2. Stammstrecke – konkrete Zusagen oder nur heiße Luft in Berlin?
Anfrage Stadträte Dr. Josef Assal, Johann Altmann und Richard Progl (Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/Bayernpartei) vom 27.11.2015
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 27.11.2015 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird. Für die gewährte Terminverlängerung vom 8.12.2015 bedanke ich mich.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Ein voller Erfolg sei die Reise der Münchner Delegation nach Berlin gewe- sen, war in den letzten Tagen in der Münchner Presse zu lesen. Der Ober- bürgermeister äußerte sich sogar euphorisch: ‚So weit waren wir noch nie.’ Bundesverkehrsminister Dobrindt kenne laut eigener Aussage ‚kein Limit bei der Stammstrecke’ und einer finanziellen Beteiligung des Bundes. Der ÖPNV in München ist seit langem an seiner Belastungsgrenze ange- langt – statt pragmatischer, schnell umsetzbarer Lösungen zur Entlastung wird jedoch seit Jahren an einem Prestigeobjekt festgehalten, dessen Pla- nung in dieser Zeit keinen Schritt voran gekommen ist und dessen Finan- zierung immer weiter aus dem Ruder läuft.“
Frage 1:
Realität statt Wunschdenken: Gab es tatsächlich konkrete, verlässliche Zusagen in Berlin oder nur optimistische Absichtserklärungen? Wenn ja welche?
Antwort:
Im Rahmen des Projektes „Busse nach Berlin“ fuhren am 24.11.2015 Oberbürgermeister Dieter Reiter, Münchner Stadträtinnen und Stadträte sowie zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus den Kommunen und Landkreisen der Region nach Berlin und veranstalteten im Haus der Deutschen Wirtschaft einen Parlamentarischen Abend zum Thema Verkehr, an dem fast 150 Vertreterinnen und Vertretern der Bundespolitik sowie Politiker und Wirtschaftsvertreter der Metropolregion München teilnahmen.
Sowohl der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Herr Alexander Dobrindt, als auch der Bayerische Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr, Herr Joachim Herrmann, haben sich dabei in der Podiumsdiskussion des Abends klar zum Bau der Zweiten Stammstrecke bekannt.Bundesminister Dobrindt äußerte, er stehe zur Stammstrecke ohne Wenn und Aber, weil sie dringend notwendig und geboten sei. Wenn sich in den momentan durch die Bahn angestellten Untersuchungen der Kosten der Zweiten Stammstrecke eine Kostenerhöhung zeigen werde, dann werde sich der Bund auch an den etwaigen Mehrkosten beteiligen. Die Zweite Stammstrecke sei eines der wichtigsten Verkehrsprojekte überhaupt. Die anwesenden Bundes-, Freistaats- und Kommunalvertreterinnen und -vertreter waren sich einig, dass für weitergehende Vereinbarungen die Ermittlungen der Bahn zu den Kosten der Zweiten Stammstrecke abgewartet werden müssen. Bundesminister Dobrindt bekräftigte, dass der Bund im Boot bleibe und sagte während der Gesprächsrunde „Ich kenne kein Limit bei der Stammstrecke.“ Er wisse, dass die Menschen, die auf der Stammstrecke fahren, am Limit seien, und das wolle er lösen.
Staatsminister Herrmann zeigte sich überzeugt, dass im nächsten Jahr ein Vertrag zur Finanzierung der Zweiten Stammstrecke geschlossen werden könne. Es sei gut, dass die Landeshauptstadt München, der Freistaat Bayern, die Deutsche Bahn und der Bund sich gemeinsam an den Kosten beteiligten.
Frage 2:
Wie lautet der aktuelle, realistische Kostenrahmen des Projekts 2. Stamm- strecke?
Antwort:
Die 2. Stammstrecke München ist ein Projekt der Deutschen Bahn AG (DB Netz AG, DB Station&Service AG sowie DB Energie GmbH) im Auftrag des Freistaates Bayern als zuständigem Aufgabenträger.
Die Deutsche Bahn AG geht, unter Beachtung der angenommenen Preissteigerungen über die Projektlaufzeit, von Gesamtkosten in Höhe von 2,882 Milliarden Euro (Stand Juli 2015) bei einer Inbetriebnahme im Jahr 2025 aus. Die Kostenschätzung ist jedoch nur bedingt belastbar.
