-Unternehmen sind in der Regel nicht von der Mindestlohn- problematik betroffen, da hier meist der Unternehmer selbst sein Fahrzeug fährt, er mithin keine angestellten Fahrer hat. Von den gut 3.400 Münchner Taxis wird ca. jedes zweite von einem Einzelunternehmer betrieben. Diese Unternehmer lehnen in der Regel eine Tariferhöhung aufgrund des Mindestlohnes ab, da sie befürchten, dass eine Erhöhung der Taxipreise zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen führt.
Die Mehrwagenunternehmer haben angestellte Fahrer im Einsatz,
denen sie seit dem 1. Januar 2015 den Mindestlohn zahlen müssen. Im Taxigewerbe ist es aber bisher zu einem überwiegenden Teil
üblich gewesen, neben einer Vergütung mit festem Stundenlohn eine Umsatzbeteiligung zu zahlen. Die Mehrwagen-Unternehmen sind somit von der Mindestlohnproblematik deutlich betroffen. Die Haltung, wie man damit umgehen soll, ist allerdings auch bei diesen Unternehmern nicht einheitlich. Teilweise fordern Verbände aus diesem Grund eine deutliche Tariferhöhung, um die Mehrbelastungen auffangen zu können, teilweise wird dies abgelehnt.Zu den von Ihnen in diesem Zusammenhang gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Was kann die Landeshauptstadt tun, um die Arbeitsplätze der Münchner Taxifahrer zu erhalten und ein Ausweichen in die Schwarzarbeit zu ver- hindern?
Antwort:
Die Taxi-München eG geht davon aus, dass die Einführung des Mindest- lohnes keine generelle Gefahr für den Verkehr mit Taxis in München darstellt. Nach Auskunft der Mitgliedsbetriebe erreichten leistungsfähige Taxifahrer, nach dem in Großstädten üblichen Entlohnungssystem, die vom Gesetzgeber installierte Lohnuntergrenze von 8,50 Euro brutto im Monatsmittel. Arbeitsplätze seien nur dann gefährdet, wenn Arbeitnehmer in umsatzschwachen Zeiten fahren wollen oder die Anforderungen
des Fahrdienstes nur bedingt erfüllen. Davon dürften etwa 15% der Angestellten betroffen sein, meist Renten- und Lohnaufstocker.
Eine Zunahme der Schwarzarbeit ist nach der Erkenntnis der Taxi-
München eG in Verbindung mit der Einführung des Mindestlohnes nicht zu befürchten. In den letzten Jahren wurden die behördlichen Kontrollen, insbesondere mit einer eigenen Fahndungsgruppe des Zolls, erheblich ausgeweitet. Für die Taxi-München eG besteht kein Zweifel daran, dass die Versorgung der Bürger mit Taxidienstleistungen seit dem 1.1.2015 lückenlos erfolgte und auch in Zukunft weiter aufrechterhalten werden kann.
Frage 2:
Ist die Stadt bezüglich des Mindestlohnes in Kontakt mit den Münchner Taxiunternehmern und wie ist deren Sichtweise auf das Thema?
Antwort:
Dem KVR liegt derzeit ein Antrag auf Tariferhöhung des Taxiverbandes München e.V. (TVM) vor. Die Taxi-München eG hat bis dato noch keinen Antrag abgegeben. Das Taxibüro führte in den Monaten Dezember 2014 und Januar 2015 bei dem Parteiverkehr vorsprechenden Taxiunternehmern eine Befragung im Hinblick auf eine eventuelle Tariferhöhung durch. Von den 306 befragten Unternehmern sprachen sich 20,6% für eine Erhöhung und 79,4% gegen eine Tariferhöhung aus.
In einer Besprechung mit den Landratsämtern Erding, Freising und München am 26.1.2015 sprachen sich diese geschlossen gegen eineTariferhöhung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Aufgrund der Tatsache, dass die letzte Tarifanpassung erst zum 1.12.2013 erfolgte, sollte man die Entwicklung aufgrund des Mindestlohnes erst mal abwarten und ggf. Anfang des nächsten Jahres über eine Tariferhöhung entscheiden. Diese Auffassung wurde von allen Landratsämtern nochmals per E-Mail am 29.1.2015 bestätigt.
Im Unterschied zu früheren Jahren besteht nach den vorliegenden Daten kein Anlass zu einer Anpassung der Entgelte wegen aktueller Kostensteigerungen. Der vom Statistischen Bundesamt ermittelte
Kraftfahrerpreisindex (Stand Dezember 2014), der die für Taxiunternehmen wichtigen Kosten rund um den Fahrzeugbetrieb widerspiegelt, ist seit Dezember 2013 (dieser Monat lag der letzten Tarifanpassung zugrunde) um 2,3% gefallen. Im Dezember 2014 lag die Inflationsrate – gemessen am Verbraucherpreisindex – bei + 0,2% gegenüber Dezember 2013. Die Stadt München ist über das KVR in intensivem Kontakt mit dem Taxigewerbe und dessen Vertretern. Der Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen dient der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Taxigewerbes. Die Taxi-München eG, als Vertreter von über 1.600 Münchner Verkehrsunternehmern, schätzt vor allem, dass Informationen und Anregungen direkt in die Arbeit der Verwaltungsbehörde einfließen können.
