Schulen fit für die Zukunft: Medienpädagogische Modellprojekte initiieren
Antrag Stadträtinnen Jutta Koller und Sabine Krieger (Fraktion Die Grünen/ Rosa Liste) vom 6.8.2012
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Vorab möchte ich mich für Ihre Geduld in dieser Angelegenheit bedanken. Nachdem der Leiter des Pädagogischen Instituts grundsätzlich Ihr Einverständnis dazu eingeholt hat, erlaube ich mir, Ihren Antrag Nr. 08-14/ A 03580 „Schulen fit für die Zukunft: Medienpädagogische Modellprojekte initiieren“, als Brief zu beantworten.
1. Ausgangslage
München hatte eine Vorreiterrolle im Bereich der medienpädagogischen Entwicklung im Bildungsbereich. Im ersten Schritt zur Medienentwicklungsplanung an Münchner Schulen wurden noch vor dem Start des
Vernetzungsprojektes 1999 die pädagogischen Technologiepläne erstellt. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Medienentwicklungsprozesses und der Technologieplanung durch die Universität Bremen vom November 2003 zeigte deutlich, dass ein großer Teil der Schulen die Planung in zu kurzer Zeit, mit einer geringen Beteiligung des Kollegiums und mit wenig Kenntnissen zu methodischen und technischen Aspekten der Mediennutzung an Schulen durchgeführt hat. Da es zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Stadtrat deutschlandweit kein vergleichbares Projekt in diesem Umfang gab, war dieser Vorgang der Technologieplanung ein erster Schritt, um den tatsächlichen Bedarf der Schulen zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der Auswertung der Evaluation des Planungsprozesses seitens der Universität Bremen wurde vom Referat für Bildung und Sport das Konzept zum Medienpädagogischen Entwicklungsplan (MPE) erarbeitet und umgesetzt. Lehrkräfte an allen Münchner Schulen waren aufgefordert, gemeinsam in ihrer Einrichtung ein medienpädagogisches Konzept zu entwickeln. Im ersten Schritt erfolgte eine Bestandsaufnahme (IST-Analyse) und ein erster Austausch im gesamten Kollegium der jeweiligen Schule. Die Analyse der Bestandsaufnahme zu gut funktionierenden Unterrichtskonzepten, vorhandenen Schwachstellen im medienpädagogischen Umgang, technische Anpassungen etc. flossen in den zu erstellenden Medienpädagogischen Entwicklungsplan (MPE) ein. Medienpädagoginnen und -pädagogen des Pädagogischen Instituts unterstützten diesen Prozess und gaben Impulse durch praxisnahe Beispiele und individuelle Beratungs- und Fortbildungsangebote. Der Prozess der Erstellung, Umsetzung und des Reflektierens des Medienpädagogischen Entwicklungsplanssollte nach Empfehlungen aus der Evaluation der Universität Bremen in regelmäßigen Zeitabständen wiederholt und weiterentwickelt werden mit dem Ziel, einen Beitrag zur Unterrichts- und Qualitätsentwicklung der Schulen zu leisten. Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Ersatzbeschaffungen und Ausstattungen der Schulen erfolgen nach wie vor nicht nach pädagogischem Bedarf, sondern auf der Grundlage veralteter Medienpädagogischen Entwicklungspläne.
