Öffnet die Dächer!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Sabine Krieger und Dr. Florian Roth (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 3.12.2015
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Ihr o.g. Antrag wurde dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung zur Bearbeitung zugeleitet. Aufgrund der darin enthaltenen, umfassenden Prüfaufträge und der Betroffenheit mehrerer Referate hatten wir Sie mit Schreiben vom 10.1.2016 um Gewährung einer Terminverlängerung bis Ende Juli 2016 gebeten. Mittlerweile sind verschiedene Beiträge von betroffenen Referaten und Fachdienststellen zum Antrag eingegangen, die weiter unten in ihren wesentlichen Inhalten wiedergegeben werden.
Im oben genannten Schreiben hatten wir auch angekündigt, dass der Antrag nicht mit einem Stadtratsbeschluss, sondern als laufende Angelegenheit mit einem Antwortschreiben behandelt werden soll.
Inhaltlich stellt der Antrag darauf ab, dass geeignete Dächer in München für die Nutzung durch die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen. Begründet wird dies mit der Möglichkeit, Aussichten über die Stadt zu generieren und in der sich weiter verdichtenden Stadt besondere öffentliche Räume zu gewinnen, aber auch mit der klimatischen Wirkung begrünter Dächer.
Dazu ist zunächst seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung festzuhalten, dass die Intention, Dachflächen als nutzbare Freiräume zu aktivieren, grundsätzlich begrüßt wird. Um das Potenzial der „fünften Fassade“ von Gebäuden zu fördern, veröffentlichte das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bereits Anfang 2012 die Broschüre „Dachlandschaften – gemeinschaftlich nutzbar“ (siehe Anlage). Damit wurde ein Ausblick auf die vielfältigen Möglichkeiten gegeben, die das Dach für die Gestaltung von nutzbaren Freiräumen bietet. Beispiele aus Städten wie Wien zeigen, wie gut gemeinschaftliche Dachgärten funktionieren können. Neben einer Darstellung der verschiedenen Typologien und Nutzungsvarianten geht die Broschüre auch auf gestalterische, ökologische, ökonomische und organisatorische Aspekte der Realisierung ein; immer vor dem Hintergrund, dass ein Mehraufwand für Gärten und Terrassen auf dem Dach mit einem deutlichen Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer verbunden ist.
Im Rahmen der Freiraumkonzeption München 2030 wird das Potenzial von Dachflächen für die langfristige Freiraumversorgung bestätigt. Die Nutzung von Dächern als gemeinschaftliche Dachlandschaften bis hin zu „Hochparks“ ist deshalb Teil der Münchner Freiraumstrategie.In den von der Grünplanung organisierten Gesprächen zur innerstädtischen Isar, der sogenannten „Flussrunde“, wurde die Öffnung umliegender Gebäude wie Gasteig, Deutsches Museum und Patentämter thematisiert, siehe dazu auch Beschluss der Vollversammlung vom 21.10.2015 „Stadt und Fluss – Rahmenplanung innerstädtischer Isarraum“ (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 02161).
Entsprechend den Zuständigkeiten liegt im Referat für Stadtplanung und Bauordnung ein wesentlicher Schwerpunkt auf der Nutzbarmachung
von Dächern im Wohnungsbau. Im Rahmen von Bebauungsplänen mit
Grünordnung und damit verbundenen Städtebaulichen Verträgen können dafür Regelungen getroffen werden. Dies geschieht in Fällen mit hohen baulichen Dichten wie zuletzt beispielsweise bei den Umstrukturierungs-Flächen der ehemaligen Paulaner- und Eon-Gelände. Dabei stehen Gemeinschafts-Dachgärten im Vordergrund, die von allen Bewohnerinnen und Bewohnern der jeweiligen Häuser genutzt werden und die Partizipation sowie die Identifikation mit der Hausgemeinschaft stärken können. Allerdings wird bei diesen Dachflächen eine Zugänglichkeit für die Allgemeinheit im Sinne eines öffentlichen Raumes nicht vorgegeben, da dies zu Nutzungskonflikten führen würde.
Im Baugenehmigungsverfahren wird die erweiterte Nutzung von Dachflächen bei Einzelgenehmigungen grundsätzlich positiv gesehen. Je nach angedachter Nutzung ist dabei, sowohl bei einer Neuerrichtung als auch bei einem Umbau eines Gebäudes, eine Reihe von Normen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts zu beachten. In der Regel werden technische Lösungen für möglich erachtet, die alle rechtlichen Vorgaben einhalten. Soweit Baudenkmäler betroffen sind, müssen bei der Öffnung von Dächern denkmalrechtliche Belange berücksichtigt werden.
