Inklusion in der Kultur Gebärdensprache und Einblendung von Texten an Theatern
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 9.3.2016
Antwort Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen die Einführung von Gebärdensprache und die Einblendung von Texten an städtischen Theatern. Der Auftrag, Inklusion im Kulturbereich für Menschen mit Behinderungen einzuleiten und umzuset¬zen wurde mit Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats der Landeshauptstadt München vom 17.12.2014 dem Kulturreferat bereits zugewiesen (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 01908). Der Inhalt Ihres Antrages betrifft eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 9.3.2016 teile ich Ihnen Folgendes mit:
1. Die Landeshauptstadt München sorgt in ihren kommunalen The- atern für ein Angebot von Vorstellungen mit Gebärdensprache und/ oder der Einblendung von Texten. Das Angebot sollte zunächst monat- lich und bei entsprechender Nachfrage wöchentlich erfolgen.
Der Antrag zielt auf den Aufbau eines regelmäßigen Angebotes für gehörlose Menschen sowie für Menschen mit einer Hörbehinderung. Das Kulturreferat unterstützt dieses Anliegen und erprobt mittlerweile in unterschiedlichen Formaten, wie ein solches Angebot aussehen könnte.
Im Rahmen der Maßnahme 31 des Münchner Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurden beispielsweise 15 Veranstaltungen im Rahmen von „Was geht? Kunst und Inklusion“ mit Gebärdensprachdolmetschern/innen begleitet.
Abgesehen davon, dass es teilweise schwierig war, für so viele Veranstaltungen Gebärdensprachdolmetscher/innen unter Vertrag zu nehmen, mussten die Veranstalter aber auch zur Kenntnis nehmen, dass trotz intensiver Werbung niemand anwesend war, der Gebärdensprache benötigte. Nach der offiziellen Schwerbehindertenstatistik 2015 waren insgesamtca. 300 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in München gehörlos und ca. 400 mehrfachbehinderte Menschen registriert, die ebenfalls gehörlos sind. Die Nachfrage nach kulturellen Angeboten ist in dieser Bevölkerungsgruppe nicht signifikant höher als in der übrigen Bevölkerung Münchens. Das Kulturreferat ist sich dieser Thematik bewusst und versucht demnach, Besuche in allen Kulturinstitutionen entsprechend der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu ermöglichen. Mit dem Gehörlosenverband München und Umland e.V. (GMU) ist vereinbart, dass künftig alle Veranstaltungen mit Gebärdensprachdolmetschern/innen an den Verband digital gemeldet werden, damit dieser auf seinen Internetseiten die Mitglieder gezielt auf die Ereignisse aufmerksam macht.
In allen städtischen Theatern sind bereits Induktionsschleifen für schwerhörige Menschen vorhanden bzw. werden mobile Frequenzmodulations-Hörsysteme (FM-Anlagen) erprobt.
Die fest installierten oder mobilen Induktionsschleifen bauen ein Magnetfeld auf, das Menschen mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten durch ein Umschalten ihrer Geräte auf die Telefon-Spule (T-Funktion) nutzen können. Sie blenden alle Nebengeräusche aus und ermöglichen störungsfreies Hören. Mobile Hörsysteme können außerdem mit Kopfhörern ausgestattet werden, so dass Menschen, die noch kein Hörgerät tragen, sie ebenfalls nutzen können. Der Vorteil ist, dass sie an allen Plätzen eines Zuschauerraumes eingesetzt werden können, also keine speziellen Plätze vorgehalten werden müssen.
Zusätzlich kann eine mobile FM-Anlage auch über die Veranstaltungstechnik des Kulturreferats von verschiedenen Veranstaltern ausgeliehen werden.
Texteinblendungen mit Hilfe von anwesenden oder über das Internet verbundenen Schriftdolmetschern/innen sind zwar für Kongresse, Tagungen oder Besprechungen gut geeignet, selten jedoch für Theateraufführungen, weil das Publikum zeitverzögert jeden Tippfehler und die automatischen Rechtschreib-Korrekturen der Computer-Programme mitlesen muss.
Münchner Volkstheater
Das Münchner Volkstheater hat nach einem erfolgreichen Experiment mit der Audiodeskription eines Stückes für blinde und sehbehinderte Menschen vor, voraussichtlich in der nächsten Spielzeit ein Stück mit Gebärdensprachdolmetschern/innen zu zeigen. Auch für die Spielzeit 2017 werden im Münchner Volkstheater inklusive Aufführungen zu sehen sein. Ob Über- oder Untertitel möglich werden, hängt jedoch am jetzigen Standort des Volkstheaters von der Dramaturgie und der Inszenierung eines jeden einzelnen Stückes ab. Eine feste Installationsmöglichkeit ist in diesem The-ater baulich nicht gegeben. Mit dem Neubau des Münchner Volkstheaters werden jedoch alle baulich erforderlichen Voraussetzungen für ein inklusives Theater vorhanden sein.
