Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter in der heutigen Vollversammlung des Stadtrats zur Einbringung des städtischen Haushalts 2017 hat folgenden Wortlaut:
„Der Haushalt, den uns der Kämmerer heute vorlegt, ist kurz gesagt ein guter Plan. Lassen Sie uns also alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir das tun, was alle vernünftigen Menschen mit guten Plänen tun: Sie auch beachten!
Auch dieses Jahr enthält der Haushalt Rekordzahlen in jederlei Hinsicht, ich kann hier direkt mit der Aufzählung des letzten Jahres beginnen – man muss das Rad ja nicht immer neu erfinden…
- Wieder einmal Rekordeinnahmen, nicht nur bei der Gewerbesteuer,
- wieder einmal ein solider Überschuss aus der laufenden Verwaltungstätigkeit,
- wieder einmal eine Investitionssumme, die bundesweit ihresgleichen sucht und
- wieder einmal eine ordentliche Schuldentilgung und damit
- wieder einmal, oder immer noch, die seit Jahrzehnten niedrigste pro-Kopf-Verschuldung, schließlich
- wieder einmal keine Neuverschuldung.
Wer jetzt gehofft hat, ich bin fertig, den muss ich enttäuschen, denn so einfach und leicht, wie es sich anhört, ist es leider nicht. Eine längere Party können wir trotz der guten Daten nicht feiern.
Es zeigt sich: die Zeiten, in denen wir ohne eine Neuverschuldung auskommen konnten, sind nach den vorliegenden Zahlen bald vorbei. Irgendwie habe ich das letztes Jahr schon geahnt und meine Haushaltsrede unter den Titel „Erst die Pflicht, dann die Kür“ gestellt. Ich habe ja bereits letztes Jahr gemahnt – nein, dafür bin ich nicht der Typ – ich bitte eher. Also: Ich habe Sie alle gebeten, genau hinzusehen und Prioritäten bei den Investitionen, aber auch bei den konsumtiven Ausgaben zu setzen.
Das ist uns allen miteinander aber leider nur zum kleinen Teil gelungen, trotz vieler Sitzungen im interfraktionellen Arbeitskreis.
Was wir uns anfangs alle genau(er) angesehen haben, das waren die von den Referaten angemeldeten Stellenbedarfe. Da haben wir das eine oder andere korrigiert. Dennoch hat der Stadtrat für das Jahr 2016 knapp 1.900 zusätzliche Stellen beschlossen…
…und darüber hinaus auch gleich für das Jahr 2017 noch einmal knapp 1.000 dazu.
Unterm Strich haben wir also (doch) die meisten Stellenforderungen der Referate beschlossen, wenn auch mit einer teilweisen zeitlichen Verschiebung.
Was uns aber gar nicht gelungen ist:
die Vermeidung unterjähriger Haushaltsausweitungen. Ausschuss für Ausschuss und Vollversammlung für Vollversammlung haben wir den städtischen Haushalt in Abweichung vom beschlossenen Haushaltsplan um Millionen ausgeweitet. Und dies meist wider besseres Wissen – es ist ja nicht so, dass der Kämmerer nicht zu jeder einzelnen finanzrelevanten Beschlussvorlage Stellung nehmen würde. Nur, was hilft es, wenn seine mahnenden Worte überhört werden?
Das, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, muss ein Ende haben – wir laufen sonst Gefahr, uns für die kommenden Jahre und Jahrzehnte die Luft abzuschnüren und die wichtigen Investitionen in die Zukunft unserer Stadt zu gefährden.
Ich habe daher Anfang November allen Referentinnen und Referenten mitgeteilt, dass ich Beschlussvorlagen mit unterjährigen Haushaltsausweitungen nicht mehr auf die Tagesordnung setzen werde, wenn nicht die Unplanbarkeit beziehungsweise die Unvorhersehbarkeit der Mittelausweitung plausibel begründet wird.
Das ist keine schöne Maßnahme, aber notwendig, um uns finanzielle Spielräume zu erhalten.
