Scientology am Isartor – muss das sein?
Anfrage Stadtrat Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 31.3.2016
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 31.3.2016 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilten Sie Folgendes mit:
„In der letzten Zeit macht Scientology für seine Lehren wieder öffentlich Werbung, diesmal am Isartor in der Münchner Innenstadt. Es wurde schon mehrfach beobachtet, dass auch gerade Kinder und Ju- gendliche dort angesprochen werden. In der direkten Umgebung befinden sich die Isar- und Huberschulen mit über 1.000 Schülern sowie weitere öf- fentliche Schulen.
Es wird nach den alt bekannten Mustern, mit massiver, aber auf den ers- ten Eindruck unverfänglicher Werbung versucht, für diese Sekte Mitglieder zu gewinnen.“
Hierzu haben Sie folgende Fragen gestellt:
Frage 1:
Sind dem Kreisverwaltungsreferat diese Werbeaktionen von Scientology bekannt?
Antwort:
Die im Zeitraum 22.3.2016 bis 18.4.2016 durchgeführte Ausstellung „Psychiatrie – Tod statt Hilfe“ des Vereins „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM)“ war dem Kreisverwaltungsreferat bekannt. KVPM gilt als Tarnorganisation der Scientology Organisation. Die Ausstellung wurde unter anderem mit Flugblättern, die direkt vor den Ausstellungsräumen verteilt wurden, beworben. Nach Erkenntnissen des Kreisverwaltungsreferates wurden die Flugblätter an Passanten verteilt, jedoch nicht speziell an Kinder und Jugendliche.
Frage 2:
Sind diese dort statthaft und genehmigt?
Antwort:
Am 6.4.2016 hat die Bezirksinspektion Mitte von der Polizeiinspektion 11 eine Mitteilung erhalten, dass im Anwesen Zweibrückenstraße 8 noch bis zum 18.4.2016 die Ausstellung „Psychatrie – Tod statt Hilfe“ vom VereinKVPM stattfindet und vor dem Eingang der o.g. Örtlichkeit Flyer verteilt werden. Außerdem wurde ein Kundenstopper und eine Entnahmevorrichtung für Handzettel auf öffentlichem Straßengrund aufgestellt.
Da die Ausstellung nicht gewerblich betrieben wird und eine Meinungsäußerung beinhaltet, fällt die Verteilung der Handzettel unter den kommunikativen Gemeingebrauch des § 13 Abs. 1 der Sondernutzungsrichtlinien. Es handelt sich daher nicht um eine genehmigungs- und gebührenpflichtige Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsgrunds. Anders stellte es sich beim Kundenstopper dar, welcher grundsätzlich erlaubnispflichtig ist.
Bei einer Überprüfung der Sondernutzungen durch die Bezirksinspektion Mitte wurde die zuständige Ansprechpartnerin der o.g. Ausstellung am 7.4.2016 auf die Rechtslage hingewiesen und der Kundenstopper und auch die Handzettelvorrichtung wurden daraufhin umgehend vom öffentlichen Straßengrund entfernt. Auch bei einer Nachkontrolle am 12.4.2016 wurde durch die Bezirksinspektion Mitte festgestellt, dass der Kundenstopper und die Handzettelvorrichtung weiterhin vom öffentlichen Straßengrund entfernt und auf Privatgrund aufgestellt waren.
Die Durchführung der Ausstellung wurde vom Verein „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM)“ nicht bei der Bezirksinspektion Mitte angezeigt. Laut Einschätzung der Bezirksinspektion handelt es sich bei Ausstellungen grundsätzlich nicht um öffentliche Vergnügungsveranstaltungen, die nach Art. 19 Abs. 1 LStVG anzeigepflichtig sind. Weitergehende Maßnahmen des Kreisverwaltungsreferates waren daher nicht möglich.
Frage 3:
Wie können die Kinder und Jugendlichen Schülerinnen und Schüler dort vor diesen Aktionen geschützt werden?