Münchner Kammerspiele
Auch bei den Münchner Kammerspielen wurden bereits zahlreiche Erfahrungen mit Gebärdensprachdolmetschern/innen in verschiedenen Inszenierungen gemacht. Derzeit schauen sich Gebärdensprachdolmetscher/innen verschiedene Inszenierungen an, um festzustellen, ob eine Übersetzung in Gebärdensprache überhaupt möglich ist. Aus dieser Einschätzung wird eine Auswahl getroffen. Stücke mit Improvisationsanteilen eigenen sich nicht, da für die Gebärdensprachdolmetscher/innen die erforderliche Vorbereitung der Gesten für die Simultanübersetzung nicht möglich ist. Die Münchner Kammerspiele zeigen bereits in der Kammer 1 Texte in englischer Sprache. Unter- bzw. Übertitel in Deutsch sind in Planung. Auch die Münchner Kammerspiele experimentieren bereits mit der Audiodeskription eines Stückes sowie Tastführungen vor der Vorstellung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB).
Schauburg
Die Schauburg hat als Jugendtheater seit langem für alle Kinder und Jugendlichen das Tanztheater entwickelt. Das Tanztheater kommt völlig ohne Sprache aus. Es wurde besonders für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund entwickelt, ist aber auch für gehörlose und hörbehinderte Kinder und Jugendliche geeignet. Dieses Angebot ist inklusiv. Weiterhin pflegt die Schauburg seit Jahren eine Zusammenarbeit mit dem Gisela-Gymnasium. Diese Schule hat eine Klasse mit hörbehinderten Schülern/ innen. Zur Vorbereitung des Unterrichts und des Theaterbesuchs stellt das Theater für die Lehrkräfte der Schule Unterrichtsmaterial (Texte und Videos) zur Verfügung.
Die Schauburg sieht aufgrund der beengten Bedingungen des Hauses allerdings keine Möglichkeit, die Übersetzung durch Gebärdensprachdolmetscher/innen oder Texteinblendungen anzubieten.
Eine Induktionsschleife ist vorhanden.
Deutsches Theater
Das Deutsche Theater ist als reines Gastspielhaus darauf angewiesen, dass die Produzenten im In- und Ausland inklusive Produktionen liefern. Erfahrungsgemäß war dies bisher sehr selten – und wenn, dann ungenügend – der Fall.Bei der Übersetzung in Gebärdensprache ergibt sich außerdem dieselbe Situation, wie in den Kammerspielen bereits geschildert: Die Stücke müssten vorher durch Gebärdensprachdolmetscher/innen auf ihre Eignung hin getestet werden. Bei einer kurzen Gastspielzeit ist dies kaum realisierbar. Zusätzlich müsste das Haus die Texte für die Vorbereitung selbst erstellen. Für ein reines Gastspielhaus, wie es das Deutsche Theater ist, ist diese Vorgehensweise nicht möglich. Aber das Deutsche Theater ist dafür sensibilisiert, nach inklusiven Produktionen Ausschau zu halten.
Fazit
Alle Theater haben sich auf den Weg gemacht, Inklusion an ihren Häusern umzusetzen. Texteinblendungen werden nach Möglichkeit an den Theatern je nach Inszenierung eingesetzt, ebenso die Gebärdensprachdolmetscher/ innen. Allerdings muss jedes Haus individuell Erfahrungen sammeln und die Praktikabilität ausloten.
In allen städtischen Theatern sind bereits Induktionsschleifen vorhanden bzw. werden mobile Frequenzmodulations-Hörsysteme (FM-Anlagen)
erprobt. Zusätzlich kann eine mobile FM-Anlage bei der Veranstaltungstechnik des Kulturreferats von anderen Veranstaltern ausgeliehen werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, die Theater mit einem erweiterten Budget für inklusive Vorstellungen auszustatten. Das Kulturreferat wird dies im nächsten Grundsatzbeschluss zur Inklusion voraussichtlich im Frühjahr 2017 dem Stadtrat vorlegen.
Der Vorschlag, monatlich und später wöchentlich in jedem Theater Texteinblendungen und Gebärdensprachdolmetscher/innen einzusetzen ist wegen der oben genannten Bedingungen leider nicht möglich.
2. Der Oberbürgermeister wird gebeten, mit dem Freistaat zu spre- chen, mit dem Ziel, ein entsprechendes Angebot für die Staatlichen Theater zu schaffen.
An den städtischen Theatern wurde die Erfahrung gemacht , dass nur individuelle Lösungen an den Häusern sinnvoll sind. Das Kulturreferat wird diese Ausführungen an die Behindertenbeauftragte des Freistaates Bayern, Frau Badura, senden mit der Bitte um Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch – zumindest für die Theater in München.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.