Wie reagiert München aktuell auf die Auswirkungen des Klimawandels?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner und Sabine Krieger
(Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) vom 12.12.2014
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 12.12.2014 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird:
Da verschiedene verwaltungsinterne Abstimmungen erforderlich waren, wurde am 23.12.2014 um Fristverlängerung bis 31.3.2015 gebeten. Mit Schreiben vom 15.4.2015 wurde um eine weitere Verlängerung der Frist bis 30.4.2015 ersucht.
In Ihrer Anfrage beziehen Sie sich auf Aussagen der im Umweltausschuss am 2.12.2014 und der Vollversammlung am 17.12.2014 vorgestellten Klimafunktionskarte der Landeshauptstadt München in Verbindung
mit dem voraussichtlich Mitte 2016 vorliegenden Maßnahmenkonzept Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt München. Vor dem Hintergrund der aktuellen städtebaulichen Entwicklung fragen Sie, wie die mit Freiraumplanung und -unterhalt befassten Referate auf die Ergebnisse der Klimafunktionsuntersuchungen reagieren. Die Einzelfragen werden zuständigkeitsbezogen durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, das Baureferat, HA Gartenbau und das Referat für Gesundheit und Umwelt beantwortet.
Der Beantwortung Ihrer Fragen ist vorauszuschicken, dass die
im Dezember 2014 veröffentlichte Klimafunktionskarte auf der
Maßstabsebene des Flächennutzungsplanes angesiedelt ist (M 1:30.000). Die Aussagen der Karte beziehen sich auf thermische Belastungen
im Siedlungsbereich, klimatische Ausgleichsfunktionen der Grün- und Freiflächen sowie den Luftaustausch während austauscharmer sommerlicher Wetterlagen. Zudem wird eine Bewertung der Grünflächen aus bioklimatischer Sicht vorgenommen. Aufgrund des verwendeten
Modells (mesoskaliges Modell FITNAH, Rasterweite 50mx50m) und
der verwendeten Grundlagendaten (Strukturtypenkartierung RGU)
erlaubt die Klimafunktionskarte keine kleinräumigen Aussagen, etwa zum Einfluss einzelner Gebäude auf den lokalen Luftaustausch oder zu den mikroklimatischen Auswirkungen einer Hofbegrünung. Damit gibt die Klimafunktionskarte zunächst keine direkten Handlungsanweisungenfür die konkrete städtebauliche Planung auf Maßstabsebene des Bebauungsplans. Sie gibt Hinweise, an welcher Stelle im Stadtgebiet welche klimatischen Funktionen im Zuge der vorbereitenden und verbind- lichen Bauleitplanung oder sonstiger planerischer Entscheidungsprozesse besonders zu berücksichtigen sind. Für spezifische mikroklimatische Aussagen auf der Maßstabsebene der konkreten Bebauungsplanungen sind vertiefende mikroklimatische Untersuchungen (z.B. zu den Auswir- kungen der Gebäudestellung und -höhe auf die Durchlüftung und auf die bioklimatischen Bedingungen) notwendig, um diese dann im Zuge des Abwägungsprozesses bei den Festsetzungen angemessen
berücksichtigen zu können.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
Frage1:
Wie fließen die Erkenntnisse aktuell in die Bauleitplanung ein?
Antwort:
Das Thema Anpassung an den Klimawandel wird nach §§1 und 1a des Baugesetzbuchs (BauGB) in der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung grundsätzlich berücksichtigt und in den Abwägungsprozessen entsprechend gewichtet. Die Klimafunktionskarte ist eine wichtige Grundlage hierfür. Sie gibt Hinweise zu den generell zu beachtenden Klimafunktionen im Quartierszusammenhang und hilft bei der Ent-
scheidung, inwieweit vertiefende Klimauntersuchungen notwendig
sind. Ein Beispiel ist der Bereich der künftigen Bebauungsplanung an der Friedrich-Creuzer-Straße (Bebauungsplan-Nr.2090), durch den eine Kaltluftleitbahn führt. Basierend auf vorläufigen Ergebnissen der Klimafunktionskarte wurde ein Klimagutachten beauftragt, in dem die Luftaustauschverhältnisse modelliert und konkrete Planungshinweise hinsichtlich der Baukörperkonfiguration gegeben wurden, um die
Luftaustauschfunktion zu sichern und die Wärmebelastung zu minimieren.