In München gibt es die Taxikommission, bestehend u. a. aus Stadträten, Vertretern des KVR und des Baureferates, der Münchner
Verkehrsgesellschaft (MVG) und der Stadtwerke München (SWM),
der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und Verbänden des Taxigewerbes. Unter anderem werden im Rahmen der
Sitzungen der Taxikommission Fragen des Taxigewerbes besprochen.
Die Taxikommission sprach sich bei ihrer Sitzung am 23.2.2015 gegen eine sofortige Tariferhöhung aus. Das Kreisverwaltungsreferat wird den Markt jedoch weiter beobachten und der Taxikommission bei ihrer nächsten Sitzung im Herbst 2015 evtl. eine moderate Tariferhöhung vorschlagen.
In Bezug auf die Auswirkungen des Mindestlohnes unterstützt die Taxi-München eG die umsichtige Verfahrensweise der Verwaltungsbehörde. Eine Nachfrage bei den angeschlossenen Mitgliedsbetrieben ergab, dass etwa 80% eine Tariferhöhung zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen. Die Verkehrsunternehmer befürchten einen starken Rückgang der Nachfrage. Verlässliche Zahlen über die Auswirkungen des Mindestlohnes liegen noch nicht vor. Die Entscheidung der Taxikommission, den Markt erst zu beobachten, wurde von der großen Mehrheit der Mitglieder sehr positiv aufgenommen.Frage 3:
Wie kann auch ab 1.1.2015 die ausreichende Versorgung der Stadt mit Taxis gewährleistet werden oder besteht derzeit ein Überangebot?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat ein sogenanntes „Funktionsfähig- keitsgutachten“ in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse dieses Gutachtens sind in der Sitzung der Taxikommission am 23. Februar 2015 vorgestellt worden. Danach soll es derzeit ca. 400 - 600 Taxis zu viel in München geben. Die hohe Anzahl der Taxi-Konzessionen stammt noch aus den 70-er Jahren, als man sicherstellen wollte, dass während der Olympischen Spiele eine ausreichende Versorgung mit Taxis gegeben war. Die Konzessionen wurden in der Vergangenheit auf Antrag immer wieder erteilt.
Zu prüfen wäre also, ob und inwieweit das Verfahren der Wiedererteilung so umgestellt werden kann, dass mittelfristig die Anzahl der Konzessionen reduziert würde. Dadurch würde sich die Ertragslage der verbleibenden Unternehmen verbessern können.
Nach Vorlage des vollständigen Gutachtens wird das KVR dieses bis zur nächsten Sitzung der Taxikommission auswerten, sodann die Mitglieder der Kommission über die Ergebnisse dieser Auswertung informieren sowie ggf. Vorschläge unterbreiten, wie die Empfehlungen aus dem Gutachten umgesetzt werden können.
Frage 4:
Wird künftig bei Kontrollen verstärkt auf mögliche Schwarzarbeit geachtet? Wie kann sichergestellt werden, dass ehrlich abrechnenden Unternehmen und ihren Fahrern kein Nachteil aus der Einführung des Mindestlohnes entsteht?
Antwort:
Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass der Zoll (Finanzkontrolle Schwarz- arbeit) die Einhaltung des Mindestlohnes kontrolliert. Neben der zustän- digen Behörde ist aber auch eine weitere Kontrollinstanz geschaffen worden, nämlich die Arbeitnehmer, die das Einhalten der Vorschriften aus dem Mindestlohngesetz vorrangig aus Eigeninteresse prüfen
werden.
Die Taxi-München eG vermittelt Aufträge nur an Taxis mit gültiger Genehmigung und an Fahrpersonal mit gültigem Personen beför-
derungsschein. Die vom Münchner Taxiverband oft verbreitete Meinung über umfangreiche Schwarzarbeit im Münchner Taxigewerbe bei nichtnäher definierten, vermutlich außerhalb dieses Verbandes agierende Unternehmen, kann die Taxi-München eG nicht bestätigen.
Die Taxi-München eG ist bemüht, eigene Verfahren zur Einhaltung des Mindestlohnes zu installieren. Dazu ist eine Satzungsänderung notwendig, die von den Mitgliedern auf der diesjährigen Generalversammlung im Juli beschlossen werden muss. Man gehe von einer entsprechenden
Zustimmung des Anliegens aus, da der Großteil der Münchner Taxibetriebe ordentlich arbeite und die Regelungen des Mindestlohngesetzes korrekt umsetze.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantwortet werden konnten.