Antwort:
Die Durchführung und Bewerbung der Ausstellung war, wie unter Antwort 2 dargestellt, rechtlich nicht zu beanstanden. Auch unter dem Aspekt des Jugendschutzes ist die Verteilung der Flugblätter an Kinder und Jugendliche zu dulden, da für eine Indizierung der Flugblätter keinerlei Anhaltspunkte erkennbar sind. Für eine Deklarierung als jugendgefährdende Veranstaltung (§ 7 JuSchG) liegen derzeit keine Anhaltspunkte vor. Kinder und Jugendliche können im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen der Scientology Organisation und deren Tarnorganisationen deshalb lediglich durch Aufklärungsarbeit und Prävention geschützt werden. Aufgrund der Aufklä-rungs- und Präventionsarbeit der verschiedenen Akteure ist laut aktuellem Verfassungsschutzbericht die Mitgliederzahl der Scientology Organisation in Bayern in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Frage 4:
Wie können diese Aktionen verhindert werden?
Antwort:
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 2.11.2005 (BayVGH, Az. 4 B 99.2582) der Scientology-Organisation attestiert, dass sie sich in der Hauptsache ideell betätigt. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage ist es daher nicht möglich, lediglich aufgrund der Tatsache, dass es sich um die Scientology-Organisation handelt, tätig zu werden.
Frage 5:
Gibt es bei der LH-München eine Fachstelle für das Sektenwesen, bzw. eine Fachabteilung, die sich mit den Umtrieben von religiösen, bzw. Psy- cho-Sekten beschäftigt und ggf. Maßnahmen und Aufklärungsarbeit gegen solche Umtriebe ergreift?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat, Hauptabteilung I, Abteilung Allgemeine Gefahrenabwehr, befasst sich mit Anfragen zu Vereinen und Organisationen der Neueren Religiösen Bewegungen und Weltanschauungsgemeinschaften. Hierbei besteht ein enger Austausch mit anderen Dienststellen der Stadtverwaltung und externen Ansprechpartnern, wie der Polizei und Beauftragten für Neuere Religiöse Bewegungen und Weltanschauungsgemeinschaften.
Darüber hinaus wird in der Stabsstelle „Kommunales Bildungsmanagement und Steuerung“ des Referats für Bildung und Sport das Thema koordinierend bearbeitet, so dass die Schulen über aktuelle Aktivitäten der Szene informiert bzw. Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferates, die sich mit der Scientology-Organisation befassen, sind über die besonderen Problemstellungen und Anforderungen umfassend informiert und sensibilisiert.
Frage 6:
Wenn ja, was hat diese Dienststelle bislang gegen diese Umtriebe in der Umgebung der Zweibrückenstraße unternommen?Antwort:
Wie bereits in den Antworten zu den Fragen 2, 3 und 4 dargestellt, war die Ausstellung in der hier durchgeführten Art und Weise in den wesentlichen Punkten rechtlich nicht zu beanstanden. Festgestellte Verstöße gegen die Sondernutzungsrichtlinien der Landeshauptstadt München wurden umgehend durch die zuständige Bezirksinspektion unterbunden.
Die Schulen werden, wie in Antwort 5 dargestellt, über aktuelle Aktivitäten der Szene informiert bzw. es werden Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Ein zusätzlicher Bedarf an Information im Hinblick auf die Ausstellung in der Zweibrückenstraße war nicht ersichtlich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausstellung den Zeitraum der Osterferien umfasst hat und lediglich die kurzfristig bekannt gemachte Verlängerung der Ausstellungszeit außerhalb der Schulferien lag.
Frage 7:
Wenn nein, warum werden diese signifikanten Gefahren, insbesondere für Jugendliche und noch ungefestigte Persönlichkeiten, nicht genauso ernst genommen, wie der wichtige Kampf gegen den politischen Radikalismus, wo es zumindest gegen den Rechtsradikalismus zu Recht eine gut ausge- stattete Fachdienststelle gibt?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat als Sicherheitsbehörde befasst sich mit Gefahren, die von Neueren Religiösen Bewegungen und Weltanschauungsgemeinschaften oder auch der Scientology-Organisation ausgehen könnten, mit gleicher Intensität, wie z.B. mit Gefahren aus dem Bereich des politischen Extremismus oder anderen Phänomenen.