Stellungnahme des Referats für Gesundheit und Umwelt:
Das RGU ist im Rahmen des Aufstellungsverfahrens für Bauleitpläne beteiligt. Die in seinem Aufgabenbereich liegenden Umweltbelange – u. a. stadtklimatische Belange – werden im Rahmen des Verfahrens (Scoping-Termin, Verfahren nach § 4(1) und 4(2) BauGB) eingebracht.
In diesem Rahmen wurden bislang die stadtklimatischen Aspekte
basierend auf vorhandenen Kenntnissen und Untersuchungsergeb-
nissen eingebracht. Seit dem Vorliegen der Klimafunktionskarte
können diese Aspekte verstärkt in die Stellungnahme eingebundenwerden: Berücksichtigt werden u.a. die Auswirkungen einer Bebauung auf die Umgebung (Veränderung bioklimatischer Bedingungen und
Belüftungsverhältnisse) und die Verhältnisse innerhalb der geplanten Bebauung.
Die einzelnen Arbeitsgruppen zur Erarbeitung des Maßnahmenkonzepts „Anpassung an den Klimawandel in der LH München“ setzen sich mit der Thematik auseinander, wie die Auswirkungen des Klimawandels in den einzelnen Handlungsfeldern in Planung und Umsetzung berücksichtigt werden können. Dabei werden u.a. Fragen zur Freihaltung klimawirksamer Grünflächen, zu klimaorientierter Gestaltung von Grünflächen und zur stadtklimatischen Wirkung von Gebäudestellung und Bepflanzung
bearbeitet. In diesem Rahmen sind zudem klimatische Gutachten auf einer detaillierteren Maßstabsebene geplant, um auch Aussagen zur Wirkung von einzelnen Gebäuden und Bepflanzung (z. B. Wirkung von Einzelbäumen, Fassaden- und Dachbegrünung) treffen zu können.
Frage 2:
Werden die Aspekte des Luftaustausches durch Freihaltung von Frischluftschneisen in den B-Plänen berücksichtigt? Wenn ja wie; wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Ja, sie werden bereits seit längerem berücksichtigt. Auf der Ebene des Flächennutzungsplans mit integriertem Landschaftsplan werden für den Luftaustausch wichtige, von Bebauung freizuhaltende Bereiche als „Allgemeine Grünfläche, AG“ oder als „Grünverbindung“ dargestellt und auf der nachfolgenden Ebene des Bebauungsplans mit Grünordnung
festgesetzt. Ein älteres Beispiel ist der Riemer Park – seine Lage, Dimension und Gestaltung sind maßgeblich von seiner Funktion als Ventilationsbahn bestimmt – oder die Planungen zu den zentralen Bahnflächen.
Die Klimafunktionskarte zeigt wichtige Luftaustauschbahnen für das gesamte Stadtgebiet: Dargestellt werden das modellierte Kaltluft- strömungsfeld (wirksam vor allem bei austauscharmen Wetterlagen) und nachrichtlich aus vorangegangenen Studien übernommene Flächen mit Luftaustauschpotenzial (wirksam je nach Windrichtung). Damit unterstützt bzw. begründet die Klimafunktionskarte entsprechende Darstellungen im Flächennutzungsplan. Gleiches gilt für vertiefende Untersuchungen auf Bebauungsplanebene, deren Ergebnisse in entsprechende Festsetzungen münden (vgl. künftigen Bebauungsplan mit Grünordnung Friedrich-Creuzer-Straße (Bebauungsplan-Nr.2090).Frage 3:
Wie wird Hitzeinseln in der Planung, aber auch im Bestand entgegengewirkt?
