Projektmanagement für Quartiersvernetzung in Neubaugebieten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Christian Amlong, Ulrike Boesser,
Hans Dieter Kaplan, Bettina Messinger, Dr. Ingo Mittermaier,
Christian Müller und Heide Rieke (SPD-Fraktion) vom 29.4.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Ihr Antrag beinhaltet die Bitte, in Pilotprojekten örtliche Akteure in großen Neubaugebieten, wie z.B. der Prinz-Eugen-Kaserne, einzelner Bauabschnitte in Freiham oder der Bayernkaserne, zeitlich befristet finanziell dabei zu unterstützen, ein externes Projektmanagement für Quartiersvernetzung einzusetzen, um das Zusammenwirken der verschiedenen Bauträger (Genossenschaften, Baugemeinschaften, städtische Wohnungsbaugesellschaften und Investoren), der sozialen und kulturellen Träger sowie der zukünftigen Bewohnerschaft bereits im Entstehen des Neubaugebiets untereinander sowie gegenüber der Stadtverwaltung zu fördern und zu koordinieren.
Nach §60 Abs.9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und §22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil die vom Referat für Stadtplanung für Stadtplanung und Bauordnung nachfolgend vorgeschlagenen Einzelfallprüfungen noch keine unmittelbaren erheblichen Verpflichtungen für die Stadt erwarten lassen. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Im Übrigen wurde bzw. wird der Intention Ihres Antrages teilweise bereits jetzt entsprochen (s.die Ausführungen zu den einzelnen Projekten).
Zu Ihrem Antrag vom 29.04.2016 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung begrüßt es, wenn örtliche Akteure von Anfang an intensiv zusammenwirken, um Gebiete insgesamt positiv zu entwickeln.
Entsprechende Zielsetzungen enthält auch bereits der sogenannte Handlungsraumansatz der PERSPEKTIVE MÜNCHEN. Hier sollen mittelfristig für alle Handlungsräume sog. „Integrierte Handlungsraumkonzepte“ erarbeitet werden, in denen die Ziele für den jeweiligen Raum benannt und mit Umsetzungsstrategien versehen werden. Wichtige Anliegen sind auch die Vernetzung lokaler Akteure und die Schaffung eines gemeinsamen Pla-nungsverständnisses. Die großen Neubaugebiete der Zukunft (Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Nordost und Freiham) liegen in Handlungsräumen.
Eine Kooperation der lokalen Akteure wurde bzw. wird auf verschiedene Weise bereits in diversen Planungen angestrebt:
-Ackermannbogen
Der Ackermannbogen als ehemalige Kasernenfläche wurde u.a. im
Zusammenhang mit der Studie „Älter werden in München“ überaus positiv bewertet und bietet besondere Qualitäten, was auch auf die sehr gute Vernetzung verschiedener Akteure von Anfang an zurückzuführen ist. Zur Unterstützung und Beratung von Baugruppen wurde von der Stadt ein externer Architekt beauftragt.
-Messestadt Riem
Bei der Messestadt Riem wurde ein Modellprojekt „Bürger- und Nutzerbeteiligung“ durchgeführt. Zur Umsetzung wurde zunächst ein Leitfaden in Auftrag gegeben. In einer dreijährigen Startphase sollte das Projekt einen deutlichen Anfangsimpuls erhalten. Konzeption und Durchführung wurden einer Koordination vor Ort übertragen, die ihr Vorgehen mit einer projektbegleitenden Steuerungsrunde, bestehend aus Sozialreferat (Federführung), Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Kulturreferat und Baureferat sowie die Maßnahmeträger Riem GmbH (MRG) abstimmte. Die Kosten hierfür wurden von der MRG
vorfinanziert. Nach 3 Jahren wurde die Steuerungsrunde aufgelöst. Im Folgenden wurde projektbezogen eine sog. „Dialogkommunikation“ durchgeführt.