2. Antragstellung der Stadtratsfraktion 2.1 Umsetzung des Antrags im Referat für Bildung und Sport
Auf Antrag der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom August 2012 „Schulen fit für die Zukunft: Medienpädagogische Modellprojekte initiieren“ entwickelte das Referat für Bildung und Sport unter der Federführung des Pädagogischen Instituts das Konzept „Lernen 2020“ mit dem Ziel, Münchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Entwicklung zukunftsfähiger medienpädagogischer Konzepte zu unterstützen, um an die ehemalige Vorreiterrolle der LH München zukunftsweisend anknüpfen zu können. Im Rahmen des Vorhabens sollte das Steuerungsinstrument der Medienpädagogischen Entwicklungspläne (MPE) gemeinsam mit den beteiligten Schulen weiterentwickelt werden. Das neu entwickelte MPE-Planungsinstrument sollte nach seiner Erprobung und Evaluation in ausgewählten Modellschulen auf alle Münchner Schulen ausgeweitet und zum Einsatz gebracht werden. Ziel war es dabei auch, grundsätzlich die pädagogische Sinnhaftigkeit des Einsatzes der verschiedenen neuen Technologien zu prüfen. Damit sollte das Projekt auch einen Beitrag zur Entwicklung einer Verfahrensweise leisten, bei der zukünftig Investitionen in die IT-Ausstattung routinemäßig bereits im Vorfeld an einen pädagogisch begründeten und geprüften Mehrwert für die Bildungsqualität gebunden werden sollten. Im Bereich der Kindertageseinrichtungen hatte das Konzept „Lernen 2020“ zum Ziel, Medienpädagogische Entwicklungspläne erst im Rahmen des Projekts gemeinsam mit KITA-Modelleinrichtungen zu entwickeln, in der Praxis zu prüfen und in ein zu entwickelndes medienpädagogisches Gesamtkonzept für die städtischen Kindertageseinrichtungen einzufügen.
Insgesamt waren mit „Lernen 2020“ folgende Zielsetzungen verbunden: -Entwicklung von Maßnahmen, die die Medienkompetenz aller Kinder und Jugendlichen unter Einbeziehung ihrer bereits vorhandenen Fähigkeiten stärken
-Sammeln von Erfahrungen zur Weiterentwicklung der technischen Ausstattung an Schulen und des Instruments des Medienpädagogischen Entwicklungsplans (MPE)-Entwicklung von Konzepten zur Medienpädagogik in Kindertageseinrichtungen
-Qualifizierung von Lehr- und Erziehungskräften zur Förderung von Medienkompetenz, Weiterentwicklung des Angebots des Pädagogischen Instituts
-Entwicklung mediengestützter Konzepte für den Ganztag, zur Inklusion, zu Übergängen, zu Genderthemen, in der Schulentwicklung sowie im Wissensmanagement
-Einbindung aller Akteure an der Schule/Einrichtung (Schulsozialarbeit, Eltern, Elternbeirat) sowie freier Trägern
-Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern als Tutoren von Lehr-/Lernprozessen und Erprobung von Peer-Modellen (Lehrkräfte unterrichten gemeinsam mit Schülerinnen/Schülern)
-Technische Weiterentwicklung der digitalen Medien und neue Formen der Aneignung/ Nutzung durch Kinder und Jugendliche
-Überarbeitung der Medienpädagogischen Entwicklungspläne
Die Arbeit an einem entsprechenden Gesamtkonzept für Schulen und Kindertageseinrichtungen mündete im Jahr 2013 in die Erstellung eines Beschlussentwurfs „Lernen 2020“. Daran wirkten die zuständigen Abteilungen des Referats für Bildung und Sport sowie weitere relevante Dienststellen (z.B. Direktorium, it@M, POR ) intensiv mit. Im Zuge der Beschlusserstellung wurde ersichtlich, dass die Beantragung von zunächst extern zu besetzenden Stellen seitens ZIB die finanzielle Belastbarkeit des Beschlusses übersteigen und Kosten in zweistelliger Millionenhöhe verursachen würde. Die erforderlichen Anpassungen und Kürzungen verzögerten den Prozess der Beschlusserstellung erheblich. Die Weitergabe der überarbeiteten Beschlussvorlage wurde dann aufgrund der anstehenden Wahlen (Kommunalwahl, 16. März 2014) auf unbestimmte Zeit zurückgestellt.
2.2 Weitere Entwicklungen zur Medienpädagogik im Referat für Bil- dung und Sport
Wir erleben gegenwärtig einen enormen technischen Entwicklungsschub, der im Bildungsbereich gekennzeichnet ist durch den Einsatz von W-LAN, mobilen Endgeräten (Smartphones und Tablets), Web 2.0, Digitalen Whiteboards und das Arbeiten in der Cloud. Auch die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten zehn Jahren seit Erstellung der ersten Medienpädagogischen Entwicklungspläne signifikant gewandelt und werden im Zuge der fortschreitenden Mediatisierung immer stärker von Medien durchdrungen, nicht zuletzt, weil sich Kinder und Jugendliche in unterschiedlicher Weise mit digitalen Medien beschäftigen und diese für verschiedene Zwecke nutzen. Diese Wandlungsprozesse wirken auch aufdie Bildungseinrichtungen, und zugleich haben sich die Lehr- und Lernprozesse in Kindertageseinrichtungen und Schulen spätestens seit dem „PI-SA-Schock“ kontinuierlich verändert. Es gilt also, auf diese Veränderungen zu reagieren und gleichzeitig die Bildungseinrichtungen auf die zukünftigen Entwicklungen vorzubereiten. Um diesem Bildungsauftrag bis zur endgültigen Entscheidung hinsichtlich des Beschlusses „Lernen 2020“ gerecht zu werden, wurde das Pädagogische Institut/Fachbereich 9 Medienpädagogik von Stadtschulrat Rainer Schweppe beauftragt, eine Vernetzung der Akteure zu forcieren.
Entsprechend fand am 20. Februar 2014 der Fachtag „Perspektive Medienpädagogik“ statt. Er war zunächst als Auftaktveranstaltung für das Projekt „Lernen 2020“ geplant und wurde aufgrund der geschilderten Entwicklung inhaltlich angepasst. Die Organisation und Durchführung erfolgte in Kooperation mit dem Münchner Netzwerk „Interaktiv“, zu dem zahlreiche medienpädagogische Einrichtungen (freie und städtische Träger) in München gehören. Eingeladen waren auch Stockholmer Referentinnen/Referenten, die von ihren medienpädagogischen Erfahrungen berichteten und mit Beispielen überzeugten.
Bestehende medienpädagogische Programme, Konzepte und Erfahrungen zu digitalen Medien in Schulen, Kindertageseinrichtungen und außerschulischer Bildungsarbeit wurden thematisiert. Defizite und Bedarfe in der Münchner Bildungslandschaft kamen zur Sprache. Ein wichtiges Ziel war es, die Anregungen der Beteiligten aufzugreifen und neue Ideen zu entwickeln.
Am 24. Juni 2014 folgte die Zukunftskonferenz Medienpädagogik „Münchens Weg zur digitalen Bildungsmetropole“. Im Zentrum dieser Veranstaltung standen die Fragen: Wie kann medienpädagogische Praxis in Schulen und in Kindertageseinrichtungen in Zukunft aussehen? Wie müssen Schulen und Kindertageseinrichtungen beschaffen sein, um diese Praxis zu ermöglichen? Welchen Anforderungen müssen Schulen und Kindertageseinrichtungen dabei gerecht werden?
Nach Impulsen aus Theorie und Praxis fortschrittlicher und zukunftsweisender Medienpädagogik, war es das Ziel, eine Vision und konkrete Handlungsempfehlungen für die zukünftige medienpädagogische Praxis in Münchner Schulen und Kindertageseinrichtungen zu entwickeln, unter Einbeziehung verschiedener Vertretergruppen: Schulleitungen und Lehrkräfte aller Schularten, Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Kindertageseinrichtungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker, Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter, Schülerinnen und Schüler.Die Übergabe der bei der Zukunftskonferenz erarbeiteten 54 Handlungsempfehlungen erfolgte an den Stadtschulrat. Alle Ergebnisse sind unter den Adressen www.pi-muenchen.de und www.muc.kobis.de dokumentiert.
Schließlich wurde am 9. Oktober 2014 die Strategiegruppe Medienpädagogik des Referats für Bildung und Sport unter Federführung des Geschäftsbereichs Allgemeinbildende Schulen gegründet. Dem Gremium gehören die Leitungen der Geschäftsbereiche sowie medienpädagogischen Fachleute des RBS an.
Die intensive Ausarbeitung der Handlungsfelder erfolgte und erfolgt in folgenden Untergruppen:
Projektgruppe A – Medienpädagogisches Leitkonzept
Projektgruppe B – Technische Infrastruktur
Projektgruppe C – Politische Weichenstellung
Projektgruppe D – Medienkompetenz fördern
Projektgruppe E – Bildungsinfrastruktur.
