Ist die E-Prämie illegal?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 15.6.2016
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Die Bundesregierung hat lange über eine völlig unnötige Kaufprämie für E-Fahrzeuge diskutiert und diese vor kurzem im Kabinett beschlossen. Angekündigt wurde, dass die Prämie schnell umgesetzt werden soll. Nun stellt sich heraus, dass die Bundesregierung es für notwendig hält, diese völlig überflüssige Subvention zunächst mit der EU abzustimmen. Dies ist ein bemerkenswerter Vorgang, der die Professionalität von CSU und SPD in Frage stellt.
Nach unserer Kenntnis hat die Landeshauptstadt München (LHM) es nicht für nötig empfunden, ihre Kaufprämie einer Prüfung auf EU-Konformität zu unterziehen. Den Antragstellern wird lediglich eine De-minimis-Erklärung beigelegt. Diese betrifft aber nicht die Problematik der Subventionierung der Automobilhersteller. Dadurch kann die städtische Förderrichtlinie durch- aus gegen EU-Beihilferecht verstoßen.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage 1:
Gab es eine Überprüfung der städtischen Subvention für den Kauf von E-Fahrzeugen mit dem EU-Beihilferecht?
a) wenn ja: war dies eine verwaltungsinterne Prüfung oder gab es ein externes Gutachten?
b) wenn nein: warum hat man auf die rechtliche Prüfung verzichtet?
Antwort:
Das Förderprogramm zur Elektromobilität wurde während seiner gesamten Entwicklungsphase juristisch begleitet und insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung des europäischen Beihilfenrechts im Referat für Gesundheit und Umwelt geprüft.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass durch das Förderprogramm mittelbar ebenso die Fahrzeugindustrie begünstigt werden könnte.Die ausführlichen juristischen Prüfungen haben ergeben, dass in Bezug auf die Automobilhersteller keine europarechtsrelevante Beihilfe vorliegt – sowohl das für EU-Beihilfen erforderliche Tatbestandsmerkmal der Selektivität wie auch das der Wettbewerbsverfälschung sind zu verneinen:
Das Förderprogramm macht in Bezug auf die Hersteller der Fahrzeuge und der Ladeinfrastruktur keinerlei Vorgaben. Eine Förderung ist demnach vollkommen unabhängig vom Hersteller, seiner Herkunft, seinem Sitz, seiner Beteiligung am Förderprogramm, von Art, Größe und Preis der geförderten Fahrzeuge bzw. Ladeinfrastruktur. Es erfolgt damit im Ergebnis keinerlei mittel- oder unmittelbare Diskriminierung von ausländischen gegenüber einheimischen Herstellern der Fahrzeuge oder der Ladeinfrastruktur.
Darüber hinaus sei an die Ausführungen der EU-Kommission in ihrer Mitteilung zu den „Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in der europäischen Automobilindustrie“ vom 25.2.2009, (KOM (2009) 104 endgültig), erinnert: „Der Automobilbau ist mit vielen anderen Branchen eng verflochten. Die Elektro- und Elektronikindustrie, der Maschinenbau, die Informationstechnik und die Hersteller von Stahl, anderen Metallen, Kunststoffen, Gummi und Chemikalien sind wichtige Zulieferer der Automobilindustrie. 20% der Stahlproduktion und 36% der Aluminiumproduktion der EU werden im Kraftfahrzeugbau verwendet. Die Automobilindustrie ist sehr international orientiert. Ihre 250 Produktionsstätten verteilen sich auf 16 Mitgliedstaaten, und in jedem einzelnen Mitgliedstaat gibt es Zulieferer und Vertriebsnetze. Für jedes Automodell liefern um die 50 Unternehmen aus ganz Europa Komponenten zu, und vom Wert eines neuen Autos entfallen ca. 75% auf die Zulieferer. Der innergemeinschaftliche Handel mit Kfz-Komponenten erreicht deshalb ein erhebliches Volumen.“
Zieht man beide vorgenannten Aspekte, die Diskriminierungsfreiheit des Förderprogramms und die tiefgehende, intensive EU-weite Verflechtung der Industrie zusammen, ergibt sich, dass das Förderprogramm in Bezug auf die mittelbar Begünstigten nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führt.
