Wie geht die Stadt München mit islamischen Kinderehen um?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 21.6.2016
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 21.6.2016 führen Sie Folgendes aus:
Im Zuge des Massenzuzugs von Flchtlingen nach Deutschland haben
die Behrden Hunderte von Kinder- und Minderjhrigenehen registriert. Die Kinderehe ist in Deutschland illegal. Unter Politikern mehren sich jetzt Stimmen, die sich fr eine Gesetzesverschrfung aussprechen. So wird etwa der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), von der Bild-Zeitung mit den Worten zitiert: Wir mssen das deutsche Recht so verschrfen, dass Kinder-Ehen unter Flchtlingen ausgeschlossen und von den deutschen Gerichten keinesfalls anerkannt werden. Alles andere wre ein Kniefall vor dem Scharia-Recht. (Quelle: http://www. welt.de/politik/deutschland/article156330449/Kein-Kniefall-vor-dem-Scharia-Recht.html, zul. Aufgerufen: 21.6.2016, 1.17 Uhr; KR). Allerdings entfaltet das Thema Kinderehe bereits jetzt gesellschaftspolitische Brisanz, wie eine krzlich ergangene Beschwerde der Stadt Aschaffenburg gegen ein als fragwrdig empfundenes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg zeigt: die Stadt will jetzt beim Bundesgerichtshof (BGH) grundstzlich klren lassen, ob im Ausland geschlossene Ehen mit Minderjhrigen unter 16 Jahren vor dem deutschen Gesetz anerkannt werden oder nicht.
Hintergrund ist eine Entscheidung des OLG Bamberg vom Mai, der zufolge das als Vormund bestellte Jugendamt der Stadt Aschaffenburg nicht ber den Aufenthaltsort einer heute 15-jhrigen aus Syrien bestimmen darf. Das Mdchen war dort als 14-jhrige mit einem volljhrigen Cousin verheiratet worden.
Aus Syrien kommend, waren beide nach Aschaffenburg gelangt; das dortige Jugendamt war ttig geworden und hatte die Eheleute getrennt. Hiergegen urteilten jedoch die Bamberger Richter, die Ehe sei wirksam und selbst im Falle einer Unterschreitung des in Syrien geregelten Ehemndigkeitsalters nicht unwirksam (nach: http://www.merkur.de/
bayern/ uechtlings-kinderehen-aschaffenburg-will-klaerung-aschaffenburg-6494472.html, zul. aufgerufen: 21.6.2016, 1.38 Uhr; KR). Auch fr die LHM stellen sich vor diesem Hintergrund Fragen.
Zu Ihrer Anfrage vom 21.6.2016 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:Frage 1:
In der Hochphase des Massenzuzugs von Flchtlingen war die LHM mit ihren Asylanten-Erstaufnahmeeinrichtungen fr Tausende von Flchtlingen das Eintrittstor nach Deutschland. Wie viele Kinder- bzw. Minderjhrigenehen unter Flchtlingen wurden im Bereich der LHM im Zeitraum zwischen 1.7.2015 und heute behrdlich registriert?
Antwort:
In dem im Stadtjugendamt eingesetzten Controlling-Programm („SOJA“), welches der Verwaltung und Erfassung der Hilfen der sich in der Zuständigkeit des StJA München befindlichen Kinder und Jugendlichen dient, wird das Merkmal Minderjährigenehen nicht erhoben. Eine Auskunft kann daher nicht erteilt werden.
Frage 2:
In welcher Weise wenn berhaupt wurde bzw. wird das Stadtju-
gendamt beim Bekanntwerden einer im Ausland geschlossenen Kinder- bzw. Minderjhrigenehe aktiv?
Antwort:
Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags prüft die Abteilung UM des Stadtjugendamtes, inwieweit bei ankommenden Unbegleiteten von Minder-
jährigkeit auszugehen ist. Eine Inobhutnahme erfolgt in Abhängigkeit vom Ausgang dieses Gesprächs unter Anwendung des § 8 a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung).
Frage 3:
In welchem Umfang verfgte das Mnchner Stadtjugendamt analog zum Vorgehen des Aschaffenburger Jugendamtes im erwhnten Fall die Inobhutnahme erkannter minderjhriger Ehepartnerinnen? Wenn nicht, warum nicht?
Antwort:
Eine Inobhutnahme von Minderjährigen erfolgt einzelfallbezogen und verlangt die Prüfung aller erforderlichen Merkmale der §§ 42, 42a SGB VIII. Dies bedeutet, dass eine Gesamtschau der Umstände – welche die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person begründet – erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtschau kann eine Ehe unter Minderjährigen bei einer Kindeswohlgefährdung zur Inobhutnahme führen; insbesondere dann, wenn es sich im Ergebnis um eine unbegleitete minderjährige Ausländerin bzw. eine Ausländer handeln sollte.Dies wird – wie bereits erläutert – im Einzelfall überprüft, sodass die Frage nach dem Umfang von Inobhutnahmen wegen Ehen unter Minderjährigen nicht pauschal beantwortet werden kann, da neben der ehelichen Situation oft weitere Umstände die Inobhutnahme erfordern.
Frage 4:
Welche Rechtsposition bezieht das Mnchner Stadtjugendamt grund-
stzlich zur Frage von im Ausland geschlossenen Kinder- und Minderjhri- genehen? Inwieweit sieht sich das Mnchner Stadtjugendamt grundstzlich in der P icht, der Nichtanerkennung von im Ausland geschlossenen Kinderehen durch das in Deutschland geltende Recht Geltung zu verschaffen? Inwieweit akzeptiert die LHM bzw. das Stadtjugendamt im Ausland geschlossene Kinderehen?
Antwort:
Das Stadtjugendamt orientiert sich in Bezug auf die Rechtsposition zu Ehen unter Minderjährigen an den vom Bundesfamilienministerium veröffentlichten Auslegungshinweisen vom 14.4.2016. Danach gelten verheiratete ausländische Minderjährige zunächst als unbegleitete minderjährige Ausländerinnen bzw. Ausländer – sie sollen im Einklang mit den Auslegungshinweisen grundsätzlich in Obhut genommen werden. Der jugendhilferechtliche Bedarf muss danach im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.
Zur Beantwortung der Folgefragen weisen wir darauf hin, dass das Stadtjugendamt sich im Bereich der Akzeptanz von Ehen unter Minderjährigen strikt an das aktuell gültige Recht hält und es daher keinen Bedarf für eine pauschale Geltendmachung von Rechtspositionen in dieser Hinsicht gibt. Das Stadtjugendamt achtet die Vorschriften des internationalen Privatrechts (Art. 11 ff EGBGB) über die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen sowie die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG. Jedoch entfaltet der dem Jugendamt übertragene Schutzauftrag des SGB VIII eine dahingehende Wirkung, dass die Schutzwürdigkeit der Ehe bei einer Kindeswohlgefährdung zurücktreten muss. Eine Kindeswohlgefährdung liegt insbesondere bei Ehen von unter 14-jährigen Personen und bei Zwangsehen vor (Einzelfallprüfung). Dies erfordert die sofortige Inobhutnahme der betroffenen Person sowie die Anregung der Vormundbestellung.