Grundstücke an Baugemeinschaften
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Gülseren Demirel, Jutta Koller und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 12.3.2014
Antwort Kommunalreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil es sich um den Verwaltungsvollzug im Rahmen der Wohnbauförderung handelt. Eine Behandlung erfolgt deshalb auf diesem Wege.
Mit dem Antrag wurde das Kommunalreferat beauftragt, nach Lösungen zu suchen, wie Grundstücke an Baugemeinschaften zum Kaufpreis des Ausschreibungsverfahrens verkauft werden können, auch wenn eine Beurkundung des Kaufvertrages erst deutlich später erfolgt. Dabei soll auch untersucht werden, wie sichergestellt werden kann, dass ein Unterwertverkauf nach Art. 75 GO ausgeschlossen ist.
Aufgrund der komplexen Thematik hat die Bearbeitung einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen. Durch umfangreiche Abwägungen und Abstimmungen konnte der Antrag nicht in der vorgegebenen Zeit behandelt werden. Für die großzügig gewährten Fristverlängerungen und Ihre Geduld möchte ich mich bedanken.
Bei der Vergabe von Grundstücken hat die Stadt die Bestimmungen des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung (GO) zu beachten, wonach Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Dies hat zur Folge, dass durch die dynamische Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt die Kaufpreise für städtische Grundstücke in kürzeren Abständen zu aktualisieren sind.
Bei Baugemeinschaften erfolgt der Verkauf direkt an den Enderwerber, d.h. zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs muss – entgegen den Verfahren bei anderen Akteuren – die Projektentwicklung und insbesondere der Findungsprozess und die Klärung der Finanzierung weitestgehend abgeschlossen sein. Zwischen der Zuschlagserteilung für das Bauquartier und der Beurkundung des Kaufvertrages liegen dadurch naturgemäß längere Zeitspannen, die eine Überprüfung und meist auch eine Anpassung desVerkehrswertes bedingen. Der der Ausschreibung des Grundstückes zu Grunde liegende Verkehrswert konnte damit in vielen Fällen nicht beibehalten werden.
Um eine Verteuerung des Wohnungsbaus für Baugemeinschaften durch eine Nachbewertung zu vermeiden und den Käufern Planungssicherheit hinsichtlich der Finanzierung zu geben wurde als Mittel zur Zielerreichung vorrangig die Möglichkeit des von Ihnen vorgeschlagenen Optionskaufs geprüft.
Ungeachtet der Ausgestaltung im Detail bedeutet ein solches Optionsmodell wirtschaftlich betrachtet, dass sich die Vertragsparteien geraume Zeit vor Übereignung und Kaufpreiszahlung auf einen Kaufpreis einigen müssten.
Mit Blick auf Art 75 GO i.V.m § 194 BauGB müsste dieser dann vereinbarte Kaufpreis zuzüglich eines Optionsgeldes dem Verkehrswert des Grundstücks zu einem deutlich späteren Zeitpunkt entsprechen. So heißt es im § 194 BauGB ‚Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr … zu erzielen wäre.‘ Anders ausgedrückt, eine Wertermittlung müsste also auf einen zukünftigen Stichtag abstellen. Regelmäßig beziehen sich Bewertungen jedoch auf die Gegenwart oder auf Wertermittlungsstichtage, die aus besonderen Gründen – etwa gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen, in der Vergangenheit liegen.
Dies ist sinnvoll, weil die Wertermittlung sich auf die am jeweiligen Stichtag vorliegenden Daten stützen muss. Solche Daten sind für künftige Zeitpunkte jedoch nicht vorhanden. Entsprechend finden sich hierzu in der Fachliteratur sehr eindeutige Aussagen. Im wichtigsten und zentralen Standardwerk zur Wertermittlung „Verkehrswertermittlung von Grundstücken“ von Prof. Kleiber etwa heißt es in der Kommentierung zu § 3 ImmoWertV unter Rd. 1: „Wertermittlungsstichtag ist nach § 3 Abs. 1 ImmoWertV der Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung beziehen soll, d.h. die zu diesem Zeitpunkt auf dem Grundstücksmarkt vorherrschenden allgemeinen Wertverhältnisse sollen maßgebend sein. Dies kann ein gegenwärtiger, aber auch – im Falle einer sog. retrograden Verkehrswertermittlung – ein zurückliegender Zeitpunkt, jedoch kein in der Zukunft liegender Zeitpunkt sein. Denn der Gutachter kann nicht „vorhersehend“ mit der gebotenen Sicherheit die künftige Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt prognostizieren.“In einem persönlichen Gespräch mit Prof. Wolfgang Kleiber (Ministerialrat a.D. im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) bestätigte dieser noch einmal, dass eine Be
wertung in die Zukunft nicht seriös
möglich ist.
Auch oder vielleicht gerade am Immobilienmarkt München kann die künftige Entwicklung nicht vorhergesagt werden. So gab es z.B. Anfang 2016 wieder eine Reihe von Verkäufen, die zeigten, dass sich die Preisspirale noch einmal deutlich nach oben be
wegt, obwohl Ende 2015 durchaus
Stimmen zu hören waren, die eine Abflachung des Preisanstiegs vorhersagten mit der Begründung, dass die Renditen inzwischen so weit gefallen seien, dass Investoren das Interesse verlieren würden. Ob und vor allem in welchem Tempo die Preise weiter steigen und welche weiteren künftigen Entwicklungen am Münchner Immobilienmarkt eintreten werden, kann derzeit niemand vorhersagen. Es ist also festzuhalten: Eine Bewertung in die Zukunft ist verlässlich nicht möglich. Damit kann auch nicht garantiert werden, dass ein heute ermittelter Wert in ein oder zwei Jahren noch den Verkehrswert darstellt und somit den Anforderungen des Art 75 GO i.V.m § 194 BauGB genügt.