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG berichten von Pilotprojekten an der Hochäckerstraße und am Ackermannbogen, bei denen erstmals im geförderten Wohnungsbau Dachgärten für gemeinschaftliche Nutzungen hergestellt wurden. Aus den Pilotprojekten sollen Erfahrungen in der Organisation bzw. Betreuung und im Unterhalt nutzbarer Dächer gewonnen werden. Beide Gesellschaften weisen jedoch auch auf die höheren Herstellungs- und Bewirtschaftungskosten im Vergleich zu ebenerdigen Freiflächen hin und darauf, dass harte Rahmenbedingungen und Vorgaben für den geförderten Wohnungsbau zusätzliche Hürden darstellen. Ein Dach-Zugang für die Öffentlichkeit wird von den städtischen Gesellschaften nicht für möglich erachtet, ebenso wird ein Tag der offenen Tür abgelehnt.Die Ausführungen bis hierhin beziehen sich primär auf die im Antrag enthaltene Zugangsschaffung zu geeigneten Dächern von städtischen Beteiligungsgesellschaften bzw. Privaten, zumindest für Hausgemeinschaften. Soweit der Antrag Dächer im Besitz der Landeshauptstadt München betrifft, sind das Kommunalreferat und das Referat für Bildung und Sport bzw., in bautechnischen Fragen, das Baureferat zuständig.
Nach Ansicht des Kommunalreferates sollten Potenziale von Dachflächen verstärkt genutzt und damit bei zunehmenden baulichen Dichten neue Flächenressourcen erschlossen werden. Die Öffnung von städtischen Dachflächen könnte einen Beitrag leisten, um das Angebot für kulturelle oder vielleicht sogar sportliche Veranstaltungen zu erweitern.
Eine Umsetzung in dem vom Kommunalreferat verwalteten Immobilienbestand scheitert jedoch sehr oft an den örtlichen Gegebenheiten sowie einhergehenden Sicherheitsauflagen, die an den Betreiber gerichtet werden, wenn die Dächer zugänglich gemacht werden sollen.
Viele Dächer sind aufgrund ihrer Beschaffenheit grundsätzlich nicht geeignet, um begangen zu werden. Anforderungen an Statik, Rettungswege, Absturzsicherungen oder auch bestehende Unfallgefahren aufgrund der Oberflächenstruktur lassen eine Nutzung bei Bestandsgebäuden in den meisten Fällen nicht zu. Insofern die baurechtlichen Gegebenheiten eine Nutzung nicht ausschließen, wären Fragen hinsichtlich der Zugänglichkeit sowie die Kontrolle der Besucherzahlen ein weiteres Kriterium, gerade auch, wenn es um die Durchführung von Veranstaltungen geht. Die Bestimmungen aus der Versammlungsstättenverordnung ab einer Besucherzahl von 200 Personen finden laut Kommunalreferat hier Anwendung. Es ergeben sich damit nochmals gesonderte Anforderungen, u.a. was die Beleuchtung, Flucht- und Rettungswege und nachzuweisende Stellplätze betrifft.
Ein konkreter Hinweis des Kommunalreferates bezieht sich auf den Dachbereich des Gasteigs, der Teil der Sanierungsplanung sein wird. Inwiefern hier eine Öffnung für die Allgemeinheit realisiert werden kann, wird aus dem entsprechenden Projektbeschluss des Kulturreferats hervorgehen, der dem Stadtrat noch zur Entscheidung vorzulegen ist.
Das Referat für Bildung und Sport weist auf eine Behandlung des Themas im Rahmen eines anderen Antrages der Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste hin (Nr. 14-20/A 01635 „Die fetten Jahre sind vorbei/ Kosteneffizienterer Schulbau: Nutzung der Schuldächer als Freiflächen“ vom 11.12.2015).Dieser wurde mit der Beschlussvorlage des 1. Schulbauprogramms vom 18./25.2.2016 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 05131) aufgegriffen.
Das Referat für Bildung und Sport (RBS) strebt – gerade im Hinblick auf die zunehmende Flächenknappheit – an, bei künftigen Planungen verstärkt auch die Dachflächen für eine Nutzung durch Pausenbereiche, aber auch für Sportplätze zu berücksichtigen. Insbesondere die großen Dachflächen der 3-fach-Sporthallen eignen sich, dort z.B. den sog. kleinen Allwetterplatz auf dem Dach zu situieren. Bei der derzeitigen Planung für das Asam-Gymnasium wird dies auch bereits so praktiziert, dort auch noch ergänzt mit der Nutzung der verbleibenden Restfläche als zusätzlicher Pausenbereich. Gleiches gilt für die Planung der Erweiterung/Neubau GS/MS Schrobenhausener Straße, bei welcher das Dach der geplanten 3-fach-Sporthalle als dringend notwendige Pausenfläche nutzbar gemacht wird.