Eine verlässliche Kostenkalkulation wird erst die von der Deutschen Bahn AG zwischenzeitlich eingeleitete europaweite Ausschreibung für die Tunnelstrecke von der Donnersberger Brücke bis zum Marienhof, einschließlich der Rohbauarbeiten der neuen Haltepunkte Hauptbahnhof und Marienhof bringen. Auf der Basis der Ausschreibungsergebnisse soll dann im ersten Quartal 2016 eine belastbare Kostenermittlung erfolgen, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Realisierbarkeit der 2. Stammstrecke getroffen werden soll. Diese ist voraussichtlich frühestens in der 2. Jahreshälfte 2016 zu erwarten.Einen bedeutenden Baustein für eine gesicherte Gesamtfinanzierung der 2. Stammstrecke stellt die zwischen Bund und Ländern am 24.9.2015 getroffene grundsätzliche Einigung über die dynamische Fortentwicklung der Regionalisierungsmittel und eine Fortsetzung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)-Bundesprogramms dar. Die Fortführung der GVFG-Mittel über das Jahr 2019 hinaus bedarf jedoch einer entsprechenden Gesetzesänderung.
Frage 3:
Wie wird die Verteilung der Kosten auf die beteiligten Träger aussehen?
Antwort:
Grundlage der Finanzierung der Projektkosten und der Aufteilung der Projektrisiken ist der am 8.4.2011 geschlossene Bau- und Finanzierungsvertrag des Freistaates Bayern und der Deutschen Bahn AG (DB). Gegenstand des Vertrags ist die Gewährung von Zuwendungen des Freistaats zur Finanzierung des Projekts.
Voraussetzung für eine öffentliche Förderung von Infrastrukturprojekten ist eine Kosten-Nutzen-Untersuchung, bei der der erzielbare Nutzen über den aufzuwendenden Investitionskosten liegen muss. Bei der am 25.1.2012 vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie bekannt gegebenen Berechnung der Kosten-Nutzen-
Untersuchung wurde ein Wert von 1,23 und unter Berücksichtigung von Risiken ein Faktor von 1,04 ermittelt.
In einem Spitzengespräch am 27.11.2012 stellte der Freistaat Bayern ein zwischen Bund, Landeshauptstadt München und Freistaat Bayern vereinbartes Konzept zur Finanzierung der Baukosten für die 2. Stammstrecke vor. Demnach sollen zum einen die Anteile des Flughafendarlehens von Freistaat, Bund und Landeshauptstadt München in Höhe von insgesamt 495 Millionen Euro für die Finanzierung verwendet werden, zum anderen sollen Bund und Freistaat zusätzliche Mittel bereitstellen.
Damit ergab sich zum damaligen Zeitpunkt folgende Aufteilung der Finanzierung der auf 2,047 Milliarden Euro prognostizierten Projektkosten:
-Freistaat Bayern 1,274 Milliarden Euro
-Bund 493 Millionen Euro
-DB 133 Millionen Euro
-Landeshauptstadt München 147 Millionen Euro (einschließlich der Kosten für die Herstellung der Umweltverbundröhre in Höhe von 34 Millionen Euro)Darüber hinaus haben sich Deutsche Bahn AG und Freistaat im Bau- und Finanzierungsvertrag auf einen Risikopuffer in Höhe bis zu 500 Millionen Euro verständigt, der zu 40% von der Deutschen Bahn und vom Freistaat und zu 60% vom Bund übernommen wird.
Sollte es zu einer weiteren Kostensteigerung kommen (s.o. Frage 2), so wird eine Anpassung der Kostenverteilung zwischen Freistaat, Bund und DB erfolgen müssen.
Frage 4:
Wann geht es endlich los mit der Umsetzung der Pläne? Bis wann ist realistischerweise mit einer Verbesserung der Verkehrssituation für die Münchner Bürger zu rechnen?
Antwort:
Der noch ausstehende und für Frühjahr 2016 erwartete Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 3 neu München Ost – Isar bis östlich Leuchtenbergring und die Finanzierungsentscheidung sind unabdingbare Voraussetzungen für den Baubeginn der 2. Stammstrecke. Bei Vorliegen aller bau- und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen im Jahr 2016 könnte mit den ersten bauvorbereitenden Arbeiten wie Kabel- und Rohrverlegungen noch im Jahr 2016 begonnen werden. Die Hauptbaumaßnahmen für die 2. Stammstrecke könnten dann Ende 2017/Anfang 2018 starten.
Mit einer Fertigstellung der 2. Stammstrecke (und damit auch einer deutlichen Entlastung der bestehenden Stammstrecke) ist frühestens im Jahr 2025 zu rechnen.