Dass wir in den letzten Jahren so hervorragend gewirtschaftet haben und trotz gewaltiger Investitionstätigkeit Schulden abgebaut haben, verschafft uns heute für die Zukunft eben diese Spielräume, wieder Darlehen aufzunehmen, um die Infrastruktur auszubauen, die Wirtschaft anzukurbeln und die vielen kulturellen und sozialen Leistungen zu erhalten. Sie haben die Zahlen vor sich liegen: Ohne neue Schulden wird es nicht gehen! Daran ändert auch ein Parteiprogramm nichts.
Wir werden Darlehen in Millionen-, ja vielleicht in Milliardenhöhe aufnehmen müssen, um auch nur einen Teil der geplanten oder besser: gewünschten Projekte verwirklichen zu können.
Es zeigt sich heute einmal mehr: Der Haushalt ist kein Wunschkonzert, sondern ein Plan, an den es sich zu halten gilt!
Ich darf mich an folgender Stelle ausnahmsweise einmal selbst zitieren (das scheint man sich als Oberbürgermeister irgendwann anzugewöhnen). Letztes Jahr führte ich aus:
,Wir müssen Prioritäten setzen und uns ehrlich fragen, welche Investitionen tatsächlich nötig sind. Diese Frage müssen wir ohne parteipolitische Brille stellen und offen diskutieren, gegebenenfalls befragen wir auch die Münchnerinnen und Münchner.‘
Dieser Diskussionsprozess beginnt sehr schleppend, aber natürlich ist es schwierig, sich zu entscheiden, worauf man verzichten will beziehungsweise muss, und das dann auch noch den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären!
Da wird es auch noch die eine oder andere Reiberei geben müssen. Vor allem, wenn man bedenkt, in wie vielen Bereichen uns die Hände gebunden sind, denn es gibt einfach Dinge, die wir tun müssen beziehungs- weise dringender tun müssen als andere. Dem entsprechend kleiner werden die finanziellen Spielräume bei den anderen Projekten.
Betrachten wir nur den Wohnungsbau: Auf der Tagesordnung der heutigen Vollversammlung steht das größte kommunale Wohnungsbaupro- gramm bundesweit. Wir werden die Zielzahlen erhöhen und mit dem Programm „Wohnen für Alle“ Maßstäbe setzen; ich bin sicher, dass wir hier viele Nachahmer finden werden.
Erst vor ein paar Wochen war das Richtfest des ersten Wohnungsbauprojekts im Rahmen des Programms „Wohnen für Alle“ – und ich muss sagen, ich bin sehr beeindruckt.
Ende letzten Jahres wurde die Idee geboren, und genau ein Jahr später ziehen die ersten Menschen dort ein.
Das ist bahnbrechend und beispielgebend. Ich weiß, dass diese Projekte vor allem vor Ort auf viel Skepsis und anfängliche Widerstände stoßen. Ich bin aber überzeugt, dass wir es mit der richtigen Kommunikation schaffen werden, den Großteil der benachbarten Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Sicher, alle können wir nie überzeugen, aber das wichtigste ist, zu versuchen, alle Beteiligten zu hören und auf deren Belange einzugehen. Das haben wir auch schon häufig praktiziert und es erhöht im Einzelfall die Akzeptanz deutlich.
Der Wohnungsbau bleibt die Herausforderung Nummer 1 der nächsten Jahre, da haben wir also gar keine Wahl.
Wir haben auch keine Wahl, was die Investitionen in unsere Betreuungs- und Bildungseinrichtungen betrifft: Die Schulbauoffensive muss fortgesetzt werden.
