Wohnen und Mobilität III Nachverdichten – preisgedämpften Wohnraum schaffen und grüne Innenhöfe schützen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Sabine Nallinger, (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 1.3.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
In Ihrem Antrag vom 1.3.2016 fordern Sie zum einen die Verwaltung auf, ein Konzept mit dem Ziel zu erstellen, unter definierten Voraussetzungen bei Nachverdichtung und Innenentwicklung auf zusätzliche Stellplätze zu verzichten und dabei gleichzeitig preisgedämpften Wohnraum schaffen zu können. Zum anderen soll für diese Fälle die reduzierte Stellplatzablöse entsprechend dem Dachgeschossausbau gelten.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil es sich hierbei im Ergebnis um den Vollzug der Bayerischen Bauordnung handelt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Da für die Beantwortung Ihres Antrages umfangreiche bzw. komplexe Klärungen erforderlich waren, haben wir eine Terminverlängerung bis zum 31.12.2016 erbeten, der Sie nicht widersprochen haben.
Zu Ihrem Antrag vom 1.3.2016 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Im Hinblick auf das von Ihnen geforderte Konzept, unter definierten Voraussetzungen auf zusätzliche Stellplätze zu verzichten, verweisen Sie in der Begründung Ihres Antrages auf Mobilitätskonzepte, die vom Bauherren vorgelegt werden könnten.
Hierzu ist anzumerken, dass sich die Sitzungsvorlage „Stellplatzschlüssel im Wohnungsbau“ (Sitzungsvorlagen Nr. 08-14/V13593), die im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung vom 29.6.2016 behandelt wurde, explizit mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen (Mobilitätskonzepte und Modellprojekte, wie „autoreduziertes/autofreies Wohnen“) von einem reduzierten Stellplatzbedarf für Wohnnutzungen auszugehen ist.Der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung hatte hierzu in der genannten Sitzung beschlossen, eine Verringerung des Bedarfs an Stellplätzen für Wohnnutzungen bei Nachweis folgender Voraussetzungen anzuerkennen:
1. Das Vorhaben schließt alle Wohneinheiten eines Gebäudes mit ein und umfasst eine Mindestgröße von 10 Wohneinheiten.
2. Das Baugrundstück ist/wird durch den Öffentlichen Personennahverkehr gut erschlossen und bietet damit die Voraussetzung, auch dauerhaft in unterschiedlichen persönlichen Lebenslagen und Haushaltskonstellationen den Alltag gut ohne eigenes Kfz bewältigen zu können.
3. Im Baugenehmigungsverfahren ist von der Antragstellerin/vom Antragsteller ein plausibles Mobilitätskonzept (= Konzept zur Förderung des bewussten Verzichts auf den Besitz eines Kfz) vorzulegen.
Um die Funktionsfähigkeit des Mobilitätskonzepts dauerhaft sicherzustellen, ist die Verpflichtung zur Umsetzung und dauerhaften Bereithaltung der entsprechenden Angebote auf Privatgrund im Zuge der Baugenehmigung für die/den jeweilige/n Antragsteller/in jeweils verbindlich festzulegen.
Als Bestandteile eines Mobilitätskonzepts kommen dabei insbesondere in Betracht:
-Errichtung und dauerhafte Bereitstellung von Stellplätzen, die ausschließlich für Carsharing genutzt werden (u.U. auch Errichtung, Einbindung und Betrieb von Stationen für Carsharing; Organisation von privatem Anwohner-Carsharing)
-Konkrete Förderung der Fahrradnutzung, z. B. durch Herstellung zusätzlicher Abstellplätze für Fahrräder (d.h. über die Vorgaben der Fahrradabstellplatzsatzung hinaus) im Eingangsbereich der Wohnanlagen, Bereitstellung von Lastenfahrrädern, Fahrradanhängern oder e-Bikes/Pedelecs -Förderung eines Fahrradverleihsystems (z.B. Kooperation mit Mietradanbietern)
-Informations- und Kommunikationsangebote (z.B. Errichtung eines Informationssystems zur Anbindung an den ÖPNV, Entwicklung eines Mobilitätsmanagements für das Quartier)-Verpflichtung zu Konzepten wie „autoreduziertes oder autofreies Wohnen“ (= Verpflichtung zum Verzicht auf den Besitz bzw. die Nutzung eines eigenen Kfz) mit Entwicklung eines Controllings (mit der Möglichkeit, die Autofreiheit der Bewohnerinnen und Bewohner eines Wohnprojektes
gegenüber der Baugenehmigungsbehörde (Berichtspflicht) periodisch zu dokumentieren) und Darstellung, wie der Kfz-Verzicht in der Bewohnerschaft abgesichert werden soll.
4. Alle herzustellenden Stellplätze verbleiben im Gemeinschaftseigentum. Eine Aufteilung in Teileigentum oder die Begründung von Sondernutzungsrechten findet nicht statt.
Damit soll erreicht werden, dass auch für den Fall der Bildung von Wohnungseigentum die Eigentümergemeinschaft insgesamt über die Vergabe der Stellplätze entscheiden kann.
5. Liegen diese Voraussetzungen kumulativ vor, ist im Baugenehmigungsverfahren auf Antrag
-der Stellplatzschlüssel in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Mobilitätskonzepts zu reduzieren. Im Minimum sind jedoch 0,3 Stellplätze je Wohneinheit real herzustellen.
(Ein Bedarf von 0,3 real herzustellenden Stellplätzen je Wohneinheit als Minimum resultiert dabei aus dem Umstand, dass Stellplätze für Menschen mit Behinderungen, Besucherinnen und Besucher, Carsharing, Zulieferverkehr und sog. „Wechselfälle des Lebens“ in jedem Fall real herzustellen sind.)
6. Das Mobilitätskonzept muss grundsätzlich in geeigneter Form abgesichert werden. Dabei erscheint es aber vertretbar, eine Reduzierung auf 0,8 Stellplätze je Wohneinheit ohne spezielle Sicherungsmaßnahme zu ermöglichen.
Darüber hinaus wird die jeweils geeignete Sicherungsmaßnahme im Einzelfall von der Baugenehmigungsbehörde mit der Bauherrin/dem Bauherren festgelegt.
Als Sicherungsmaßnahme kommen insbesondere die nachfolgenden Möglichkeiten in Betracht. Denkbar ist auch eine Kombination aus den verschiedenen Sicherungsvarianten, z B. das Vorhalten einer teilweisen Nachrüstungsmöglichkeit kombiniert mit einer späteren Ersatzzahlung in Teilen:
-Die Differenz zwischen dem für das konkrete Vorhaben ermittelten Bedarf (dessen konkrete Höhe von der Ausgestaltung des Mobilitätskonzepts im Einzelfall abhängt) und 0,8 Stellplätzen je 1 Wohnung wird widerruflich gestundet.-Die Bedingungen für den Widerruf sind in der Baugenehmigung zu nennen.
-Im Falle eines Widerrufs kommen die nachfolgenden „Sicherungsmaßnahmen“ in Betracht:
• Vorhalten einer Nachrüstungsmöglichkeit und tatsächliche
Herstellung der „gestundeten“ Stellplätze
• Ersatzzahlung für den Fall des Scheiterns des Modellprojekts, soweit keine Nachrüstung möglich ist.
Diese Voraussetzungen ermöglichen es individuell für ein konkretes Wohnbauvorhaben Lösungsalternativen zu entwickeln, die insbesondere auch bei Nachverdichtungen und Innenentwicklung (auch im Hinblick auf gut durch den ÖPNV erschlossene Baugrundstücke in Innenstadtlage) eine Reduzierung des Stellplatzbedarfs für Wohnnutzungen vorsehen.
Damit ist dem eigentlichen Ziel Ihres Antrages, unter definierten Gegebenheiten auf die Herstellung von Stellplätzen zu verzichten, um so zu einer Senkung der Kosten im Wohnungsbau beizutragen, mit dem o.g. Beschluss bereits Rechnung getragen.
Zu Ihrer Forderung, dass die reduzierte Stellplatzablöse entsprechend dem Dachgeschossausbau gelten soll, dürfen wir Ihnen mitteilen, dass in Anbetracht des Ziels, mehr Anreize für den Bau von Wohnungen auch durch Nachverdichtung im Bestand zu schaffen, der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung im Rahmen der o.g. Sitzungsvorlage beschlossen hat, die ermäßigten Ablösebeträge künftig auch für die Neuerrichtung von Dachgeschossen oder Aufstockungen zuzulassen. Daneben entfällt künftig die Voraussetzung einer Mindestgröße der neu geschaffenen Wohnung/en. Für diese Fälle von Nachverdichtung/Innenentwicklung kommt somit künftig der ermäßigte Ablösebetrag zur Anwendung.
Für alle sonstigen Fälle der Nachverdichtung/Innenentwicklung halten wir hingegen Ihre Anregungen zur reduzierten Stellplatzablöse für zu weitgehend. Hintergrund für die in der Vollversammlung des Stadtrates am 23.5.2001 beschlossenen gesenkten Ablösebeträge war die noch stärkere Förderung des Ausbaus von Dachgeschossen („Gesamtkonzept zur Verwendung von Stellplatzablösemitteln“, Sitzungsvorlagen Nr. 96-02/ V 00827). Es muss vielmehr noch eine Relation zwischen ersparten Kosten und Kosten der Erstellung gewahrt bleiben.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.