-Domagkpark
Beim Domagkpark handelt es sich um eine ehemalige Kasernenflä-
che, die von der Stadt erworben und zwischenzeitlich weiterveräußert wurde. Zur Vertretung ihrer Interessen haben sich die neuen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer auf Eigeninitiative zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Das Konsortium wird durch die
Stadtverwaltung zwar nicht finanziell, jedoch beratend unterstützt (z.B. durch intensive Bauherrenberatung). Das Ergebnis ist beim Domagkpark grundsätzlich positiv zu sehen. Bei diesem Quartier konnten durch den Austausch der Vertretungen der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner berechtigte Anregungen noch in den Bebauungsplan aufgenommen werden.-Prinz-Eugen-Park
Auch beim Prinz-Eugen-Park handelt es sich um eine ehemalige Ka-
sernenfläche. Auch hier haben sich die Grundeigentümerinnen und -eigentümer auf eigene Initiative zu einem Konsortium mit einem Ansprechpartner zusammengeschlossen. Die Arbeit des Konsortiums
Prinz-Eugen-Park baut auf den Erfahrungen aus dem Domagkpark auf. Es wird, mehr noch als das Konsortium Domagkpark, hilfreich beim Aufbau einer von Beginn an funktionierenden Quartiersvernetzung
sein, sich aber auch wesentlich mehr noch an den Umsetzungsabläufen beteiligen. Hier wurden von Anfang an die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer mit ihren Planungsbüros in die Umsetzung eingebunden. Dass es mit dem Konsortium nur einen Ansprechpartner gibt, ist aufgrund der umfangreichen und komplexen Problemstellungen im Prinz-Eugen-Park in jedem Fall eine Erleichterung.
-Freiham
In Freiham Nord ist voraussichtlich im Herbst 2016 ein Beschluss zur Stadtteilarbeit geplant. Hier handelt es sich nicht um Projektmanagement im klassischen Sinne, sondern die bessere Vernetzung des Stadtviertels. Es soll, ähnlich einem Quartiersmanagement in Sanierungsgebieten, vor Ort eine direkte Ansprechperson für die neue Nachbarschaft geschaffen werden, die informiert, Zwischennutzungen koordiniert und Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Dazu soll die Stadtteilarbeit vergeben werden.
Seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung wurden auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG zum Antrag eingebunden:
Die GWG unterstützt den Antrag sowie den Gedanken, die Kosten hierfür zeitbefristet durch die Verwaltung mitzutragen, da bei einigen Akteuren die Bereitschaft zur Kostenübernahme auf diese Weise motivierend unterstützt werden kann.
Nach Aussage der GWG zeigen die Erfahrungen aus den Entwicklungen von größeren Neubauquartieren eindeutig die Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit eines übergreifenden Managements der Quartiersentwicklung. Die GWG merkt an, dass für die Abstimmung und den Austausch von unterschiedlichen Zielsetzungen, Intentionen, Möglichkeiten und Bereitschaften der sehr unterschiedlichen Akteure in Bezug auf quartiersrelevante Aktivitäten, Investitionen und Nutzungen eine Plattform gegründet und gemanagt werden sollte. Im Bereich des Sozial- bzw. Quartiersmanagements derGWG München ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen kulturellen und sozialen Trägern in den Stadtvierteln ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Quartiersentwicklung. Die GWG nennt hier bspw. den Austausch „Regsam“ in den jeweiligen Facharbeitskreisen. An der Entwicklung und dem übergreifenden Austausch im Konsortium „Domagkpark“ war anfangs auch die GWG aktiv beteiligt. Der GWG erscheint es im Sinne des jeweiligen Quartiers zielführender, die Organisation und Verfolgung im Sinne des Quartiers in unabhängige professionelle Hände zu legen. Aus diesem Grund schlägt die GWG vor, den Zusammenschluss in Form eines „Konsortiums“ durch ein externes Projektmanagement zu ersetzen.