Auch die sogenannte Umwelt- bzw. Abwrackprämie für PKW wurde seinerzeit im Ergebnis mit einer ähnlichen Argumentation nicht als Beihilfemaßnahme eingestuft.
Bei den nach dem Förderprogramm an Unternehmen gewährten Zuschüssen hingegen handelt es sich um Beihilfen im Sinne des Europarechts. Diese werden vom Referat für Gesundheit und Umwelt europarechtskon-form als De-minimis-Beihilfen gemäß den Beihilferegeln der EU-Kommission gewährt (Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, Amtsblatt der EU L 352/1-8 vom 24.12.2013).
Frage 2:
Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bedarf die Förderricht- linie des Bundes der Genehmigung der EU-Kommission: Wurde die Förder- richtlinie der LHM der EU zur Genehmigung vorgelegt?
Antwort:
Die unter dem Förderprogramm ausgereichten Zuschüsse stellen, soweit sie zu einer mittelbaren Begünstigung der Fahrzeugindustrie führen, keine Beihilfen im Sinne des Europarechts dar. Es bestand und besteht deshalb kein Anlass, die Förderrichtlinie der LHM diesbezüglich in Brüssel vorzulegen, siehe Antwort zu Frage 1.
Die an die Unternehmen gewährten De-minimis-Beihilfen sind explizit von der Pflicht zur Vorlage bei der EU-Kommission ausgenommen.
Bei De-minimis-Beihilfen handelt es sich um Zuwendungen von maximal 200.000 Euro in drei Steuerjahren je begünstigtem Unternehmen. Bei derartigen Beihilfen geht die EU-Kommission davon aus, dass angesichts ihrer geringen Höhe die Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten so gering sind, dass sie von der Notifizierungspflicht befreit sind.
Voraussetzung einer Befreiung ist dabei, dass die in der De-minimis-Verordnung aufgestellten Anforderungen an die Beihilfengewährung eingehalten werden.
Dazu gehört es insbesondere, die Zuwendungsempfänger über die Gewährung als De-minimis-Beihilfe in Kenntnis zu setzen, von diesen Informationen über bereits erhaltene De-minimis-Beihilfen einzufordern und eine Bescheinigung über die Höhe der gewährten Beihilfe auszustellen. Die Förderrichtlinie weist unter Punkt 3.6 ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den nach ihr gewährten Zuwendungen um De-minimis-Beihilfen handelt. Darüber hinaus ist in der verwaltungsmäßigen Durchführung durch eine entsprechende Dokumentation sichergestellt, dass auch den weiteren, eben skizzierten Erfordernissen der De-minimis-Verordnung Genüge getan wird.
Das Förderprogramm hält damit die sich aus der De-minimis-Verordnung ergebenden Anforderungen ein. Somit sind die nach dem Förderprogrammgewährten Beihilfen von der Notifizierungspflicht befreit und erfolgen europarechtskonform.
Frage 3:
Sollte die städtische Förderrichtlinie der EU-Kommission nicht zur Geneh- migung vorgelegt worden sein, sieht die Verwaltung es nun für nötig an, angesichts der Prüfung der Kaufprämie des Bundes auf EU-Konformität, das städtische Programm auszusetzen?
Antwort:
Ausweislich der Presseerklärung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 16.6.2016 hat die EU-Kommission zwischenzeitlich bestätigt, dass das Förderprogramm des Bundes beihilfenrechtlich unbedenklich ist. Darin kann kein Grund gesehen werden, das – beihilfenrechtskonforme – städtische Förderprogramm auszusetzen.
Frage 4:
Sollte es dazu kommen, dass der Bund auf die Gewährung der Subvention aufgrund der EU verzichtet, welche Konsequenzen ergeben sich für die Stadt?
Antwort:
Nachdem die EU-Kommission das Förderprogramm des Bundes für beihilfenrechtlich unbedenklich befunden hat (siehe Antwort zu Frage 3), hat sich diese Frage inhaltlich erledigt, so dass von einer Beantwortung abgesehen wird.