Überlegungen zur Öffnung und Nutzung von Dächern der Schulgebäude haben – insbesondere bei Gebäuden im Bestand – aus Sicht des RBS Grenzen. Diese liegen in der statischen Tragfähigkeit der Anlagen sowie hinsichtlich Sicherheitsaspekte, Brandschutzthemen, höheren Ballfangzäunen etc. begründet.
In der Sitzung vom 18./25.2.2016 zum 1. Schulbauprogramm hat die Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste folgenden Abänderungsantrag gestellt: „Die Verwaltung wird beauftragt, bei allen Neubauten und Generalinstandsetzungen eine Nutzung der Dächer zu ermöglichen und bei Bestandsbauten im Einzelfall zu prüfen, ob eine Dachnutzung möglich ist.“ Diesem Abänderungsantrag wurde seitens des Stadtrates zugestimmt, so dass dieser damit aufgegriffen ist. Für das Referat für Bildung und Sport bedeutet dies, dass bei allen Neubauten und Generalinstandsetzungen vorrangig schulische Nutzungen auf den Dächern geprüft und bei technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten umgesetzt werden.
Den Vorschlag, einen Tag des offenen Daches auf entsprechenden Dächern zu organisieren, bewertet das Referat für Bildung und Sport aus den oben bereits aufgeführten Gründen kritisch, da dies Insbesondere hinsichtlich des Zutritts/der Nutzung von Fremdpersonen konträr zu den individuell seitens der Schulen ausgearbeiteten Sicherheitskonzepten ist und deshalb auch nicht verantwortet werden kann.
Das Baureferat bestätigt, dass bereits bisher in den Planungen von Schulbauten, insbesondere bei beengten Grundstücksverhältnissen, geprüft wird, ob zur Umsetzung des jeweils vorgesehenen Raumprogramms dieNutzung der Dächer mit einbezogen werden muss. Dies geschieht i.d.R. bei Neubauten, Erweiterungen im Bestand und Generalinstandsetzungen. Es weist jedoch gleichzeitig auf den höheren technischen und wirtschaftlichen Aufwand für genutzte Dächer hin (Zugänge, Statik, Konstruktion, Sicherheitsaspekte etc.)
Die Dachnutzung durch die Öffentlichkeit gestaltet sich aus Sicht des Baureferates durch den erhöhten technischen Aufwand, der zu Mehrkosten führt, und den Sicherheitskonzepten der Schulen als schwierig. Bei Gebäuden im Bestand könnten die Anforderungen in vielen Fällen technisch nicht erfüllt werden. Aus diesem Grund sollte nach Auffassung des Baureferates bei Bestandsgebäuden von einer Öffentlichen Nutzung der Dachflächen abgesehen werden.
Grundsätzlich werden bei allen Baumaßnahmen die Möglichkeiten zur Begrünung von Flachdächern geprüft. In der Regel werden begrünte Flachdächer realisiert.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Nutzung von Dachflächen in München eine geeignete Strategie zur Schaffung von Freiräumen bei knapper werdenden Flächen ist. Generell ist die Erschließung von Dächern auch auf einem guten Weg. In letzter Zeit wurde eine Reihe von Dachgarten-Projekten auf den Weg gebracht bzw. steht vor der Fertigstellung, insbesondere für gemeinschaftliche Nutzungen im Wohnungsbau. Als Nächstes sind Erfahrungen beispielsweise zu Nutzungsqualitäten, Organisation, Unterhalt und Kosten zu sammeln und auszuwerten. Die Auslobung eines Wettbewerbs für gelungene, qualitätsvolle gemeinschaftliche Dachlandschaften wäre möglicherweise ein weiterer Impuls.
Was die Öffnung von Dächern für die Bürgerschaft bzw. die Öffentlichkeit betrifft, besteht zwar innerhalb der Fachdienststellen auch ein breiter Konsens über das generelle Potenzial. Allerdings stößt die Realisierung entsprechend den oben stehenden Ausführungen an Grenzen hinsichtlich der Eignung von Dächern. Insbesondere bei Bestandsbauten stehen hier statische und Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Bessere Umsetzungsmöglichkeiten bieten Neubauten, bei denen dann die Dachnutzung von vornherein konzeptionell einzuplanen wäre. Bei öffentlichen Gebäuden wie dem Gasteig könnte Dachflächennutzung auch mit einer öffentlich zugänglichen Gastronomie verbunden werden. Möglicherweise bleibt aber eine Nutzung durch die breite Öffentlichkeit eher die Ausnahme, und es kommen primär halböffentliche Freiräume auf dem Dach zum Tragen, die auf bestimmte Nutzerkreise abzielen und Konflikte mit den Hauptnutzern reduzieren (z.B. Sportangebote auf Schuldächern). Diesbezügliche Konzepte sind von den für die jeweiligen Gebäude zuständigen Referaten zu entwickeln.Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
Die Anlage zur Antwort kann abgerufen werden unter: