Nach der Bluttat von Würzburg: Problemgruppe „unbegleitete min- derjährige Flüchtlinge“
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 22.07.2016
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 22.7.2016 führen Sie Folgendes aus:
„Der aus Afghanistan, möglicherweise auch aus Pakistan stammende 17jährige Axt-Angreifer, der am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg fünf Menschen zum Teil schwer verletzte und vom Münchner Oberbürgermeister (laut ‚tz‘-Inteview vom 21.7.) für einen ‚Einzeltäter‘ ge- halten wird, hatte in seinem Zimmer eine IS-Fahne hängen, die bei der poli- zeilichen Durchsuchung gefunden wurde. Auch ein Bekennervideo tauchte mittlerweile auf, in dem der Attentäter die Ermordung von ‚Ungläubigen‘ ankündigt. – Der 17jährige Gewalttäter war ‚unbegleiteter minderjähriger Flüchtling‘ (umF), eine Personengruppe, die in der Vergangenheit auch in München immer wieder für ungute Schlagzeilen sorgte und die nach den Ereignissen von Würzburg nun von Experten ausdrücklich als ‚Problem- gruppe‘ betrachtet wird. In einem aktuellen Bericht von ‚T-Online‘ heißt es dazu unter Berufung auf die Psychologin Lotte Knoller: ‚In den Flüchtlings- unterkünften schlummert ein Radikalisierungspotenzial. ‚Wir dürfen uns nichts vormachen, natürlich ist der IS dort aktiv.‘ Die Jugendlichen können und sollen sich frei außerhalb der Gruppe bewegen, sollen Kontakte knüp- fen(,) um sich zu integrieren. Kontrolliert werden diese Kontakte nicht. (...) Die Jugendlichen ohne Eltern – auf der Suche nach Sinn und Halt im Leben – seien genau die Zielgruppe des IS.‘
(Quelle: http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/ id_78462464/nach-wuerzburg-attentat-das-ist-genau-die-zielgruppe-des-is-. html; zul. Aufgerufen: 22.7.2016, 0.18 Uhr; KR). – In München wurden nach Angaben des Sozialreferats allein 2015 über 5100 unbegleitete minderjäh- rige ‚Flüchtlinge‘ in Obhut genommen. Vor dem Hintergrund der Bluttat am Montagabend wirft dieser Umstand Fragen auf.“
Zu Ihrer Anfrage vom 22.7.2016 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wer bzw. welche Institution kümmert sich in Münchner Unterkünften für unbegleitete minderjährige „Flüchtlinge“ darum, ob sich dort einquartierte Jugendliche möglicherweise „radikalisieren“ und Kontakte zum „Islami- schen Staat“ oder anderen Terrorgruppen unterhalten oder aufnehmen?Antwort:
In den Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige der Landeshauptstadt München werden die Kinder und Jugendlichen durch sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreut, deren Aufgabe es (wie für Münchner Kinder auch) ist, Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährdungen zu prüfen und ihnen zu begegnen. Unterstützt werden sie hierbei vom psychologischen Fachdienst, der Security, der Fallsteuerung, Mitarbeitenden des Kreisverwaltungsreferates im Young Refugee Center sowie der Fachstelle für politische Bildung.
Frage 2:
Wie viele Fachkräfte, also z.B. Sozialpädagogen, Streetworker o.ä., stehen im Bereich der LHM für das rechtzeitige Erkennen einschlägiger Aktivitäten unter den Bewohnern der Unterkünfte zur Verfügung?
Antwort:
In den Unterkünften arbeiten keine Streetworker. Die Betreuung erfolgt in Anlehnung an das Schutzstellenkonzept mit einem Schlüssel von 1:2,5.
Frage 3:
Inwieweit sieht die LHM vor dem Hintergrund der Würzburger Bluttat und der Tatsache, daß Fachleute den „Flüchtlings“unterkünften und insbeson- dere minderjährigen unbegleiteten „Flüchtlingen“ ein besonderes „Radi- kalisierungspotential“ attestieren, die Notwendigkeit, Ihre Anstrengungen beim rechtzeitigen Erkennen einschlägiger Entwicklungen und Aktivitäten ggf. zu verstärken, ggf. im Zusammenwirken mit Polizei, Verfassungs- schutzbehörden u.ä.?
Antwort:
Analog zum Verfahren bei Münchner Kindern und Jugendlichen werden Mitarbeitende regelmäßig geschult im Erkennen von Radikalisierung sowie Möglichkeiten der Prävention. Wie bisher auch erfolgen bei Bedarf einzelfallbezogene Besprechungen mit der Polizei und entsprechenden Diensten unter Einbeziehung der Fachstelle für politische Bildung.
Frage 4:
Wie tragen die zuständigen Behörden – hier: auch diejenigen des Frei- staats und der Regierung von Oberbayern – dafür Sorge, daß Islamisten, IS-Sympathisanten und potentielle Terroristen (früher als „Schläfer“ be- zeichnet) gar nicht erst Eingang in „Flüchtlings“unterkünfte finden?Antwort:
Bitte wenden Sie sich bei Fragen an den Freistaat oder die Regierung von Oberbayern direkt an die betreffende Behörde.
Frage 5:
Wer bzw. welche Institution versucht an Münchner Unterkünften für min- derjährige unbegleitete „Flüchtlinge“ Anwerbeversuche des IS und anderer islamistischer Gruppierungen gezielt zu unterbinden? Mit welchem Erfolg?
Antwort:
Sobald wir Kenntnis über Anwerbeversuche haben, wird dies umgehend den jeweils verantwortlichen Diensten mitgeteilt.