Die 2015 erstmals von der Stadt vergebenen zwei Arbeitsstipendien für Autorinnen und Autoren gehen in diesem Jahr an Kilian Leypold für sein Romanprojekt „Miausch“ und an Franz-Maria Sonner für sein Romanprojekt „Abt Gregor begegnet dem Schicksal“. Dies hat der als Feriensenat tagende Verwaltungs- und Personalausschuss heute auf Empfehlung der Jury beschlossen.
Die zwei Arbeitsstipendien sind mit jeweils 6.000 Euro dotiert und werden jährlich für literarische Projekte an Münchner Autorinnen und Autoren aus- gereicht, die sich mit ihrem Werk bereits literarisch ausgewiesen haben und im Literaturbetrieb in Erscheinung getreten sind. Beworben haben sich heuer 33 Autorinnen und Autoren.
Jurybegründung für Kilian Leypold
Kilian Leypolds Romanexposé Miausch reiht sich in die Geschichte der Ho- telromane ein, die spätestens mit Joseph Roths Hotel Savoy Geschichten von Flucht, Heimatlosigkeit und Vertreibung erzählen. Leypolds Text gibt dieser Tradition eine originelle Wendung, hier bekommt das Hotel ein Kind. Das Kind ist nicht schön, hat das Gesicht einer Kröte, scheint auch nicht besonders klug, doch seine Stimme weiß zu verzaubern. Viel kann dieses schäbige Hotel in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs nicht mit ihm anfangen. Doch der Junge, ein Flüchtlingskind, weiß sich durchzuschlagen, findet Verbündete und Schutzräume – wenn auch mit der Angst im Nacken von der fremdenfeindlichen Hotelangestellten entdeckt zu werden. Die Jury würdigt den unsentimentalen Ton, das gelungene Spiel mit den Erzählperspektiven, den anderen Blick auf München (vom Bahnhofsviertel bis zum Nymphenburger Park) und den kunstvollen Einsatz grotesker Ele- mente, wie beispielsweise die Geschichte von dem Hotelgast, der seine Hyäne als Hund ausgibt, oder den Auftritt der Bernstein-Waldschabe. Ins- gesamt sieht die Jury mit diesem Exposé ein vielversprechendes Roman- projekt angelegt, das eine überzeugende ästhetische Form gefunden hat für ein nicht nur derzeit brennendes Thema.
Jurybegründung für Franz-Maria Sonner
Sonners Text handelt von dem Augustinermönch und Begründer der Gene- tik, Gregor Mendel (1822 – 1884). Dem Autor geht es dabei aber nicht um einen umfassenden historischen Roman oder eine möglichst lückenlose, detailliert nacherzählte Biographie. Er will vielmehr den Widerspruch zeigen zwischen dem Selbstbild eines Menschen und jenem Bild, das die Nach- welt sich von diesem macht. Der äußere Rahmen ist eine Zugfahrt, ein Jahr vor Mendels Tod, von Wien zurück nach Brünn – eine Fahrt, während der ein alter, kranker, fettleibiger Mann Stationen seines Lebens Revue passieren lässt. Mendel betrachtet seine Lebensgeschichte nicht als Er- folgsgeschichte, sondern als das Gegenteil davon: Er fiel durch die Lehr- amtsprüfung, fand mit seiner Vererbungslehre in der wissenschaftlichen Welt keinen Anklang und blieb erfolglos mit seinem Widerstand gegen den sog. Religionsfond. Sonners Mendel begreift sich als Gescheiterter. Die in Form einer Novelle angelegte Geschichte (bzw. der eingereichte Beginn dieser) überzeugt sprachlich und stilistisch als auch vom erzähleri- schen Konzept her. Sonner schreibt nicht distanziert, aus einer auktorialen Erzählperspektive, sondern versetzt sich (und den Leser) in die Gedanken- und Gefühlswelt seines Protagonisten – und liefert mit dem Psychogramm
eines Menschen an seinem Lebensende auch ein stimmiges Bild seiner Zeit und Gesellschaft.
Der Jury gehörten an:
Gisela Fichtl (Lektorin, Journalistin), Günter Keil (Literaturjournalist), Professorin Annette Keck (Ludwig-Maximilians-Universität), Dr. Franz Klug (Buchhandlung Lentner), Wolfgang Seibel (Kulturjournalist), Antje Weber (Süddeutsche Zeitung) sowie aus dem Stadtrat Beatrix Burkhardt und Marian Offman (beide CSU-Fraktion), Kathrin Abele und Klaus Peter Rupp (beide SPD-Fraktion) und Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste). Weitere Informationen zu den Arbeitsstipendien unter http://www.muenchen.de/literatur.