Ziel der Strategiegruppe ist die Entwicklung eines zukunftsfähigen Konzepts zum Thema „Digitale Bildungsmetropole München“.
Bei einer Follow-up-Veranstaltung zur „Zukunftskonferenz Medienpädagogik“ am 3.5.2015 hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sich mit den Arbeitsergebnissen der Strategiegruppe zu befassen. Die Dokumentation ist unter www.pi-muenchen.de zu finden.
3. Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Medienpädagogik an Münchner Bildungseinrichtungen
Die Dringlichkeit einer übergreifenden Weiterentwicklung der pädagogischen und didaktischen Konzepte zur Medienpädagogik und eine Überarbeitung des veralteten Konzeptes zum Medienpädagogischen Entwicklungsplan sind unabweisbar.
Handlungsdruck besteht aufgrund der technischen Entwicklung (Einsatz von W-LAN, mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets, Web 2.0, Digitalen Whiteboards und das Arbeiten in der Cloud, etc.) ebenso wie angesichts der pädagogischen Herausforderungen (Lernhauskonzept, Ganztag, Inklusion etc.).
Dazu kommen auf den Weg gebrachte richtungsweisende Beschlüsse
bzw. Beschlussanträge: Orga ZIB (Medienberater/Medienberaterinnen in den Geschäftsbereichen), Breitbandanbindung und M-WLAN an Schulen, mit konkreten Folgen für eine (Neu-)Konzeptionierung zur Medienbildung in Münchner Schulen und Kindertageseinrichtungen.
Die Strategiegruppe erteilte am 11. Mai 2016 einstimmig an das Pädagogische Institut/Fachbereich 9 Medienpädagogik den Auftrag, auf Grundlage der erarbeiteten Handlungsempfehlungen ein Gesamtkonzept zurMedienpädagogik/Medienbildung in Münchner Bildungseinrichtungen zu entwickeln. Ein erster Entwurf „Konzept zur Münchner Medienbildung“ (KoMMBi) liegt bereits vor. Er stellt die Akteure der Medienbildung und somit die Pädagogik in den Mittelpunkt. Eine personenbezogene Ausrichtung der Einrichtungskonzepte und der Ausstattung stellt gegenüber der früheren raumbezogenen Sichtweise der MPEs eine wesentliche Richtungsänderung dar. Voraussetzung für eine nachhaltige medienpädagogische Arbeit in Münchner Bildungseinrichtungen ist, dass tragfähige Strukturen entstehen, die alle medienpädagogischen Akteure einbinden und gemeinsame Netzwerkarbeit ermöglichen. Das wird u.a. erreicht, indem Fortbildungen nicht nur eine Grundlage (Basisfortbildungen) schaffen, sondern kontinuierlich begleitend auf dem Weg zu einem individuellen Einrichtungskonzept Unterstützung bieten (Prozessbegleitung). Die Fortbildungen sind auf den Erwerb und die Entfaltung medienpädagogischer Handlungskompetenz ausgerichtet. Es gilt, die Potenziale der digitalen Medien für die Entwicklung einer neuen Lernkultur herauszuarbeiten und pädagogisch begründet nutzbar zu machen.
Das ganzheitliche Konzept KoMMBi soll alle Münchner Bildungseinrichtungen in den Blick nehmen, um den aktuellen Herausforderungen begegnen zu können und die Basis zu schaffen, notwendige (medienpädagogische) Kompetenzen zu erwerben. Der Weg zu dieser Lernkultur verlangt von allen Beteiligten Engagement. Er erfordert professionelle Unterstützung ebenso wie eine veränderte zeitgemäße Infrastruktur, die den Einsatz von mobilen, digitalen Endgeräten vorsieht.
Die dargestellte Entwicklung zeigt, dass sich wesentliche Rahmenbedingungen des ursprünglichen Antrags geändert haben. Ebenso wird deutlich, worauf es zukünftig ankommen wird, um medienpädagogisch an den Bildungseinrichtungen mit der medientechnischen Entwicklung Schritt halten zu können.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.