Diese zwei genannten Schwerpunkte allein bedeuten schon Investitionen in Milliardenhöhe und führen zwangsläufig zu einer Neuverschuldung. Da ist noch kein Tunnel gebaut, kein Theater eröffnet, keine Großmarkt- halle eingeweiht, kein Olympiastadion oder Gasteig saniert, kein einziger Kilometer Trambahnstrecke eröffnet, keine U-Bahn erweitert oder gar eine S-Bahn im Nordosten Münchens untertunnelt. Diese Aufzählung ließe sich mit Leichtigkeit fortsetzen. Rechnet man alle gewünschten großen Vorhaben zusammen, dann kommt man leicht auf einen zweistelligen Milliardenbetrag, den wir – da muss man kein Rechenkünstler sein – in diesem kurzen Zeitraum auf keinen Fall aus eigener Kraft finanzieren können.
Wir werden nicht umhin kommen, das eine oder andere sein zu lassen. Zusammenfassend halte ich fest:
1. Unsere finanziellen Spielräume sind endlich, eine Neuverschuldung ist unausweichlich.
2. Unterjährige Haushaltsausweitungen wird es im bisherigen Ausmaß nicht mehr geben können.
3. Wohnungsbau, Ausbau der Bildungseinrichtungen und Erhalt der sozialen Infrastruktur sowie Investitionen in die Sicherheit sind nicht disponibel, binden aber den größten Teil der finanziellen Mittel.
4. Wir müssen die verkehrliche Infrastruktur ausbauen, aber es wird nicht alles zeitnah finanzierbar sein!
5. Daher müssen wir (endlich) Prioritäten setzen und auch auf Projekte verzichten beziehungsweise sie deutlich hinausschieben oder vom
Standard her abspecken.
Das ist eine Aufgabe, vor der wir in den nächsten Jahren alle stehen, und der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe ist unmittelbar verknüpft mit der Einnahmesituation der Stadt.
Und bei all dem müssen wir auch die nachfolgenden Generationen im Blick haben.
Denn ich will, dass München auch in Zukunft eine Stadt für Alle bleibt, in der sich die Menschen dann noch genauso wohl fühlen wie sie es aktuell tun.
Wie hoch die Zufriedenheit der Münchnerinnen und Münchner aktuell ist, zeigen die Ergebnisse der aktuellen Schwerpunkt-Befragung zur sozialen und gesundheitlichen Lage in München.
Sage und schreibe 96 Prozent der Befragten fühlen sich eher wohl (35 Prozent) bis sehr wohl (61 Prozent) in München. 96 Prozent! Das, meine Damen und Herren, ist ein unglaublich positives Ergebnis.
84 Prozent der Befragten geben weiter an, mit ihrem vorhandenen Einkommen eher gut (52 Prozent) bis sehr gut (32 Prozent) zurecht zu kommen.
86 Prozent sind mit ihrer Wohnungssituation eher (37 Prozent) bis sehr (49 Prozent) zufrieden.
Dieses Ergebnis ist eine Bestätigung der Politik der vergangenen Jahrzehnte und der Gegenwart. Und in diese Richtung soll es weitergehen, daher lassen Sie uns gemeinsam an der Entwicklung unserer Stadt arbeiten, wie wir es bislang schon getan haben und tun.
Diese Zufriedenheitswerte sind natürlich auch auf die hervorragende Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung zurückzuführen. Ich danke Ihnen allen ausdrücklich für Ihr herausragendes Engagement im vergangenen Jahr, in dem wir gemeinsam so vielen Herausforderungen gegenüber standen und zu bewältigen hatten.
Ich danke auch allen ehrenamtlich tätigen Münchnerinnen und Münchnern, die – oft unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung – in so vielen Bereichen unserer Stadt außergewöhnlichen Einsatz bringen und ihren Teil dazu beitragen, dass die Stimmung in dieser Stadt so positiv, weltoffen und tolerant ist.
Und ich danke dem Münchner Stadtrat für die vielen leidenschaftlich geführten Debatten und weitreichenden Entscheidungen zum Wohle unserer Stadt.
Uns allen eine glückliche, ja besser noch, eine sparsame Hand im kommenden Haushaltsjahr und lassen Sie uns möglichst gemeinsam um die besten Lösungen zum Wohl der Münchnerinnen und Münchner ringen.“