Massenpanik in der U6
Antrag Stadträte Fritz Schmude und Andre Wächter (ALFA – Allianz für Fortschritt und Aufbruch) vom 22.7.2016
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
Mit o.g. Antrag haben Sie aufgrund einer Störung auf der U-Bahnlinie 6 zwischen Studentenstadt und Fröttmaning am 20.7.2016 ein Stadtratshearing zum U-Bahn Netz München gefordert und Fragen zu dem Vorfall, zum Zustand des Münchner U-Bahnnetzes, zur U9-Spange und Störungen im Allgemeinen gestellt.
Nach §60 Abs.9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Die Abwicklung von betrieblichen Störungen auf den U-Bahnlinien fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der Münchener Verkehrsgesellschaft mbH (MVG). Ich erlaube mir daher, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten.
Die Abhaltung eines Stadtratshearing zu der Thematik erscheint nicht zielführend und ist für die Aufklärung des o. g. Vorfalls am 20.7.2016 nicht erforderlich. Ihre Fragen können anhand einer Stellungnahme der MVG umfassend wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Was ist am 20.7.2016 auf der Strecke U6 zwischen Freimann und der Allianz-Arena geschehen? Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?
Antwort der MVG:
Der Vorfall vom 20.07.2016 wurde durch die MVG sehr intensiv analysiert. Letztendlich führte eine unglückliche Verkettung einer Vielzahl von Umständen dazu, dass der Betrieb auf der Linie U 6 zwischen den Bahnhöfen Studentenstadt und Fröttmaning vollständig zum Erliegen kam. Ursächlich waren insbesondere eine vorausgegangene Fahrzeugstörung, das sehr massive Fahrgastaufkommen während der Anfahrt vor einem Fußballspiel in die Allianz-Arena in Fröttmaning, extrem heiße Außentemperaturen, aber letztlich auch das unvernünftige Verhalten einiger Fußballfans. Auslöser war zunächst der Defekt an einem Zug, der gegen 20 Uhr aus der Innenstadt Richtung Stadion fuhr. Dieses Fahrzeug konnte in Folge einer technischenStörung am Zug nur bis zum Bahnhof Kieferngarten eingesetzt werden. Dort wurden die Fahrgäste gebeten, den Zug am Bahnsteig zu verlassen. Ursache für das anschließende Chaos waren unvernünftige Fußballfans. Sie sprangen im Bahnhof Kieferngarten vom Bahnsteig aus verbotenerweise in den Gleisbereich, um ihren Weg Richtung Arena fortzusetzen. Für sie bestand damit eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Die MVG hatte daher keine andere Wahl als unverzüglich den Zugverkehr anzuhalten und den Streckenabschnitt stromlos zu schalten. Zwei nachfolgende U-Bahnen im Abschnitt zwischen Studentenstadt und Kieferngarten, die in Richtung Arena unterwegs waren, konnten dadurch ebenfalls nicht weiterfahren. Wegen der Betriebsunterbrechung und aufgrund von Hitzeentwicklung im Zug, betätigten Fahrgäste an mehreren Türen dieser beiden Züge auf eigene Faust die Notentriegelung und begaben sich in den Gleisbereich in Richtung der nächsten Bahnhöfe. Der Zugverkehr musste deshalb zunächst eingestellt bleiben.
Polizei und Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden zum Einsatzort gerufen. Sie unterstützten die Fahrgäste aus den beiden Zügen auszusteigen und die Bahnhöfe zu erreichen. Neben der internen Analyse wird der Vorfall auch mit der Feuerwehr und der Polizei aufgearbeitet. In der Konsequenz stellt die SWM/MVG die Betriebsdurchführung bei Fußballspielen und Großveranstaltungen für den Störungsfall auf den Prüfstand und erarbeitet gezielt Optimierungsmöglichkeiten.
Frage 2:
Welchen technischen Zustand hat das Münchner U-Bahn-Netz? Welchen technischen Zustand haben die U-Bahn-Züge?
Antwort der MVG:
Die U-Bahn wird selbstverständlich nach den einschlägigen Vorschriften der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) gebaut und instandgehalten. Um die Zuverlässigkeit unserer Fahrzeuge und Anlagen zu gewährleisten, betreiben wir einen enormen Aufwand. Die Fahrzeuge werden regelmäßig auf Betriebssicherheit überprüft und grundsätzlich vorbeugend instandgehalten. Grundsätzlich gilt allerdings: Das U-Bahnnetz gelangt vor allem in der Innenstadt an seine Grenzen und damit können auch Störungen zunehmen. Es ist abzusehen, dass uns dieses Thema in den nächsten Jahren begleiten wird.
Frage 3:
Wie hat sich die Anzahl der Störfälle in den letzten Jahren entwickelt?
Antwort der MVG:
Die U-Bahnlinien U 3 und U 6 sind diejenigen Linien, die derzeit am stärksten beansprucht und teilweise bis an die Grenzen hin belastet sind:
- Es gab deutliche Fahrgastzuwächse über die letzten Jahre hinweg – wie im gesamten Netz der U-Bahn.
- Auf dem Streckenabschnitt zwischen Münchner Freiheit und Implerstraße fährt in Spitzenzeiten je Haltestelle alle 2,5 Minuten ein Zug ab.
- Großveranstaltungen im Olympiastadion und in der Allianz-Arena werden hauptsächlich über die U 3 bzw. U 6 bedient.
