„Kultur für alle“ – was so selbstverständlich klingt, muss immer wieder neu hinterfragt werden. Das Kulturreferat fördert verstärkt Projekte und Ansätze, die die Inklusion von Menschen mit Behinderung zum Ziel haben. Jeder Achte in Deutschland ist körperlich, geistig oder seelisch so stark beeinträchtigt, dass er an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gehindert wird. Das betrifft auch die Teilhabe an Kulturveranstaltungen, das kreative Tun in der Freizeit oder die Ausübung künstlerischer Berufe. Die Sensibilisierung für den Umgang mit Behinderungen, die Beseitigung von Zugangsbarrieren und die gezielte Ansprache von Menschen mit Handicaps durch passende Angebote sind drei Ansätze, das zu ändern.
Das Kulturreferat hat mit der Reihe „Was geht? Kunst und Inklusion“ 2015/2016 etwa 100 Beispiele vorgestellt, wie die Münchner Kulturszene sich diesen Herausforderungen stellt. Sie haben sichtbar gemacht, was möglich ist und wo noch Handlungsbedarf besteht. Folgende Projekte knüpfen daran an und werden von der Stadt gefördert:
Kunstinstallation Inklusionspunkt am Viktualienmarkt
Noch bis November 2016 ist das Kunstwerk „Inklusionspunkt“ von Susanne Wagner an der Außenwand des Hotels Louis am Viktualienmarkt zu sehen. Als Symbol für das gleichberechtigte Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung bilden 79 runde, gleich große, aber verschiedenfarbige Keramikscheiben einen Kreis. So ergibt sich ein buntes Relief mit über drei Metern Durchmesser, das in seiner Ganzheit wirkt. Gleichzeitig steht jeder glasierte „Punkt“ für sich und strahlt.
Die Hälfte der einzelnen „Inklusionspunkte“ wurde bereits zu Gunsten eines inklusiven Wohnprojekts im Kegelhof verkauft, die weiteren sind noch erhältlich. Sie werden nach der Demontage der Wandarbeit in Wohnungen, an Hausfassaden, in Büros oder Kunstsammlungen wandern und tragen so den Inklusionsgedanken in die Gesellschaft hinein. Das Projekt von Susanne Wagner wird vom Kulturreferat gefördert im Rahmen des Programms „Kunst im öffentlichen Raum“.
Mehr Infos unter www.inklusionspunkt.com
Ausstellung und Kunstverleih „I art my office“
Ein anderes Kunstprojekt, initiiert von städtischen Beschäftigten, will Inklusion als Thema in die Stadtverwaltung hineinbringen. Die Ausstellung „I art my office“ zeigte im Juni/Juli im stark frequentierten Foyer des Aus- und Fortbildungszentrums der Stadt Bilder von 32 professionell tätigen Künstlerinnen und Künstlern, darunter auch viele mit Behinderung. Ausgewählt hatte sie eine Fachjury. In Kooperation mit dem Lenbachhaus wurden sie auf Museumsniveau präsentiert. Etwa 300 interessierte städtische Beschäftigte hatten sich darum beworben, eines der Bilder anschließend für einige Monate in ihr Büro übernehmen zu dürfen. 36 von ihnen konnten leihweise ein Bild erhalten. Alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler stehen mit den Beschäftigten im Austausch über Kunst und Inklusion. Ein Buch wird das gesamte Projekt, über das laufend im städtischen Intranet und in Mitarbeiterzeitschriften informiert wird, dokumentieren. Es erscheint Ende 2016.
Mehr Infos zu „I art my office“ unter www.muenchen.de/wasgeht
Neuauflage des inklusiven Kulturführers für München
„Kultur in München leicht gemacht“ gibt Überblicksinformationen zu den städtischen Bühnen, Museen und Kulturangeboten. Sie sind auf das Wesentliche konzentriert, in Leichter Sprache beschrieben und in großer Schrift abgedruckt. Hinweise zur Erreichbarkeit und Barrierefreiheit der Kulturinstitutionen sowie zu Angeboten in Leichter Sprache stehen im Serviceteil.
Nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, für die das Heft zunächst gedacht war, nutzen den Kulturführer in Leichter Sprache. Auch viele, die bisher noch wenig Zugang zu den Kulturangeboten gefunden haben oder die die deutsche Sprache gerade erst erlernen, schätzen die Publikation. Die große Nachfrage nach dem kostenlosen Heft hat das Kulturreferat veranlasst, eine überarbeitete Neuauflage erstellen zu lassen. Sie wird ab September gezielt verteilt und liegt dann auch in der Stadt-Information aus. Die Erstauflage von „Kultur in München leicht gemacht“ war 2012 anlässlich der Special Olympics in München vom Kulturreferat herausgegeben worden. Sie war ein Beitrag zum Rahmenprogramm der Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
Für die Medien ist „Kultur in München leicht gemacht“ vorab als pdf-Version erhältlich.
Inklusive Kulturangebote auf musenkuss-muenchen.de
Unter www.musenkuss-muenchen.de sind zahlreiche Kulturangebote zum Mitmachen aufgeführt. Sie sind so verschieden wie die daran beteiligten Menschen, und alle finden hier etwas für sie Passendes. Wer in der Rubrik „Angebote“ stöbert, kann sich gezielt inklusive Angebote für Menschen mit und ohne Behinderung anzeigen lassen. Neu ist die Filterfunktion „Inklusion“. Mit einem Mausklick erhält man Hinweise zur räumlichen Zugänglichkeit und zur inhaltlichen Eignung der gelisteten Kulturangebote.
Neue Vermittlungsangebote in Ausstellungen
In den Programmen der städtischen Kultureinrichtungen finden sich Angebote in Gebärdensprache, Leichter Sprache, mit Übertiteln oder Induktionsschleifen. Seit Februar 2016 gibt es das Pilotprojekt „KunstZeit – Veranstaltungen für Menschen mit Demenz“. Es lädt Betroffene und ihre Angehörigen in Ausstellungen ein. Durch intuitives Entdecken, Ertasten, bei Rundgängen mit Musik oder in individuellen Gesprächen eröffnen sich Zugänge zur Kunst. Die Begleitung und Anleitung übernimmt speziell geschultes Personal. Auch Künstlerinnen und Künstler sind eingebunden. Die Konzepte wurden mittlerweile in der Praxis erprobt und nach der Sommerpause ausgeweitet. „KunstZeit“ ist ein Kooperationsprojekt der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, des Lenbachhauses, des Museums Villa Stuck, der Artothek und der Alzheimer Gesellschaft München e.V. Ab Herbst wird „KunstZeit“ auch im Bayerischen Nationalmuseum und im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst angeboten.
Mehr Infos bei den jeweiligen Museen.
Zugangshilfen bei Mobilitätseinschränkungen
Ob mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen – leider müssen oft Umwege genommen werden, um zum Ziel zu kommen. Wie man die städtischen Kultureinrichtungen am besten erreicht, beschreiben diese auf ihren Homepages. Auch die Verfügbarkeit von Gehhilfen oder Rollstühlen vor Ort sind aufgeführt. Diese Hinweise sollen weiter optimiert werden. Einige Häuser werden ab Herbst Kurzfilme einbetten, die zeigen, wo Aufzüge sind, welche Wege am besten befahrbar sind und wie man sich in den Gebäuden orientieren kann. Sie wurden von der Inklusionsbeauftragten des Kulturreferats gemeinsam mit dem Behindertenbeirat unter wissenschaftlicher Begleitung erstellt.
Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers: „Ich wünsche mir, dass wir Inklusion tagtäglich gemeinsam praktizieren. Wenn wir die Perspektiven wechseln und uns durch andere Sichtweisen inspirieren lassen, gewinnen wir alle. Und hoffentlich führt das dazu, dass wir irgendwann nicht mehr über Inklusion sprechen müssen, weil sie selbstverständlich geworden ist.“