Wer entscheidet nach welchen Kriterien über Werbung im Öffentlichen Raum?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel und Herbert Danner (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 20.6.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 20.6.2016 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Mit Schreiben vom 12.7.2016 und vom 14.9.2016 wurde um Fristverlängerung zur Beantwortung gebeten.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Die Werbetafel vor der Baustelle am Marienplatz hat für Diskussionen gesorgt. Die Größe der Tafel an einem derart zentralen Standort erscheint vielen überdimensioniert. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Regeln, die für die Nutzung des öffentlichen Raums in der Altstadt gelten, ist eine Wer- betafel dieser Größe tatsächlich verwunderlich.“
Ausgangslage:
Öffentliche Flächen sind für den Gemeingebrauch bestimmt. Das bedeutet, dass an ihre private Nutzung sehr strenge Anforderungen zu stellen sind, da sie ein Raum sind, in dem jede Bürgerin und jeder Bürger sich frei bewegen und sich auch frei entfalten können soll. Die öffentlichen Flächen haben damit eine wesentliche ordnende und gestaltende Funktion für eine Stadt, deren Bild und Identität durch die Gestaltung des öffentlichen Raumes wesentlich geprägt wird.
Frage:
Wie beurteilt der Oberbürgermeister die Auswirkung von Werbetafeln dieser Größe auf das Stadtbild in der Altstadt?
Antwort:
Dass Bautätigkeiten in der Altstadt nicht ohne Auswirkungen auf das Stadtbild sind, liegt in der Natur der Sache. Um angemessene Veränderungen zu ermöglichen, andererseits gewachsene Qualitäten zu bewahren und den Charakter der Altstadt zu stärken, hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Anfang des Jahres die Altstadtleitlinien – Leitlinien zum Planen und Bauen als Orientierungshilfe herausgegeben. Der Umgang mit Werbeanlagen ist dabei ebenso angesprochen wie Gebäudeproportionen und Fassadenoberflächen.Mit der Neugestaltung des Hauses Marienplatz 22 wird das Stadtbild im Zentrum zweifellos gestalterisch und ensemblegerecht aufgewertet. Dass es bei der Abwicklung der Baumaßnahme im Zuge einer genehmigten Verhüllung von Baustellencontainern und dessen werbemäßiger Bespielung zu kontroversen Diskussionen kommen kann, ist insbesondere wegen der zeitlichen Befristung tolerabel.
Die Werbeanlage entspricht diesen Richtlinien. Anstoß erregte insbesondere das überdimensionale Motiv. Beim Motivwechsel wurde Wert auf einen größeren Rand gelegt. Auch war das zweite Motiv deutlich kleiner und hat keine weitere Kritik erfahren.
Frage:
Nach welchen Kriterien wird Werbung im Öffentlichen Raum der Altstadt – im Besonderen auf dem Marienplatz – genehmigt?
Antwort:
Werbeanlagen, die der Wirtschaftswerbung dienen, sind bauliche Anlagen und somit gemäß Art. 2 Bayer. Bauordnung (BayBO) grundsätzlich baugenehmigungspflichtig. Diese Werbeanlagen, auch im öffentlichen Raum, werden nach Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren beurteilt und genehmigt, sofern sie den Vorschriften nicht widersprechen.
Dabei wird auch die besondere Situation auf dem Marienplatz und im Ensemble Altstadt berücksichtigt. Maßgeblich für die Beurteilung der Gestaltung ist Art. 8 BayBO, nachdem die bauliche Anlage nicht verunstaltend wirken darf, das Straßen- und Ortsbild nicht verunstaltet werden darf und sich keine störende Häufung von Werbeanlagen ergeben darf.
Sofern die Werbeanlage in einem denkmalgeschützten Bereich angebracht werden soll, wird sie auch nach Art. 6 Denkmalschutzgesetz (DSchG) beurteilt, nach dem eine störende Auswirkung auf das Denkmal oder das Ensemble zu vermeiden ist.
Zusätzlich werden großflächige Werbeposter an Fassaden nach den im Stadtrat 1987 behandelten Richtlinien beurteilt. In der Regel ist die Größe der Werbefläche auf 1/3 der Gerüstfläche und max. 120 m² begrenzt. Es besteht ein Wahlrecht, die Werbefläche an der Fassade oder der Baucontaineranlage anzubringen. Zudem ist vor Einzelbaudenkmälern, in der Nähe von bedeutenden Baudenkmälern, in denkmalgeschützten Ensemblebereichen sowie in städtebaulich bedeutenden Stadträumen (z.B. Sichtachsen) bei einem Anbringungszeitraum von ein bis drei Monaten die Anbringungeiner sandfarbenen Plane für die nicht vom Poster verdeckten Gerüstflächen erforderlich.
Bei einem Anbringungszeitraum von vier bis sechs Monaten ist zusätzlich die Nachbildung der Fassade oder eine künstlerische Gestaltung der nicht vom Poster verdeckten Gerüstflächen erforderlich. In werbefreien Zeiten ist auch die leere Posterfläche dementsprechend zu gestalten.
Genehmigungen für derartige Werbeanlagen werden grundsätzlich befristet auf die Dauer von höchstens sechs Monaten erteilt. Bei Bauvorhaben, die einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, ist ausnahmsweise eine Verlängerung auf neun Monate möglich.
Bei der bau- und denkmalschutzrechtlichen Prüfung des Bauantrages für das Großplakat an den Baucontainern auf dem Marienplatz wurden diese Vorschriften und Richtlinien analog angewandt.
Ist die geplante Werbeanlage mit den im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfenden Vorschriften vereinbar, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für die beantragte Werbeanlage.
Frage:
Hat sich die Stadtgestaltungskommission oder irgendein anderes politi- sches Gremium mit diesen Kriterien befasst?
Antwort:
Gemäß Beschluss des Stadtrates vom 17.4.1996 wurde vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung eine Arbeitsgruppe gebildet, der neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Baureferates und des Referates für Stadtplanung und Bauordnung eine Vertreterin der Kommission für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum, der Heimatpfleger sowie ein Vertreter des Werbebeirates angehören.
Die Arbeitsgruppe „Werbung an Baugerüsten“ hat sich in drei Sitzungen mit dem Thema beschäftigt und dabei die genannten Kriterien erarbeitet.
In der Sitzung vom 11.12.1997 wurde von der Vollversammlung des Stadtrates, nach Vorberatung im Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung, der Beschluss gefasst, dass die vorgenannten Kriterien bei der Genehmigung von Großflächenwerbungen an Fassaden Anwendung finden sollen.