Auch die GEWOFAG hat sich im Rahmen des Konsortiums „Domagkpark“ seit seinem Beginn 2011 stark engagiert. Nach Ansicht der GEWOFAG zeigte sich bei diesem Engagement, dass ein übergeordneter Koordinator, der nicht unmittelbar beteiligt oder betroffen ist und die Aktivitäten aller Akteure koordiniert, ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen dieses Projekts ist. Die Erfahrungen der GEWOFAG aus der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure bei der Entwicklung des Quartiers „Domagkpark“ sind positiv und vielversprechend. Daher begrüßt die GEWOFAG die Stadtratsinitiative, bei Neubauvorhaben ein professionelles und unabhängiges Projektmanagement zu etablieren.
Die GEWOFAG merkt an, dass notwendige Investitionen in die soziale Infrastruktur durch das abgestimmte Vorgehen der Akteure viel zielgerichteter erfolgen können. Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure bewirkte nach Aussage der GEWOFAG nebenher eine Bündelung der Kräfte, wodurch gemeinschaftliche Interessen mit Nachdruck realisiert werden konnten. Das Ziel, eine vielfältig nutzbare soziale, kulturelle und kommerzielle Infrastruktur zu schaffen, wird durch die Etablierung eines Projektmanagements gefördert. Zudem können die wohnungsnahe Versorgung und das nachbarschaftliche Miteinander dadurch viel stärker am echten Bedarf der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet werden.
Durch das bedarfsgerechte Angebot an sozialer Infrastruktur und die richtige Mischung der Bewohnerschaft geht die GEWOFAG davon aus, dass die Kosten für die soziale Betreuung eines Quartiers, gerade in den Anfangsjahren, deutlich gesenkt werden können.
Als positive Beispiele des Zusammenwirkens der Akteure benannte die GEWOFAG:-die Beteiligung der zukünftigen Bewohnerschaft an der Gestaltung des Wohnquartiers – zur Identifikation mit dem neuen Lebensumfeld
-die Abstimmung zur Nutzung der Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftsräume zur Vermeidung von Redundanzen
-die Vernetzung der Anwohnerinnen und Anwohner im Vorfeld – zur Stärkung einer guten Nachbarschaft
-die Analyse des Bedarfs an Betreuungs- und Bildungseinrichtungen im Quartier – Lücken im anfänglichen Betreuungsangebot konnten so vermieden werden
-die Entwicklung eines ganzheitlichen Mobilitätskonzepts mit der Besonderheit als regenerative Sharing-Mobility
-die übergreifende Bearbeitung der Themen Inklusion und Barrierefreiheit unter Berücksichtigung der Interessen von Blinden, Sehbehinderten und Gehörlosen
-die Schaffung von frühzeitigen, interaktiven Informations- und Beteiligungsplattformen für die Bewohnerschaft und interessierte Bürgerinnen und Bürger
-die Gründung eines Quartiersvereins und einer Quartiersgenossenschaft und damit Förderung des bürgerschaftlichen und nachbarschaftlichen Engagements
-eine gemeinschaftliche Planung der Grünflächen und Parks sowie
-die Abstimmung einer bedarfsgerechten gewerblichen Infrastruktur, die die unterschiedlichen Bewohnerstrukturen der verschiedenen Bauabschnitte berücksichtigt.
Die dargestellten Beispiele verdeutlichen, dass es bei den verschiedenen Planungen kein „Patentrezept“ für eine gelungene Quartiersvernetzung gibt, sondern dass Ausgestaltung und Erfolg einer Quartiersvernetzung von der Eigenart des jeweiligen Projekts abhängen.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird daher bei den künftigen Projekten im Einzelfall prüfen, ob und in welcher Form eine Quartiersvernetzung von der Landeshauptstadt München beauftragt oderzumindest unterstützt werden kann. Als künftige geeignete Projekte sind aus Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung insbesondere das Kreativquartier an der Dachauer Straße und die ehemalige Bayernkaserne in Betracht zu ziehen. Für Freiham wird derzeit bereits, wie oben dargestellt, die Beauftragung einer Stadtteilarbeit vorbereitet.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.