Antwort:
Im Bereich der Stadtplanung und Bauordnung wird der Ausbildung von Hitzeinseln durch zweckdienliche Darstellungen im Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan und geeignete Festsetzungen und Hinweise in den Bebauungsplänen mit Grünordnung, etwa zu Lage, Form und Größe von Grün- und Freiflächen, zur Gebäudekonfiguration und zur Freiflächen-, Straßen- und Gebäudebegrünung (inkl. Mindestanforderungen an die Bepflanzungsqualität) sowie die konsequente Anwendung der Freiflächengestaltungssatzung entgegengewirkt.
Ergänzend teilt das Baureferat hierzu mit:
Wichtiges Ziel bei der Planung und dem Ausbau von öffentlichen Grün- flächen ist deren hohe Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung. Nachdem es in München heißer und trockener werden soll, müssen die Grün- und Freiflächen künftig verstärkt als Kaltluftproduzenten dienen und nicht nur für den behaglichen Aufenthalt im Grünen, sondern auch für Kalt-/ Frischluftzufuhr in die umliegenden Wohnquartiere/Wohnungen sorgen.
Sowohl bei der Neuanlage als auch bei der Sanierung von öffentlichen Grünflächen wird daher verstärkt auf einen klimasensiblen Umgang mit den öffentlichen Grün- und Freiflächen geachtet, z.B. durch Er- höhung des pflanzenverfügbaren Wassers im Boden, Erhöhung der Baumartendiversität, insbesondere mit stadtklimaverträglichen Arten, Bereitstellung von schattenspendenden Baumhainen, Vermeidung
massiver Randeingrünungen und Erhöhung des Grünvolumens. Dabei werden die Aussagen der jetzt vorliegenden Klimafunktionskarte
routinemäßig bei Objektplanungen berücksichtigt.
Neben den direkten Handlungsoptionen in den Bereichen Stadtpla-
nung sowie Bau, Entwicklung und Unterhalt öffentlicher Grün- und Freiflächen kann auch die Summe kleinerer Begrünungs- und Entsie- gelungsmaßnahmen im privaten Bereich dem Wärmeinseleffekt
entgegenwirken. Hier sind die Sensibilisierung für das Thema und die Förderung privater Initiativen wichtige Ansätze, die auch verfolgt werden.
Frage 4:
Werden Flächen speziell von Bebauung freigehalten, um Hitzeinseln zu vermeiden und Luftaustausch zu ermöglichen?Antwort:
Ja. Das Thema „städtisches Wärmearchipel“ und damit verbunden die Freihaltung von Luftaustauschbahnen ist spätestens seit den 1980-er Jahren ein für die Abwägung in der Bauleitplanung relevanter Aspekt, der z.B. bei den Planungen für die Messestadt Riem und den Riemer Park oder für die Zentralen Bahnflächen eine wichtige Rolle spielte. Die Klimafunktionskarte unterstützt die Bestrebungen, Luftaustauschbahnen in ausreichender Größe freizuhalten, indem sie wichtige Korridore aufzeigt und Hinweise für vertiefende Untersuchungen gibt.
In den am stärksten vom Wärmeinseleffekt betroffenen innerstädtischen Bereichen kommt vor allem dem kleinräumigen Luftaustausch zwischen lokalen Grünflächen und der umgebenden Bebauung eine wichtige Rolle zu. Allgemein ist es in den innerstädtischen Bereichen wegen der hohen Dichte und des begrenzten hoheitlichen Instrumentariums schwierig, den Wärmeinseleffekt mit den Instrumenten der Bauleitplanung signifikant zu reduzieren. Hier sind vor allem kleinräumige Maßnahmen zur
Verbesserung des lokalen Mikroklimas, insbesondere im Hinblick auf die Aufenthaltsqualität im Freiraum, möglich und sinnvoll. Hier geht es auch darum, Eigentümerinnen und Eigentümer zu ermuntern, auf Privatgrund geeignete Maßnahmen, z. B. Hofbegrünungen oder Entsiegelungen, durchzuführen (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 3).