Letzteres aber wäre zur Durchführung eines solchen Modells notwendig, denn im wirtschaftlichen Ergebnis bindet die Stadt ein Grundstück für ein bis zwei Jahre und würde somit auf mögliche Preissteigerungen verzichten. Dies entspräche nicht dem üblichen Marktgeschehen, wie es § 194 BauGB beim Verkehrswertbegriff unterstellt. Daher ist ein Optionsmodell nicht umsetzbar.
Neben anderen Lösungsmöglichkeiten, die sich allesamt als nicht zielführend erwiesen haben, hat das Kommunalreferat beim Bayerischen Städtetag eine Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern allgemein zur Frage angeregt, wie durch kommunale Grundstücksgeschäfte die Förderung des Wohnungsbaus zu angemessenen Bedingungen erfolgen kann. Dieses Gespräch fand unter Einbeziehung des Bayerischen Städtetags, des Direktoriums – Rechtsabteilung und des Referates für Stadtplanung und Bauordnung am 03.02.2016 statt. Das Gespräch verlief außerordentlich konstruktiv und erweitert den kommunalen Gestaltungsspielraum gerade auch in Bezug auf Verkäufe an Baugemeinschaften erheblich.
Das Innenministerium erkennt an, dass es ein legitimes Anliegen der Kommunen ist, gerade am Mietwohnungsmarkt die Preise nicht noch
weiter anzuheizen. Bei Baugemeinschaften (und auch bei Wohnungsbau-genossenschaften), bei denen die Wohnraumversorgung für die eigenen Mitglieder im Vordergrund steht und nicht die gewinnorientierte Unternehmerstellung eines Bauträgers, akzeptiert das Innenministerium, dass der durch Gutachten ermittelte Preis bei zügiger Durchführung und Abschluss des Verfahrens für eine Zeitspanne von 15 Monaten nicht angepasst wird, sofern der Stadtrat dies unter Inkaufnahme des Wertsteigerungsverlustes ausdrücklich so beschlossen hat. Lediglich bei Eintritt von außergewöhnlichen Umständen – wie etwa einer noch weitergehenden, das vorhersehbare Maß deutlich übersteigenden Geldentwertung oder Grundstücksteuerung – stellt sich die Frage einer Neubewertung natürlich erneut.
Gemäß den bisher gemachten Erfahrungen kann ein Grundstücksverkauf bei zügiger Durchführung frühestens nach etwa 6 bis 9, jedenfalls jedoch innerhalb der mit dem Innenministerium abgestimmten 15 Monate ab Ausschreibungsbeginn beurkundet werden. Folglich ist bei der seit dem Gespräch mit dem Innenministerium bestehenden Rechtslage bei Baugemeinschaften (und auch bei Wohnungsbaugenossenschaften) – sofern keine außergewöhnlichen Umstände eintreten – bei zügiger Verfahrensdurchführung keine Nachbewertung erforderlich.
Um einerseits die sich aus den ggf. erforderlichen Nachbewertungen ergebenden Probleme zu minimieren und andererseits die Bereitstellung von Grundstücken für den Wohnungsbau an sich zu beschleunigen, hat die Verwaltung darüber hinaus weitere Möglichkeiten der Beschleu nigung erarbeitet. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat mit Beschluss der Vollversammlung vom 11.05.2016 (Sitzungsvorlagen Nr. 14 – 20/V 05961) das Ausschreibungs-/Zuschlagsverfahren zeitlich gestrafft. Auf den Bauträgerauswahlbeschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung wird künftig verzichtet, da die Zuschlagskriterien dem Stadtrat ohnehin bekannt sind bzw. im Einzelfall mittels Ausschreibungsbeschluss bereits vorab vom Stadtrat festgelegt wurden. Nach Bekanntgabe des Ausschreibungsergebnisses in der Hauptabteilungsleiterkonferenz des Referates für Stadtplanung und Bauordnung (HALEI) und der Zuschlagserteilung an den ausgewählten Bewerber kann unmittelbar danach der Ver kaufsbeschluss durch das Kommunalreferat dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Das Verfahren verkürzt sich hierdurch im Schnitt um ca. 7 Wochen, die den Baugemeinschaften im Vergleich zum bisherigen Verfahren für die Projektentwicklung zur Verfügung stehen.Fazit
Soweit das Grundstücksgeschäft bei Baugemeinschaften (und auch bei Wohnungsbaugenossenschaften) innerhalb von maximal 15 Monaten nach Beginn der Ausschreibung (= Bewertungsstichtag) beurkundet wird, kann nach den Ergebnissen des Gesprächs mit dem Bayerischen Innenministerium in aller Regel auf eine Aktualisierung des Gutachtenwertes ver zichtet
werden.
Durch die Straffung des Ausschreibungs- und Zuschlagsverfahrens entsteht für die Baugemeinschaften ein Zeitgewinn von ca. 7 Wochen, der künftig für die Projektentwicklung genutzt werden kann.
Diese Maßnahmen sind insgesamt ein wichtiger Schritt, um den Baugemeinschaften in der Regel den Erwerb des Grundstückes zum ausgeschriebenen Grundstückspreis zu ermöglichen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.