- Ein Großteil aller Züge, die von der Technischen Basis U-Bahn kommen oder dorthin überführt werden, muss ebenfalls den Streckenabschnitt befahren.
Die Anzahl der erfassten Störungen auf den beiden Linien ist über die letzten Monate hinweg konstant. Die Auswirkungen sind jedoch deutlich spürbarer geworden:
- Durch den Zuwachs der Fahrgäste sind tendenziell auch mehr Fahrgäste durch die Störungen betroffen.
- Die dichte Zugfolge führt dazu, dass sich auch Störungen mit geringen Verzögerungen sehr schnell auf die komplette Linie auswirken. Auf Grund des langen Streckenabschnittes, den U 3 und U 6 gemeinsam nutzen, sind meist auch beide Linien von Störungen auf der U 3 oder U 6 betroffen.
In den letzten Wochen gab es überdies mehrere unerwartete Ereignisse, die zu erheblichen Verzögerungen und Einschränkungen für die Fahrgäste insbesondere auf den Linien U3 und U6 führten. Anfang Juni kam es zu einer Stellwerksstörung, verursacht durch den Einsatz eines Schienenschleifzuges. Auch mehrere Notarzt- und Feuerwehreinsätze sind in den letzten Wochen zu verzeichnen. Das alles hat für Beeinträchtigungen gesorgt und ging zulasten der Pünktlichkeit. Ein guter Teil der Einschränkungen ist aber mittlerweile behoben. Die Störungsursachen sind vielfältig und weisen auch auf den Linien U 3 und U 6 keine Auffälligkeiten in Bezug auf eine Häufung bestimmter Ursachen oder die Fokussierung auf bestimmte Orte auf.
Frage 4:
Welche Strategie ist beim U-Bahn-Ausbau notwendig? Wie sehr braucht die Stadt München die „U9-Spange“?
Antwort der MVG:
Die für die nächsten 20 Jahre prognostizierten deutlichen Zuwachsraten bei der Einwohner- und Arbeitsplatzentwicklung sowie die großräumigere Ausdehnung von Pendlerströmen lassen höhere ein- und ausströmende Verkehrsmengen über die Stadtgrenze, aber auch im Binnenverkehr der Landeshauptstadt München (LHM), erwarten. Gleichzeitig sind die Netze bereits heute zumindest zu Spitzenzeiten überlastet bzw. zumindest nahe an der Leistungsgrenze. Dies gilt wegen der hohen Belastung der Innenstadtstrecken und Stationen im Zentrum insbesondere für das U-Bahn-Netz. So ist die Nachfrage an die U-Bahn in jüngster Vergangenheit jeweils um bis zu zehn Millionen Fahrgäste pro Jahr gestiegen. Allein zwischen 2007 und 2012 gab es ein Wachstum von 12,5 Prozent – Tendenz weiter steigend. Die U-Bahn-Nachfrage nahm in den letzten zehn Jahren etwa um ein Viertel zu. Neben dem attraktiven ÖPNV-Angebot ist vor allem das starke Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstum in Stadt und Region ursächlich für die hohen Steigerungsraten. So werden im Jahr 2030 vsl. ca. 20 Prozent mehr Menschen im Großraum München leben als im Jahr 2000. Zudem bleibt München Touristenmagnet mit in den letzten Jahren gestiegenen Besucherzahlen. Gleichzeitig wandelt sich das Mobilitätsverhalten insbesondere in urbanen Räumen weg vom Auto-Besitz hin zur flexiblen Nutzung verschiedener Angebote zugunsten des Umweltverbunds. Neue Mobilitätsformen wie Bike- oder Car-Sharing können den ÖPNV dabei allerdings nur sinnvoll ergänzen; der klassische ÖPNV wird dagegen weiterhin im Vordergrund stehen und das zentrale Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur bilden. Die Weiterentwicklung des Münchner ÖPNV-Systems ist daher zwingend erforderlich, um das weiter steigende Verkehrsaufkommen verträglich für Umwelt sowie Einwohnerinnen und Einwohner abwickeln zu können. Nachdem die U-Bahn gerade im Innenstadtbereich das Rückgrat des Münchner ÖP-NV-Netzes bildet, stellt das Projekt U9-Spange hinsichtlich einer möglichen Betriebsflexibilisierung und Entlastung der bestehenden U-Bahn-Strecken eine optimale Lösungsmöglichkeit dar. Im Rahmen der ‚MVG-Angebotsoffensive 2010-2020‘ sind bereits weitere Taktverdichtungen (2-Minuten-Takt auf Innenstadtstrecken), Bahnhofserweiterungen und Ausbaumaßnahmen geplant. Mit diesen Maßnahmen wird die Kapazität der am stärksten belasteten Streckenabschnitte in der Spitzenverkehrszeit weiter signifikant erhöht. Allerdings werden nach 2025 die Kapazitäten der Innenstadtstrecken und der U-Bahnhöfe teilweise sehr hoch ausgelastet bzw. voll ausgeschöpft und bei steigendem Fahrgastaufkommen auch noch störungssensibler sein. DasProjekt U9-Spange eröffnet daher eine darüber hinausgehende längerfristige Kapazitätsperspektive für die kommenden Jahrzehnte und sollte daher nach Einschätzung der MVG vorangetrieben werden.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.