Frage 5:
Welche Auswirkungen haben die Ergebnisse auf die Qualität und Ge- staltung neuer Grünflächen?
Antwort:
Hierzu verweist das Baureferat auf die Antwort zu Frage 3.
Frage 6:
Wie werden bestehende Grünflächen für die Entwicklung aufgerüstet?
Antwort:
Hierzu verweist das Baureferat auf die Antworten zu Frage 3. Darüber hinaus wird auch dieser Aspekt im Rahmen des zu erstellenden Maß- nahmenkonzeptes berücksichtigt werden.
Fragen 7 und 8:
Welche Maßnahmen sind zur weiteren Entsiegelung in München geplant? Was tut die Stadt, um weitere Versiegelungen zu minimieren?Antwort:
Das Thema der Ver- bzw. Entsiegelung erhält im Zusammenhang mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels besondere Relevanz. Nach §1a BauGB ist mit Grund und Boden sparsam umzugehen. Die
daraus abgeleiteten Gebote, die Neuversiegelung zu minimieren und wo möglich zu entsiegeln, werden im Zuge der Bauleitplanung regelmäßig berücksichtigt. Das gilt für Neuplanungen wie für Umstrukturierungen oder Konversionen z.B. von Kasernen oder Gewerbeflächen in
Wohnquartiere. Im Bauvollzug werden diese Ziele auch mit der Frei- flächengestaltungssatzung der Landeshauptstadt München verfolgt. Darin ist festgelegt, dass die nicht überbauten Grundstücksflächen (inkl. geeigneter Dachflächen ab 100m²) zu begrünen und Zuwege bzw. Zufahrten auf ein Mindestmaß zu beschränken und mit wasser- durchlässigen Belägen zu versehen sind.
Ergänzend wird auf die Antwort zuFrage 3 verwiesen.
Ebenfalls ergänzend teilt das Baureferat hierzu mit, dass beim Ausbau von Grün- und Freiflächen grundsätzlich die Versiegelung des Bodens soweit wie möglich vermieden wird.
Frage 9:
Welche Strategie verfolgt das Planungsreferat, um Großbäume künftig stärker zu schützen?
Antwort:
In der Bebauungsplanung mit Grünordnung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, schützenswerte Bäume – nicht nur Großbäume – als „zu erhalten“ festzusetzen. Neben ihrer naturschutzfachlichen und ortsbildprägenden Bedeutung sind hier auch mikroklimatische Gesichtspunkte relevant. Darüber hinaus wird angestrebt, Unterbauungen in Höfen bzw. im Gebäudeumfeld soweit wie möglich zu vermeiden, um ausreichenden Wurzelraum mit Anschluss an den gewachsenen Boden auch für neue Großbäume zu sichern.
Für den generellen Baumschutz sind die Baumschutzverordnung und ggf. die Verordnung zum Schutz der Naturdenkmäler einschlägig. Die Untere Naturschutzbehörde nutzt die Beratungsgespräche beim Vollzug der Baumschutzverordnung dazu, die Funktionen und den Wert von Bäumen darzustellen und Alternativen zur Fällung aufzuzeigen. Dabei werden in geeigneten Fällen auch Zuschüsse für die Baumpflege in Aussicht gestellt. Auf diese Weise wird darauf hingewirkt, geschützte Bäume so langfristigwie möglich zu erhalten. Die Baumschutzverordnung erlaubt, nach ökologischer Bedeutung, Vitalität und Dominanz der zu fällenden Bäume zu differenzieren und die Menge und Qualität der Ersatzbäume bzw. die Höhe der Ausgleichszahlung entsprechend festzulegen.